Lesezeichen
 

Was mein Leben reicher macht

Vor sieben Jahren starb mein Vater, plötzlich und viel zu früh. Seitdem erlebten wir vier Kinder unsere Mutter als fassungslos Trauernde. Sie, die in unserer Familie stets für Contenance stand, war außer sich vor Kummer. Vor drei Monaten ist ein neuer Mann in ihr Leben getreten. Er war klug genug, nichts zu übereilen, und hartnäckig genug, die Trauerschichten, die diese ungewöhnliche Frau umgaben, so lange zu erweichen, bis etwas Verschüttetes wieder zum Vorschein kam. Wir wissen nicht, wer nun glücklicher ist: sie, die frisch Verliebte, oder wir Kinder, wenn wir ihr helles, übermütiges Lachen wieder hören.

Petra van Laak, Potsdam

 

Enken?


Dieses Foto habe ich kürzlich im Bremer Stadtteil Findorf aufgenommen. Vielleicht haben Sie ja Verwendung dafür …

Hannes Dziggel, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Endlich ist die Ruppelstrecke, auf der ich bis vor kurzem über tausend Schlaglöchern zum nächsten Dorf fuhr, repariert. Auf der frischgeteerten Straße surrt mein Autochen dahin wie auf einem dunklen Seidenband.

Sibylle Korber, Odenthal

 

Was mein Leben reicher macht

Wie früher, doch diesmal ohne Zeitdruck, sitze ich im Lesesaal der großen Bibliothek und schaue erwartungsvoll der Bibliothekarin zu, wie sie mir mit weißen Handschuhen große, in Leder gebundene Folianten vorlegt. Dann kann ich in uralte Texte eintauchen, und ich mache mich in aller Ruhe auf die Suche nach einem Konjunktiv, der mir damals in der Eile entgangen sein muss.

Knud Willenberg, Nürnberg

 

Lehrers Bilanz

(Nach Johann Wolfgang von Goethe, »Faust I«)

Habe nun, ach! während zweier Jahr’
Literatur nach Lehrplan-Doktrin
und Orthographie sogar
durchaus gelehrt mit heißem Bemühn.
Da sitz ich nun, ich armer Rat,
und grüble, was ich da denn tat.
Zog ich nicht nur quer und krumm
meine Schüler an der Nase herum?
Gab ihnen Texte zu interpretieren,
von vorne nach hinten zu analysieren?
Ich habe Klausuren schreiben lassen,
die Gedanken des Dichters tief zu erfassen.
Und merkte doch, daß niemand was wissen wollte,
in den Augen die Frage, was das bloß sollte.
Faust zog den Schluß für sein eigenes Leben:
Er hat sich der Magie ergeben.
Doch was soll ich tun, ich Fachidiot,
noch zwanzig Jahre in dieser Not?
Und doch bleibt das vage verspürte Hoffen:
Stand da nicht doch noch ein Türchen offen?
War es nicht doch nur ein Wörterkramen?
War es nicht auch Zeit für sprossenden Samen?

Heinz Schlögl, Bad Säckingen

 

Straßenbild


Auf dem Weg zu unserer Trauminsel Halki mußten wir aufgrund des (griechischen) Lotsenstreiks vor einigen Wochen einen Tag auf Rhodos verbringen – was zugegebenermaßen keine große Überwindung brauchte.  Beim verbummeln der so gewonnenen Zeit kamen wir an den üblichen Touristen- Ständen in der Neustadt vorbei. Obwohl die Griechen auf Rhodos meinten, Griechenland und damit die Krise sei weit weg, sahen wir plötzlich dieses Plakat.

Heike Vogt, Schwieberdingen

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Tochter, 16, ist momentan für drei Wochen zum Schüleraustausch in Delhi. Sorgen kommen auf, was dem Kind in diesem fremden Land so alles zustoßen könnte: Gefahren wie Linksverkehr, Moskitos, Sonnenstich, Durchfall … Doch dann kommt eine E-Mail: »Ich habe in meiner indischen Familie als Gast das beste Bett, teile es aber mit meiner indischen Mami. Sie sagt, sie dankt Gott, dass er ihr für drei Wochen eine Tochter geschenkt hat.«

Sylvia Jung, Ingolstadt

 

Wiedergefunden II: Die Zollerklärung


Als wir kürzlich Fotoalben und Tagebücher durchforsteten, fanden wir – fast genau 30 Jahre nach seiner Ausstellung – das angegilbte Formular ZV 265 vom 6. November 1981, die »Erklärung über mitgeführte Gegenstände und Zahlungsmittel «. Es auszufüllen war Pflicht  für jeden Erwachsenen beim Grenzübertritt in die DDR. Heute amüsieren mich »2 Erdnüsse « (natürlich waren zwei Tüten gemeint) und die Wichtigkeit von »Waschpulver 4,5 kg«, »1 kg Kaffee« und »Bananen 3 kg«. Das brachten wir den Freunden mit, die wir im Eichsfeld besuchten. Gut, dass heute, 30 Jahre später und 22 Jahre nach dem Fall der Mauer, zumindest an solchen Dingen kein Mangel mehr herrscht.

Meike Krüger, Essen

 

Was mein Leben reicher macht

Mein Freund, mit dem ich seit paarundzwanzig Jahren verheiratet bin, hat mir siebzehn Jahre lang das Erbstück seines Urgroßvaters zum Lernen und Üben zur Verfügung gestellt: eine alte Geige. Inzwischen hat er mir mit viel Arbeit und Geschick aus einem kümmerlichen Stück Sperrmüll die wohlklingendste und schönste Geige hergerichtet, die ich je in der Hand hatte: ein Corona-Modell aus der Schuster-Manufaktur in Markneukirchen. Jedes Menuett ein dankbares Freudentänzchen!

Heidi Schmidt, Kleingladenbach

 

Was mein Leben reicher macht

Meine hochbetagte, demenzkranke Mutter im Pflegeheim zu besuchen, mit ihr in der Sonne zu sitzen, ihr kleine Begebenheiten zu erzählen, wohl wissend, dass sie nicht antworten wird. Ihr Essen zu reichen, langsam und geduldig. Sie lächelt und bedankt sich. Rollentausch! Ein Herz wird nicht dement.

Martina Drumm, Kaiserslautern