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Was mein Leben reicher macht

Das Internet! Etwa, wenn ich per Skype gleichzeitig mit meinem Sohn auf Martinique, meiner Schwiegertochter in Erlangen und mit meiner Tochter in Würzburg verbunden bin, redend oder schreibend.

Claudia Jobst, St. Wendel, Saarland

 

Was mein Leben reicher macht

Feierabendeile, ein Vater steigt mit seinem kleinen Sohn aus der UBahn. »Papa? Was wollen wir noch einkaufen?« Papa: »Brot und ein Geschenk für Mama!« Der Junge: »Okay! Du holst das Geschenk und ich das Brot!« Ich freue mich über alle großartigen Väter dieser Welt. Und schließe meinen Mann mit ein, der unserem Kind und mir jeden Tag so viel schenkt.

Sabine Jäntsch, Berlin

 

Wiedergefunden: Die Taxiquittung


Schneechaos in Luxemburg! Im Stadtzentrum liegt der Schnee als immer dicker werdende weiße Decke, Busse fahren schon lange nicht mehr, der Verkehr steht. Um 21 Uhr bin ich immer noch im Büro gefangen, in Anzug und Halbschuhen vom plötzlichen Wintereinbruch überrascht. Ich bin müde und friere, als ich nach Hause will. Dann treffe ich Momo, den Taxifahrer. Er heißt eigentlich Mohamed, hat eigentlich Feierabend und ist eigentlich auf dem Weg nach Hause, zu seinem sechs Monate alten Sohn und seiner Frau. Das erfahre ich allerdings erst, als wir bereits zwanzig Kilometer unterwegs sind. An einer Bushaltestelle lesen wir noch zwei Passagiere auf, die an der Strecke wohnen: eine kapverdische Frau, die zu ihren Kindern nach Hause will, und einen englischen Bankangestellten. Ich spendiere ihnen die Fahrt. Im Taxi ist es warm, und wir Geretteten unterhalten uns auf Französisch, Englisch, Spanisch und Portugiesisch über Kinder, Oldtimer, Kochen, Integration und Grenzgänger. Die Frau von den Kapverden möchte uns alle irgendwann zu sich einladen. Eine Einladung, die nie stattfinden wird, das wissen wir alle, aber es ist gut so. Nach über zwei Stunden Fahrt bin ich zu Hause, ich danke Momo mit einer Umarmung und einem ordentlichen Trinkgeld und sehe meine Frau am Fenster – sie hat gewartet. Die Quittung habe ich beim Aufräumen im Büro wiedergefunden, und sie erinnert mich an jene Nacht, auch wenn Momo längst wieder am Flughafen steht und der Schnee vom letzten Jahr längst geschmolzen ist.

Sven Knepper, Nospelt, Luxemburg

 

Was mein Leben reicher macht

Wenn ich an einem verregneten Donnerstagmorgen in der »ZEIT der Leser« entdecke, dass mein Kommilitone Max über sein verlängertes Wochenende mit guten Freunden in unserer ehemaligen Studienstadt Passau erzählt, es habe sein Leben reicher gemacht. Ich denke an die schöne Zeit zurück, stimme ihm zu und freue mich auf meinen nächsten Besuch dort, wenn auch nur für eines dieser verlängerten Wochenenden.

Theresa Tell, München

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Fernsehfilm, letzten Mittwoch in der ARD. Ein mutiger und trauriger Film über eine Frau, die sich in einer depressiven Phase das Leben nimmt und eine verzweifelte, schuldgeplagte Familie hinterlässt. Der letzte schöne Tag hat mich aufgewühlt, aber auch reicher gemacht. Plötzlich fühle ich mich im heimeligen Wohnzimmer so geerdet und weiß wieder, was ich habe: am eigenen unbeschwerten Leben, an Mann und Kindern.

Isabel Uliczka, Dortmund

 

Schnurstracks: Mein Wort-Schatz

Schnurstracks. Ich mag dieses Wort. Es bringt seine Bedeutung zum Klingen: »Schnur«, das ist gerade, ohne Umwege, auf kürzester Strecke. »Stracks«, kommt das von »Strecke«?, frage ich mich jetzt eben. Egal! Das »a« mit anschließendem »ck« bringt einen kleinen entschlossenen Knall und ist gleichzeitig der größtmögliche Kontrast zum dunklen »u« in der ersten Silbe. Das sehe ich bei »schnurstracks« vor mir: Jemand geht aufrecht und zügig, aber nicht überhastet, in eine Situation, um sie zu klären. »Schnurstracks« ist in Bild und Klang sehr viel anschaulicher als »direkt« oder »straight«.

Margit Bergmann, Flein, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

Die gesamte Familie isst im Restaurant. Der Nachtisch ist beendet, nur mein Enkel Julius, zweieinhalb, sitzt noch beim Eis. Die Kellnerin kommt mit der Rechnung. Julius schaut auf und sagt: »Ich esse noch!«

Bernd Otto, Arta, Mallorca

 

Zeitsprung

1887

2010

Gerne suche ich die Standorte der Maler auf, von denen ich Bilder habe oder kenne. Meistens gelingt das nicht vollständig. In diesem Fall aber war es umgekehrt und gelang ohne mein Zutun fast perfekt. Im August 2010 nahm ich in Svolvær, dem Hauptort der Lofoten in Norwegen, die Aussicht nach Store Molla auf. Im April 2011 fand ich auf einer Auktion das Bild des Berliner Malers Hermann Eschke, der im August 1887 offenbar an derselben Stelle gestanden hatte.

Clemens Alexander Wimmer, Potsdam

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Freundin Marietta lebt seit zwei Monaten in Buenos Aires. Wir haben fast jeden Tag Kontakt über E-Mail, SMS, Skype. Nun hat sie für mich ein Lied aufgenommen, um mich aus der Ferne in den Schlaf zu singen. »I’ll hold your head my dear, make sure no one’s gonna wake you …« Ich fühle mich geborgen.

Tim Müller, Münster

 

Wiedergefunden: Ein Brief von hoher See


Nach dem Tod meiner Mutter fiel es mir zu, ihre Wohnung auszuräumen. Sie hatte unendlich viele Kisten mit Bildern und Briefen aufgehoben. In einer dieser Kisten fand ich den bereits leicht vergilbten Brief an meinen Großvater. Mein Vater hatte ihn auf Büttenpapier geschrieben und – er bat um die Hand meiner Mutter! Mein Vater, 1920 geboren, hat es im jungen Alter von 15 Jahren aus einem kleinen Bergmannsdorf an der Saar nach Hamburg gezogen, um sich seinen Traum zu erfüllen und bei der deutschen Handelsschifffahrt anzuheuern. Er war auf verschiedenen Schiffen in weit entfernte Länder gekommen, bis – so sein Tagebuch – »im September 1939 die schönen schneeweißen Schiffe in das düstere Grau des Krieges gekleidet wurden und ich von einem Tag zum anderen kein herrlich freier Seemann, sondern ein Matrose des Hilfsschiffs der deutschen Kriegsmarine wurde, Bestimmungsort unbestimmt …« Im Juli 1944 hat mein Vater meine Mutter, eine Hamburger Deern aus Blankenese, geheiratet. Er konnte uns vier Kindern später sehr viel von seinem facettenreichen Leben vermitteln.

Margit Anhut, Freiburg