Vor Kurzem fand ich im Roman Heimatmuseum von Siegfried Lenz das Wort zurückgedummt als Bezeichnung für (alters)vergesslich oder dement. Meine Enkelkinder waren von diesem sehr beeindruckt, vor allem die achtjährige Runa. Wenn ihr dann etwas nicht gleich einfiel, hieß es: »Ich bin auch schon ein bisschen zurückgedummt.« So wie dieses Wort aus Masuren ist wohl auch das schwäbische Pedäderle (von peut-être) für einen Gegenstand (Feuerzeug, Kugelschreiber, Taschenlampe), der vielleicht mal funktioniert, vielleicht auch nicht, vom Aussterben bedroht. Als Kind wurde ich auch oft mit »später pedäder!« vertröstet.
Wiedergefunden hätte ich sehr gerne das gehörlose Mädchen, genannt »Stummerle«, das von 1945 bis 1947 in einem von Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz betreuten Fürsorgeheim in Kallham, Oberösterreich, lebte. Die damals neunjährige Irene Steinhorst, die zusammen mit ihrem vierjährigen Bruder Hanns – meinem späteren Mann – auf der Flucht aus Oberschlesien von der Mutter getrennt worden war und ebenfalls für zwei Jahre in Kallham landete, hat mir Lustiges und Berührendes von »Stummerle« erzählt. In dem Buch Lauf weiter, kleiner Bruder habe ich diese Erlebnisse festgehalten. Es wäre wunderbar, wenn sich die beiden Damen noch einmal treffen könnten. Meine Schwägerin Irene lebt in den USA. Doch meine Bemühungen, »Stummerle« zu finden, blieben bisher erfolglos. Die Dame müsste inzwischen rund 80 Jahre alt sein. Ihren Namen weiß ich leider nicht.
Zu sehen, wie mein zukünftiger Mann mit Begeisterung, leuchtenden Augen und unermüdlicher Energie, egal ob bei Regen oder Dunkelheit, an der Fertigstellung unseres Sandstein-Backhäuschens arbeitet. Er hat sich zum Ziel gesetzt, unsere Hochzeitsgäste mit selbst gebackenem Brot zu begrüßen.
Nach dem denkbar schlimmsten Streit mich mit meinem lieben Studienfreund Lukas versöhnt zu haben und wieder kritischkontrovers über die Qualität mancher ZEIT-Artikel zu diskutieren.
Die einen (wie Ronaldo und Pele) be-
neidet und verehrt in dieser Fußballwelt,
die anderen im Dunkel, als ob es sie nicht gäbe:
Beim Publikum zählt einer nur: der Held.
Gebroch’ne Knochen? Wer wohl nicht d’ran litte,
das bisschen Ruhm von einst ist rasch verweht.
Erinn’rung bleibt an all die Fouls und Tritte,
die Schienbeinwunden, dutzendfach genäht.
Wie schmeckt sie, diese bittersaure Pille,
noch jung, schon alt und aussortiert zu sein?
Was nützen denn die hart verdienten Mille,
bei Kreuzbandriss und einem steifen Bein?
Jan und Tim, zwei Schüler, klettern für mich die steile Leiter hinauf in die Obstbäume und reinigen meine Vogelnistkästen. Dankbar gebe ich jedem fünf Euro. Sie nehmen sie – und geben sie mir zurück. »Sie wollten uns eine Freude machen, und jetzt machen wir Ihnen eine Freude!«, sagen sie und laufen lachend weg.
In den nächsten Tagen werde ich mit meiner Chemo beginnen. Ich stehe vor meinem Mann mit straff nach hinten gebürsteten Haaren. »Also, so sehe ich dann aus, wenn die Haar weg sind.« Er spontan: »Wie Nofretete!«
Auf der Suche nach »unserem« Familienbaum im Friedwald habe ich diese Entdeckung gemacht, die mich sehr berührt hat: Eine Vogelbeere hat ihren Weg in den Spalt eines Baumstumpfes gefunden, ist gekeimt und gewachsen. Das Leben sucht sich seinen Weg…
Meine Mutter, 1904 in Riga geboren und 1939 ausgesiedelt, brachte viele Wörter aus dem baltischen Sprachraum mit. Etwa »verhunzen« für »verderben, verpfuschen«. Am kuriosesten war wohl der Zieschendreher. »Zieschen« bezeichnet eine dünne Bratwurst, und ein »Zieschendreher« war für meine Mutter ein Mann, dem es in ihren Augen an Männlichkeit, an Statur fehlte. »Zieschendreher«, das war aus ihrem Munde ein vernichtendes Urteil! Wenn meine Mutter allerdings einmal richtig böse wurde, dann bediente sie sich des Lettischen oder Russischen, damit das Kind nicht etwa verhunzt würde.
Meine Entscheidung, im Iran zu studieren. Jeden Tag aufs Neue überrascht davon zu sein, wie falsch mein Bild doch war: es gibt unzählige Künstlercafés, so viel Literaturliebe, stundenlange öffentliche Dichterlesungen, Theaterstücke von Brecht! Und jede Woche etwas längere Gespräche auf Persisch mit wunderbaren neuen Freunden.