Antonia (2) und Blanca (5) sind zum ersten Mal 6 Tage alleine bei Oma und Opa – 700 Kilometer von zu Hause entfernt. Am letzten Tag erklärt Blanca im Rückblick auf die vergangenen Tage: „Die Woche bei Oma und Opa war auch ohne Mama richtig schön.“ – Kann es für Großeltern ein beglückenderes Feedback für eine intensive „Verantwortung auf Zeit“ geben ?
Pilze sammeln im Wald mit unserer siebenjährigen Tochter, eine fast vergessene Kunst. Es ist wunderbar, zu sehen, mit welcher Begeisterung ein Kind im Wald sucht und findet: Pilze, Vogeleierschalen, von Eichhörnchen abgeknabberte Tannenzapfen, Ameisenstraßen, Gewölle, Spuren von Tieren aller Art. Und danach gemeinsam kochen…
Die siebenköpfige kurdische Familie, die ein Doppelhaus mit mir teilt: Sie bringt mir Respekt und Ehrfurcht entgegen, nicht weil ich alt bin, sondern weil ich ein langes Leben gelebt habe, wie mit der 18-jährige Visdan erklärte. Firkrie, die Mutter, bringt mir von ihren Speisen, und ich lerne wieder die alte Kunst des Ausleihens, sei es eine Zwiebel oder eine Tasse Zucker. Mit Busra, der einzigen Tochter, kann ich mich über Politik unterhalten, sie hat viel Ahnung und interessiert sich für die Rolle der Frau, sowohl in Kurdistan als auch in Deutschland. Umut, der Erstgeborene, ist ein zorniger junger Mann, schön wie ein Gott. Wenn ich Kuchen rüberbringe, legt er zum Dank in einer unnachahmlichen Geste seine rechte Hand auf sein Herz und verbeugt sich leicht. Med, 14, und Ahmed, 12, führen mich in die Welt des Fußballs ein, und so bleibe ich im wahrsten Sinn des Wortes am Ball. So erleben wir Nähe und Distanz, zwei Kulturen, die sich gegenseitig bereichern. Als Symbol dafür steht unser gemeinsamer Gartenzaun: Die Kapuzinerkresse auf meiner Seite verbindet sich mit dem Wein auf der anderen – harmonisch und schön. Herr Sarrazin sollte uns einmal besuchen! Aber ich glaube, meiner Kapuzinerkresse würde das nicht gefallen.
heiß im Auto, auf den Rastplatz abbiegen und meine Freundin anrufen – ihr von Freiheit lachen und singen, ihre Musik einlegen und sie ihre Lieder mitflüstern hören. Danach klebrige warme süße Cola, aussteigen und durch den plötzlichen Regenschauer laufen vor Glück.
Es ist mein größter Schatz: Das Kriegsalbum meines Vaters, das er in den Jahren der Gefangenschaft (1943 bis 1947) mit Fotos und eigenen Zeichnungen angefertigt hat. Als ich vor Kurzem für drei Monate nach Neuseeland reiste, brachte ich das Album vorher zu Freunden, die einen Safe haben. Mein Haus hätte ja in der Zwischenzeit abbrennen können!
Ich bin in Breslau geboren, meine Mutter hat immer fotografiert und die Bilder meinem Vater in die Gefangenschaft geschickt. Diese Briefe waren ewig unterwegs, und so hat mein Vater erst im April 1944 erfahren, dass er seit November 1943 eine Tochter hatte.
Im Februar 1945 ist meine Mutter mit mir auf die Flucht gegangen und hat auf abenteuerliche Weise Nordwalde in Westfalen erreicht. Dort fand uns mein Vater wieder, und weil ich durch die vielen Fotos in der Familie wusste, wie er aussieht, konnte ich ihm bei seiner Rückkehr einfach so um den Hals fallen.
Es ist nicht so leicht, im fortgeschrittenen Alter noch neue Freundschaften einzugehen mit all den alten Lasten, die wir so mit uns tragen. Mit Mitte 50 habe ich in Marianne eine Freundin entdeckt. Dieses Heranwachsen eines neuen Vertrauensverhältnisses, das allmähliche Entdecken der Seelenverwandtschaft und diese Freude am Zusammensein ist Glück pur.
Neulich in meinem Stammcafé: Meine Freundin ordert Caro-Kaffee. Die Kellnerin macht ein verdutztes Gesicht. „Getreidekaffee“, versuchen wir sie auf die Fährte zu führen. „Sie meinen Kaffee Hag?“ Sie gibt zu, dass sie von Caro-Kaffee noch nie was gehört hat und dass es den hier nicht gibt, weil’s den in der ganzen Kette nicht gibt. Sie könne das aber als Anregung weitergeben, dann müsste der Kaffee allerdings in der ganzen Kette eingeführt werden – was es in A gibt, gibt es auch in B und umgekehrt. Wir verstehen, wir sind ja nicht bescheuert. Aber so lange wollen wir nicht warten. Ich bestelle grünen Tee mit Jasmin. Sie reicht mir die Teekarte und verweist auf einen Früchtetee. Den will ich aber nicht und entdecke direkt über dem Früchtetee die gewünschte Sorte. „Da ist er ja: Grüner Tee mit Jasmin!“ – „Das ist bei uns der normale grüne Tee…“
Jetzt will ich wissen, ob wenigstens im Konkurrenzcafé nebenan die Servierkräfte die mittlere gastronomische Reife haben. Hier weiß man auf Anhieb, was ein grüner Jasmintee ist. Aber schon die Nachbestellung „Bitte bringen Sie mir Kandiszucker dazu“ stellt die Bedienung vor ein Problem. Sichtbare Ratlosigkeit und dann: „So was haben wir nicht.“ – „Doooch, haben Sie. Bekomme ich immer zu meinem Tee.“ Ein tapferer Versuch der jungen Bedienung: „Meinen Sie Süßstoff?“ Uaaaahhh!!! Ich sehe mich wie Lolle in Berlin, Berlin als Comicfigur aus dem Korbsessel düsen und eine Runde über dem Marktplatz drehen, um dann landend einen angelutschten großen braunen Zuckerklumpen auszuspucken und mit einem großen Hammer zu zertrümmern: „Voilà, Kanditschi!“
Als Internist musste ich einem mir sehr gut bekannten, noch relativ jungen Patienten sagen, dass seine Krebserkrankung in einem Stadium sei, in dem er mit keiner Heilung mehr rechnen könne. Als er mich verzweifelt ragte, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit gäbe, konnte ich nur den Kopf schütteln. Mein Heimweg führte mich an einer Kapelle vorbei. Sanftes Abendlicht fiel durch das Fenster, auf einem Flügel spielte ein junger Pianist eine Sonate von Mozart. Voller Andacht lauschte ich den Klängen. Trotz allem, das gibt es: das Licht, die Wärme, die Musik. Trotz Tränen in den Augen ging ich getröstet nach Hause.
Als ich vor einiger Zeit mit der Stuttgarter Zahnradbahn fuhr, sah ich diese Bank und ärgerte mich darüber, dass sie so wenig einladend aussah: Die Farbe war alt und aufgeplatzt, die Sitzfläche war rau und ungemütlich. Also fuhr ich kurzerhand mit meinem Fahrrad zum Baumarkt und kaufte bunte Folie. In der Nacht darauf, möglichst still und leise, nagelte ich die Folie auf die Bank. Aber ich war wohl nicht still und leise genug, denn plötzlich kamen Leute aus der Nachbarschaft, es war 2.30 Uhr nachts. Aber sie vertrieben mich nicht, sondern sagten nur: „Hey, das sieht gut aus!“ Wenige Wochen später allerdings war die Folie wieder weg. Die Stadt hatte die Bank von Grund auf saniert…