Als ich Ende März zwei Medinilla-Pflanzen verschwenken wollte, waren sie in den Fachmärkten fast ausverkauft. Eine wollte ich zum runden Geburtstag meiner ältesten Cousine verschenken. Die andere war für meine Schwägerin vorgesehen, deren Geburtstag erst Mitte April war. Da ich befürchten musste, im April keine Pflanze mehr zu bekommen, kaufte ich beide Pflanzen noch im März. Der erbärmliche Zustand der zweiten Pflanze hielt mich davon ab, sie nach zwei Wochen noch zu verschenken. Ich behielt sie zur Pflege. Erst Ende Mai hatte ich sie soweit aufgepäppelt, dass sie als Geschenk auch wirklich Freude machen konnte.
„Der Geburtstag ist ja wohl schon eine Weile her“, sagte meine Schwägerin am Telefon — sie ist es gewohnt, dass ich ihren Geburtstag vergesse. Ich erklärte die Umstände und sagte: „Beim Einkaufen wusste ich noch nicht, ob dein Geschenk überlebt, deswegen komme ich jetzt erst. Aber vor deinem Geburtstag hatte ich es dir schon rechtzeitig zugedacht.“
Als ich die Pflanze brachte, fanden wir auch schnell einen passenden Platz, an dem die große rosa Blütenrispe frei herunterhängen konnte. Auch für meinen Bruder, der große Zimmerpflanzen liebt, war sie etwas Neues — ein großer Erfolg.
Das zudenken habe ich von meiner Großmutter gelernt, die ich leider nur in den Sommerferien besuchen konnte. Sie war eine einfache Frau, die ein weites Herz hatte und eine ungezwungene Gerechtigkeit im Umgang mit Kindern und Halbwüchsigen walten ließ; nie kam jemand bei ihr zu kurz. Fürsorge und Verlässlichkeit, Mitfühlen und Umsicht liegen in so einem einzigen Wort. Und viele liebenswerte Erinnerungen.
Jörg Jahn, Langen