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Ein nicht mehr so stilles Örtchen

Ich bin beruflich und privat viel unterwegs. Ergo benutze ich viele WCs bzw. Badezimmer in Hotels, Flughäfen, Konferenzgebäuden usw. Was mich immer mehr nervt, sind die selbstverliebten Spielchen, die sich Designer und Innenarchitekten bei Sanitäranlagen einfallen lassen.

Man ist ja bescheiden. Ich will, wie wohl die meisten Menschen, schlicht meine Notdurft verrichten und mir danach die Hände waschen können. Was ich nicht brauche – und ich bin sicher nicht die einzige – sind fast schon perfide, aber sicher designpreiswürdig ausgeklügelte Toilettenanlagen, die längeres Rekognostizieren und logisches Nachdenken erforderlich machen, um eine simple Spülung zu starten. Schlichte Ketten oder aber Tasten auf dem Spülkasten würden für uns NormalverbracherInnen aber völlig reichen (Botschaft an die Branche!)

Genauso wenig wie diese offenbar von den Wasserspielen Ludwigs XIV. in Versailles inspirierten Komplikationen auf der Toilette braucht irgendjemand nachfolgende Handwaschbecken, bei denen man erst nach längerem Nachdenken fündig wird und nach etlichen nutzlos verstrichenen Minuten erforscht hat, ob sie nun diesmal auf Handbewegung vor einem Sensor oder auf Druck auf einen noch nicht georteten Knopf oder vielleicht sogar auf simples Drehen eines Wasserhahns reagieren.

Kein Mensch braucht diese Manierismen, die einzig und allein dem Ego eines Designers dienen. Diese flächendeckenden Verschlimmbesserungen (diesen Begriff hätte man alleine für die Designverliebtheit der Sanitärbranche erfinden können) an den Stillen Örtchen Europas nerven uns alle nur mehr!

Gebt uns klassische Spülketten/einen Spülknopf oder -hebel am WC und danach einen funktionierenden und manuell zu bedienenden Wasserhahn!

Brigitte Schön, Wien

 

Wie man trotz lausiger Rente überlebt

Kürzlich schneite meine Renteninformation ins Haus. 305,75 Euro erwarten mich demnach in zwölf Jahren. Zeit genug, mich ordentlich abzuhärten, damit ich mir dereinst irgendwo im Wald ein Zelt aufschlagen kann und die komplette Summe monatlich für meinen luxuriösen Lebenswandel (Zigarillos, Milchkaffee, ab und zu Hammelrippchen mit wildem Knoblauch) zur Verfügung habe. Mein jüngster Sohn, dem ich davon erzählte, fragte mich, wie „die“ sich das denn vorstellen. Ich klärte ihn auf, dass „die“ sich gar nichts vorstellen müssten, und mir bliebe ja immer noch der Greisenstrich. „Das will ich nie wieder von dir hören!“, protestierte er und versprach, reich zu werden und für mich zu sorgen.

Nett, aber Konflikte mit der Schwiegertochter will ich nicht. Ich habe drei Kinder großgezogen, wurde nach der Wende „abgewickelt“ und umgeschult, ließ mich scheiden, war wegen „Überqualifizierung“ nicht vermittelbar, gründete eine Ich-AG und habe es, obwohl aus der Zeit meiner bewegten Biografie 34 Jahre berücksichtigt werden, nur auf 11,9610 Rentenpunkte gebracht.

Aber mir wird schon was einfallen. Ich werde meinen gebrauchten Wagen schön pflegen – vielleicht geht’s dann auch ohne Zelt. Ich gewöhne ihn an altes Frittenöl und düse durch warme Länder und futtere wilde Kräuter. So wie die Kaninchen aus der Provence eine natürliche Würzung mit in die Pfanne bringen, wird mein Körper bei seiner Verbrennung ein aromatisches Odeur verbreiten. Es wird eine Freude sein, mir die letzte Ehre zu erweisen, jeder nimmt noch mal eine Nase voll und taumelt schon vorm Umtrunk high der Klippe entgegen, von der meine Asche in den Seewind gestreut wird. Das Leben ist wunderbar und mit der richtigen Einstellung sogar witzig – über eine lausige Rente hinaus.

Romea Hallfahrt, Holzwickede

 

Musik, die nach Gewürzen klingt

Unbedingt bereichernd ist die Musik von Quadro Nuevo, die changiert zwischen Jazz und Weltmusik, Orient und Okzident, Valse Musette und Tango Nuevo. Der Combo neuester Coup nun, Songs Of Spices, berührt wirklich alle Sinne: Gewürze der letzten 2500 Jahre werden zum Klingen gebracht. Da glaubt man auf einmal Lavendel, Safran, Paradieskörner oder gar das längst verschwundene Silphion zu riechen und zu schmecken, und man hört und macht noch große Augen beim Lauschen dieser wunderschönen Musik, beim Betrachten der ebenso liebevoll gestalteten CD!

Thilo Dienst, Dortmund
Songs of Spices ist bei GLM fine Music erschienen

 

Pfingsten

© Monika Böklen

Pfingstrosen blühen
es ist zu kalt im Garten
sie zu bewundern

Monika Böklen, Soyen

 

Kritzelei: Vogelkunde

Mich interessiert die Ornithologie ganz besonders. kürzlich etwa war ich beim Tag der offenen Tür an der Vogelwarte in Radolfzell des Max-Planck-Instituts für Ornithologie. Diese Kritzelei entstand, während ich einen Vortrag mit dem Titel Faszination Vogelzug hörte.

Daniel Hägele, Bietigheim-Bissingen

 

Viele Kulturen, viel Platz

Ich komme in den Klassenraum und sehe an der Tafel eine Zeichnung, die mich abbilden soll, die deutsch-türkische Deutschlehrerin. „Aber warum habt ihr mich denn mit so einem großen Kopf gezeichnet?“, frage ich erstaunt. Darauf Alexander aus der Klasse 5: „Bei Ihnen müssen ja auch zwei Länder einpassen.“ Kann man multikulturelles Sein stimmiger beschreiben?

Sencan Tasci, Dinslaken

 

Zeitsprung: nach und vor dem Festival

Mai 2009

Festivals sind wie Fußballspiele: Endlich darf der Mensch mal wieder anarchisch sein, primitiv und peinlich. Beim Open-Ohr-Festival verwandeln Tausende Jugendliche jährlich zu Pfingsten den Mainzer Grüngürtel in ein neues Woodstock: Es geht um Liebe und Frieden. Der Krieg wird hingegen jedes Jahr dem Boden erklärt, und bald ist im Zeltlager weniger Gras als Müll zu sehen. Dementsprechend wird der Beitrag, den die Camper bezahlen, großteils in die Renaturierung des Zeltplatzes investiert.

Mai 2010

Und tatsächlich: Ein knappes Jahr später erzählen nur noch einige verkohlte Stellen und höchstens ein paar einsame Kronkorken von der Party des letzten Jahres.

Sören Götz, Mainz

 

Foul

Ballack ballert nicht
Trainer-Tränen-Trauma quält
Fans und DFB

Rolf Müller, Bergen

 

Lieber Andris Nelsons,

© Marco Borggreve

Anfang Mai bist Du an der Wiener Staatsoper als Dirigent in Zefirellis Carmen-Inszenierung eingesprungen, und ich konnte Deinen Auftritt im Bayerischen Fernsehen verfolgen. Du hast Anna Netrebko (Micaela) und Nadia Krasteva (Carmen) die Show gestohlen. Umwerfend, Dein Elan. Weiter so!
Manuel Stangorra, Bensheim

 

Briefe über Deutschland (8)

Lieber Rich,

das Missbrauchsproblem kennen wir hier auch nur zu gut. Unsere amerikanischen Nachbarn sind es vor ein paar Jahren, wie üblich, mit großen juristischen Prozessen angegangen. In Kanada kommt eine weitere Dimension hinzu: Zwischen 1870 und 1996 wurden 150 000 Ureinwohnerkinder in sogenannte „residential schools“ weit weg von Heimat und Familien geschickt, um bekehrt und assimiliert zu werden. Was für die Spätkolonialherren Kiplings „Bürde des weißen Mannes“ war, hat Generationen von Ureinwohnern zerstört. Denn zu kultureller und familiärer Entwurzelung kamen allzu oft gewalttätiger, emotioneller und sexueller Missbrauch hinzu. Eine von der Regierung initiierte und von den Kirchen ausgeführte Katastrophe, unter deren Folgen auch heute noch viele Menschen leiden.

Ich selbst bin mit 16 von zu Hause ausgezogen, aber nicht wegen der Distanz zu Euch, sondern um neue Abenteuer zu finden und meine Horizonte zu erweitern. Unvorstellbar, wenn das durch eine Autorität forciert oder ich gar dabei missbraucht worden wäre. Ihr hättet Euch nie verziehen, und ich mir auch nicht. Für die mehr als 100 Jahre Missbrauch in Kanada hat sich Papst Benedikt vor Kurzem – wenn auch wieder halbherzig – entschuldigt. Die katholische Kirche hat mit solchen Entschuldigungen unter ihrem deutschen Papst Schwierigkeiten. Wie viele Deutsche sich wohl noch gern an den „Wir sind Papst“-Jubel erinnern?

Das fragt sich
Dein Julian

Im wöchentlichen Wechsel schreiben sich hier Julian Lee, 30, Umweltberater aus Montreal, und sein Stiefvater Friedrich Engelke, 68, Physiker aus Villingen.