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Zwei Träume, erfüllt

Ich bin 63 und hatte für mein Leben noch zwei Träume. Einer davon war, noch einmal einen echten Liebesbrief zu bekommen. Der zweite war, noch einmal die Stadt Kairo zu sehen, in der ich vor 45 Jahren drei Jahre lang zur Schule ging. Nun hat ein Mitschüler aus jener Zeit zu mir Kontakt aufgenommen und mir einen wunderschönen Liebesbrief geschickt. Demnächst fliegt er mit mir nach Kairo. Ist das nicht wunderbar?

Brigitte Wörl, Hebertshausen, Bayern

 

Hier ist Afrika (6)

Bevor wir auf Safari gehen, müssen wir zunächst den (unbeschilderten) Eingang zum Nationalpark finden und den Obolus bezahlen. An der Tür zum Büro prangen ausnahmsweise die Eintrittspreise. Drinnen gibt es ein paar verstaubte Raffiataschen zu kaufen und vergilbte Postkarten. Ich fühle mich wie in einem Polizeipräsidium, obwohl der Park doch zum Ministerium für Wald und Wild gehört. Ein Mann mit grimmigem Blick sitzt hinter einem breiten Schreibtisch. Es ist Sonntagmorgen, sechs Uhr früh. Der Beamte beginnt, auf einem Kindertaschenrechner mit bunten Tasten herumzudrücken und stirnrunzelnd irgendwelche komplizierten Summen auszurechnen. Parkeintritt für drei Erwachsene à 3000 plus 2000 Fotogebühr für zwei Kameras plus 2000 für das Auto macht 15 000 zentralafrikanische Francs, die ich vor Minuten abgezählt vor ihn hingelegt habe. Ehe er auch auf diese Summe kommt, sind fünfzehn Minuten vergangen, und ich verfolge inzwischen eine englischsprachige Sonntagspredigt im Radio. Nun hat er also unsere Nationalparkeintrittsgebühr korrekt berechnet und beginnt, vier verschiedene Bons auszustellen.

@ZEIT Grafik

Die Summen sind plötzlich völlig andere: für den Parkeintritt von drei Personen quittiert er 4950, fürs Auto 1100 und für die Fotogebühr insgesamt 2200 Francs. Die Differenz notiert er auf einem vierten Bon. Stempel. Stempel. Stempel. Stempel. Vier Unterschriften. Pamm! Sie hätten so eine komplizierte Buchhaltung, lässt er mich wissen. Ein Glück, dass ich den Betrag passend hatte. Bloß schnell raus zu den wilden Tieren! 15 000 Francs sind übrigens knapp 23 Euro.

Seit fast zwei Jahren lebt Tabea Müller, 37, im Nordwesten Kameruns. Als Sozialmanagerin berät sie Frauen, unterstützt ein Alphabetisierungsprogramm und andere Projekte. Hier erzählt sie jede Woche über den Alltag im Inneren Afrikas.

 

„Wir haben alle gewonnen!“

Einer dieser schönen Herbsttage. Sieben Kinder sitzen draußen am Boden bei einem Kreisspiel, gespannt, konzentriert. Jedes will der Sieger sein. Auf einmal Julia: „Klasse, hurra!“ Sie hat es geschafft! Ein Junge starrt vor sich hin, einer sagt halblaut: „Scheiße!“ Keiner rührt sich. Da springt Julia auf: „Ach, Quatsch, wir haben alle gewonnen!“ Es ist zum Heulen schön. So einfach kann das sein, das mit dem Frieden!

Rosemarie Bottländer, Odenthal

 

„Haben Sie das übersehen?“

© Streeter Lecka/Getty Images

Ein Schachturnier in einem grossen Saal. An zwanzig Brettern dampfen die Gehirne. Als ich mich an den mir zugewiesenen Platz setze, erkenne ich sofort: Mein Gegenüber ist blind. Vor ihm, seitlich versetzt, steht sein spezielles Blindenbrett. Runde und eckige Aufsätze auf den Figuren lassen ihn erfühlen, was weiße und was schwarze Figuren sind. Er reicht mir die Hand. „Schönes Spiel“ murmeln wir beide und beginnen die Partie. Sobald ich ihm flüsternd meinen Antwortzug nenne, beginnen seine Hände einen flinken Tanz auf seinem Brett. Faszinierend zu sehen, wie die Fingerspitzen über die Figuren streichen, um ihre Lage zu ertasten. Es raschelt leise. Seine Augen ruhen starr irgendwo auf einem fernen Punkt im Raum.

Es geschieht etwa beim 20. Zug. Meine Dame, die ich gerade mitten in seine Stellung setze, scheint ihm Probleme zu bereiten. Unruhig gleiten seine Hände über die Spitzen, er wirkt sichtlich nervös. Plötzlich erkenne ich den Grund seiner Unruhe: Ich habe die Dame „eingestellt“, er kann sie ohne Kompensation schlagen. Und dann, nach einer für mich unendlich langen Weile des Wartens, fragt der Blinde den Sehenden: „Haben Sie das übersehen?“ Was für eine wunderbare Frage! Ich reiche ihm die Hand zum Zeichen der Aufgabe. Das war mein berührendster Partieverlust.

Hartmut Stieger, Flums, Schweiz

 

Was mein Leben reicher macht

An einem sonnigen Herbsttag die Landstraße von Bad Dürkheim nach Mainz nehmen. Durch ein Meer rotgelber Weinreben.

Rüdiger Butter, Mainz

 

„Es fetzt uns die Ohren vom Kopf“

Fünfzig Jahre lang habe ich keine Musik mehr gemacht. Jetzt singe ich wieder, in einem Quartett. Seit gestern auch mit einer Band zusammen. Probe für Route 66 und Do you love me. Es fetzt uns fast die Ohren vom Kopf, es swingt, es vibriert. Da ist es wieder, dies Zittern und die Gänsehaut. Am Ende des Saales macht einer „Wow!“

Manfred W. Hellmann, Viernheim

 

Wiedergefunden: Die Manschettenknöpfe

Vor vielen Jahren schenkte mir mein 1998 verstorbener Vater seine Lieblings-Manschettenknöpfe: Perlmutt mit Goldrand. Nach der Pensionierung brauchte er sie nicht mehr, außerdem hatten die Hemden inzwischen angenähte Knöpfe. Für mich waren die Manschettenknöpfe Schmuckstücke und Erinnerung zugleich. Irgendwann aber waren sie weg, ich suchte sie lange vergeblich und war traurig. Kürzlich brachte ich eine Tüte mit Altkleidern zum Secondhandladen unserer Hospizeinrichtung. Beim Auspacken griff ich eine Bluse und nahm sie wieder mit nach Hause, ich konnte mich doch noch nicht von ihr trennen. Heute probierte ich sie noch mal an: An den Manschetten waren die Manschettenknöpfe! Ich war so glücklich, es wurde ein richtig schöner Tag.

Ulrike Stahlmann-Liebelt, Flensburg

 

Oben auf der Kanzelwand

Wir beide auf der Kanzelwand. Der Blick geht hinüber zum Fellhorn. Links das Kleinwalsertal, rechts hinten Oberstdorf. Beide im Nebel versunken. Hier oben scheint die Sonne.

Wolfgang Drews, Bad Oldesloe

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Herbstspaziergang. Das Knistern der trockenen Blätter unter meinen Füßen, der etwas modrige Geruch nach feuchter Erde, golden strahlende Blätter tanzen im schon leicht frostigen Wind – wunderbar!

Britta Naujoks, Jena