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Was mein Leben reicher macht

Eine Radtour mit meinen beiden erwachsenen Töchtern. 150 Kilometer in drei Tagen bei Sonne und Regen. Aufstiege und Abfahrten haben mich ungeübte Fahrerin sehr gefordert, aber es war ein wundervolles Erlebnis. Danke für das kleine Wagnis, mit mir unterwegs zu sein, danke für die gemeinsame Zeit und die Gespräche.

Jutta Geerlings, Waldkirch

 

Was mein Leben reicher macht

Auf dem Weg zu meiner Schule in Kühlungsborn fahre ich durch ein hügliges Waldstück. Genau dort, wo sich das schattige Blätterdach öffnet, genieße ich jeden Morgen einen freien Blick auf die Ostsee. Bei guter Sicht kann man die auf Reede liegenden Schiffe zählen. In der Schule wirft die Hausmeisterin einen besorgten Blick zum Dach in der dritten Etage und zeigt mir die Stelle, wo Möwen sich ein Nest gebaut haben. Während einer Klassenarbeit steht ein Schüler genervt auf, schließt das Fenster und murmelt:»Bei dem Geschrei der Reusengeier kann ich mich nicht konzentrieren!« Ich schmunzele in mich hinein und denke: Hey, wie gut wir es hier haben!

Ute Weber, Reddelich bei Rostock

 

Tour de Farce

(Zur Tour de France 2011,
frei nach: Rainer Maria Rilke, »Das Karussell«)

Im Sonnenlicht und seinem Schatten dreht
Sich unablässig der Bestand
Von schlanken Rädern, wohldurchdacht bemannt,
So lange, bis es nicht mehr weitergeht.

Zwar sind die Körper fast schon ausgebrannt,
Doch haben alle Mut in ihren Mienen.
Ein weißer Wagen neben ihnen
Und mittendrin ein gelber Aspirant.

Sogar ein Arzt fährt mit auf dem Asphalt,
Nur dass er keinen Kittel trägt und eilig
Ampullen aussortiert wie durchgeknallt.
Dazu ein Powergel, das Kräfte spendet.

Man kennt doch immer nur das eine Ziel:
Den Tagessieg. Dafür man Blut entwendet,
Mit Epo aufgemischt. Wer weiß, wie viel?
Im Wiegetritt ein Hecheln, das nie endet,
Ein Bleu-Blanc-Rouge,
Das blendet und verschwendet
Sich an ein grenzenlos perfides Spiel.

Vincenz Keuck, Oerlinghausen

 

Zeitsprung

5:30 Uhr

8:27 Uhr

In unserem Gartenteich wachsen viele Libellenlarven heran, die nach einer Entwicklungszeit von zwei bis drei Jahren im Juni/Juli das Wasser verlassen und an einem Halm hochklettern. Dort festgekrallt, öffnet sich der Nacken der Larve, und die Libelle stülpt sich mühsam ins Freie. Das beginnt circa morgens gegen 4.30 Uhr, etwa dreieinhalb Stunden später ist die Geburt der Libelle Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) vollbracht. Ihr Körper ist voll ausgebildet, und die Flügellänge hat sich von circa sechs auf etwa 35 Millimeter entwickelt. Nach einem ungefähr einminütigen Probelauf der Flügel (starkes Vibrieren) und einem wechselseitigen Über-den-Kopf-Streichen mit den Vorderfüßen hebt die Libelle zum Erstflug ab. Zurück am Halm bleibt der leere Larvenmantel. Die Weibchen kommen zur Eiablage wieder. Den Winter überlebt keine dieser Libellen.

Brigitte Bergner und Gerd Menzel, Puls

 

Papperlapapp: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz ist einer für die Optimisten dieser Welt. Einer für diejenigen, die nicht alles angepasst hinnehmen oder nur machen, weil man »das eben so tut«. Es ist das wunderschöne Wörtchen Papperlapapp. Leider weiß ich nicht mehr, wann das Wort in meinen Wortschatz geriet; aber ich weiß genau, wann es mich jedes Mal aufs Neue begeistert: zur Weihnachtszeit in dem Kultfilm Der kleine Lord. Es ist die wunderbar herzliche Art, mit der Lady Lorradaile, die Schwester des einst so vergrämten Earls, mit diesem Wort um sich wirft. Und damit so unbekümmert und begeisterungsfähig ist, wie man sich das in vielen Situationen des Lebens für sich selber wünscht. Das hat etwas von mit dem Kopf durch die Wand wollen – im positiven Sinn: »Ach was, wir machen das jetzt, keine Widerrede und ganz egal, ob alle uns davon abraten.« Manchmal – das gilt für die Politik und auch im privaten Leben – muss man einfach seinen Mut zusammennehmen, muss die ewigen Zweifler hinter sich lassen, die Sorgen über Bord werfen. Manchmal muss man einfach »Papperlapapp« sagen.

Gesine Heger, Heidelberg

 

Was mein Leben reicher macht

Der Klomann auf dem Flughafen in Kapstadt/Südafrika, der jeden seiner Gäste mit den Worten »Welcome to my office and have a wonderful time!« und einem offenen Lächeln begrüßt.

Tobias Keil, München

 

Was mein Leben reicher macht

Nach über zwei Jahren als Obdachlose ohne eigene Wohnung, davon 14 Monate im Hotel, schließe ich die Tür zu meiner eigenen, 50 Quadratmeter großen Zweizimmerwohnung auf. Was für ein Glücksgefühl, endlich wieder ZU HAUSE zu sein!

Kirsten Attenberger, Köln

 

Wundervoll: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz ist das Wort wundervoll: ein Wort, das glücklicherweise zu dem Teil unserer Sprache gehört, der noch nicht in Vergessenheit in geraten ist. Ein Wort, so schlicht und in sich so selbsterklärend, dass es keiner weiteren zusätzlichen Worte in seiner Nähe bedarf. Es sagt uns, das ein Mensch, ein Erlebnis oder eine Sache voll(-er) Wunder steckt. Man könnte einwenden, dass bei aufmerksamer Betrachtung wohl alles und jeder Wunder in sich birgt. In einer Zeit, in der Wunder und Sensationen meist recht inflationär gehandelt werden, möchte ich dennoch anregen, diesen Wort-Schatz immer mit Bedacht zu wählen.

Oliver Geffken, Berlin

 

Zugedacht: Mein Wort-Schatz

Als ich Ende März zwei Medinilla-Pflanzen verschwenken wollte, waren sie in den Fachmärkten fast ausverkauft. Eine wollte ich zum runden Geburtstag meiner ältesten Cousine verschenken. Die andere war für meine Schwägerin vorgesehen, deren Geburtstag erst Mitte April war. Da ich befürchten musste, im April keine Pflanze mehr zu bekommen, kaufte ich beide Pflanzen noch im März.  Der erbärmliche Zustand der zweiten Pflanze hielt mich davon ab, sie nach zwei Wochen noch zu verschenken. Ich behielt sie zur Pflege. Erst Ende Mai hatte ich sie soweit aufgepäppelt, dass sie als Geschenk auch wirklich Freude machen konnte.

„Der Geburtstag ist ja wohl schon eine Weile her“, sagte meine Schwägerin am Telefon — sie ist es gewohnt, dass ich ihren Geburtstag vergesse. Ich erklärte die Umstände und sagte: „Beim Einkaufen wusste ich noch nicht, ob dein Geschenk überlebt, deswegen komme ich jetzt erst. Aber vor deinem Geburtstag hatte ich es dir schon rechtzeitig zugedacht.“

Als ich die Pflanze brachte, fanden wir auch schnell einen passenden Platz, an dem die große rosa Blütenrispe frei herunterhängen konnte. Auch für meinen Bruder, der große Zimmerpflanzen liebt, war sie etwas Neues — ein großer Erfolg.

Das zudenken habe ich von meiner Großmutter gelernt, die ich leider nur in den Sommerferien besuchen konnte. Sie war eine einfache Frau, die ein weites Herz hatte und eine ungezwungene Gerechtigkeit im Umgang mit Kindern und Halbwüchsigen walten ließ; nie kam jemand bei ihr zu kurz. Fürsorge und Verlässlichkeit, Mitfühlen und Umsicht liegen in so einem einzigen Wort. Und viele liebenswerte Erinnerungen.

Jörg Jahn, Langen