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Naschen mit Hindernissen

In einem Chinarestaurant in Berlin­ Waidmannslust: Eltern und zwei Kindern durchforsten die Speisekarte. Als die Bedienung kommt, bestellen Vater und Kinder ihre Ge­richte, die Mutter sagt: „Ich nasche mit, bitte bringen Sie mir nur Stäb­chen.“ Darauf die Bedienung: „Stäbchen gern. Aber welche Num­mer hat ‚Ichnaschemit‘?“

Hannes Hubrich, Berlin

 

Kritzelei: Skat mit der Familie

Jeden Freitag spielen wir mit unseren Kindern (Luise, 18, und Moritz, 16) nach dem Abendessen Skat. Ja, so was gibt es noch! Der Geber muss jeweils aussetzen und nutzt die Zeit zum Kritzeln. Wir können die Bildchen, die jeder jedem „sendet“, regelrecht lesen. „Bunk“ ist übrigens Moritz, „Pchen“ Luise. Über der Spalte mit dem Löwen steht, schwer zu entziffern, „Papa“.

Bernhard Röhrich, Berlin

 

Guerilla Gardening in der Hand

Ich studiere Integriertes Design, und gerade nehme ich an einem Fotografiekurs „Guerilla Garden­ing“ teil. Meine Idee dazu war, mir eine Pflanze in die Hand zu pflan­zen und damit zwei Wochen zu leben. Das Ganze habe ich mit Gips befestigt. Die Pflanze wächst nun bis nächsten Sonntag in meiner Hand. In einem Blog berichte ich jeden Tag über die Entwicklung der Pflanze und meinem Alltag.

Marlene Behrens, Bremen

 

Fliegen fangen

Opa passt auf Leele auf. Die ist sechs. Opa fängt Fliegen mit der hohlen Hand. Zum Beweis klet­tern die Fliegen immer wieder aus der Faust heraus. Leele übt, aber ohne Erfolg. Da kommt Papa nach Hause. „Papa, der Opa kann Fliegen fangen!“ – „Kann ich auch“, sagt Papa, fängt eine fiktive Fliege, steckt sie in den Mund und schluckt hinun­ter. Strahlende Augen bei Leele, glänzende Augen bei Opa.

Günther Dittrich, Unterhaching

 

Wenn die Mäuse aus dem Haus sind….

Wenn die Mäuse aus dem Haus sind, tanzen die Katzen. Seit unse­re (nicht mehr) Kleinen ihr Nest bloß noch sporadisch bewohnen, kommen vierzehntäglich zwei be­freundete Katzenpaare zum priva­ten Tanzkurs, zum Après­-Tanz bei Rotwein und Salzgebäck. Neulich, beim Tango, flackert ein Bild im Hirn: Wir sitzen vor der Sendung mit der Maus, die Kleinen an uns gekuschelt, und sehen die Schleich­katze mit der Schelle am Hals über den Bildschirm tanzen: Schleich, schleich, schleich, schleich, bim­bam, bimbam… Erinnerungen, denen man kein Glöckchen um­zuhängen braucht.

Andreas Goletz-de Ruffray, Ammersbek bei Hamburg

 

Wiedergefunden: das Kinderjäckchen

Mit unserer sechsjährigen Tocher fuhren wir auf der Route Nationale durch Burgund in Richtung Mittelmeer. Gegen Mit­tag hielten wir irgendwo an der Straße, aßen in einem kleinen Restaurant neben einer Tankstelle und fuhren weiter, unserem Ferienort entgegen. Nach drei Wochen Urlaub ging es auf derselben Route zurück, und als unser Benzinvorrat zur Neige ging, steuerten wir durch Zufall wieder genau dieselbe Tankstelle an. Als wir an der Zapfsäule ausstiegen, kam aus dem daneben liegenden Res­taurant die Patronne, winkte mit einem Kinderjäckchen und rief: „Ich wusste es ja, Sie würden kommen, um Ihr Jäckchen abzuholen. Ich habe es für Sie aufgehoben!“ Wir waren sprachlos. Es war das Jäckchen unserer Tochter. In den heißen Wochen am Meer hatten wir es nicht gebraucht und es noch nicht einmal vermisst.

Sigrid Yassami, Neunkirchen, Saarland

 

Briefe über Deutschland (13)

Lieber Julian,

Dein Friseur irrt sich gewaltig: Von einer Ära Europa, die zu Ende geht, kann keine Rede sein. Stell Dir bloß die Europäische Union in zehn oder zwanzig Jahren vor: In welchem Europa werden insbesondere die Jugendlichen von heute dann leben? Die Finanz­krise macht es deutlich: Die Währungs­union bietet Sicherheit und Stabilität. Statt sich abzuwenden, denkt man in einigen Staaten jetzt sogar neu darüber nach, der EU beizutreten! Die Europäische Union wird weiterhin existieren und den viel gepriesenen europäischen Mehrwert für ihre Bürger umset­zen. Sie wird sich erweitern, auch wenn es noch unterschiedliche Einschätzungen in Hinblick auf den Beitritt der Türkei gibt. Die geänderte Demografie in der Europäi­schen Union erhebt die europäischen Zukunftsfragen zu generationsübergreifenden Aufgaben. Viele Aspekte des europäischen Einigungsprozesses und ihre Relevanz für Euch junge Leute kommen hinzu. Als gro­ßes Plus bewerte ich die zunehmende Mo­bilität, kritische Einwände habe ich aller­dings für den Bologna­-Prozess mit seinen Folgen für das Studium. Und natürlich muss auch die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen noch besser werden: Nur ein Drittel der Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren hat sich an der letzten Wahl beteiligt.

Doch trotz solcher Zahlen: Ich bin sicher, dass die Mehrheit der Deutschen, vor allem auch der jungen, so denkt wie ich: Es ist gut, dass es die EU gibt und dass unser Land eines ihrer Mitglieder ist.

Dein Rich

Im wöchentlichen Wechsel schreiben sich hier Friedrich Engelke, 68, Physiker aus Villingen, und sein Stiefsohn Julian Lee, 30, Umweltberater aus Montreal

 

Nehmt die koloniale Brille ab!

Schon im Vorfeld wurde die erste Fußball­WM in Afrika von den Me­dien zerredet: die Infrastruktur, die Organisation, die Sicherheit im Gastgeberland! Leider ist der Blick auf Südafrika und dessen Kontinent auch wäh­rend dieser WM immer noch frag­würdig: Die Einspieler verschie­dener Fernsehanstalten zu ihren Übertragungen knüpfen nahtlos an Disneys König der Löwen an und warten mit erdigen Farben und viel Tamtam auf. Jürgen Klinsmann spricht bei RTL vor einer Partie der ghanaischen Mannschaft von ei­nem „Heimspiel“. Doch Accra und Pretoria liegen rund 4500 Kilo­meter Luftlinie auseinander. Be­schämend, dieser kolonial verein­fachende Blick! Und dann sind da noch die Vuvuzelas. Sie seien zu laut, sie nervten, sie unterdrückten La Ola, so die einhellige Meinung von ARD und ZDF. Doch was macht der lächerliche Unterschied zwischen 123,9 Dezibel der Vuvu­zela und 123,7 einer Pressluftfanfare? Gut: Man kann keine Fange­sänge mehr hören, somit aber auch keine Rüpelchoräle und Pfeifkon­zerte bei gegnerischen Ecken und Freistößen. Außerdem könnte man da fast ein bisschen Neid vermuten – schließlich braucht man einiges an Lungenvolumen und körper­licher Fitness, um mit einer Vuvu­zela über 90 Minuten seinen Spaß zu haben, der Druck aufs Knöpf­chen genügt da nicht. Und die zweifellos schön anzuschauende La Ola stammt aus Lateinamerika. Warum sollte sie unbedingt auch in Südafrika ihre Runden drehen?

Marc Aurel Jensen, Braunschweig