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Zeitsprung: Nasen!

Das linke Foto zeigt meinen Mann im Frühling 1988 vor dem Straßburger Münster. Frisch verliebt, verbrachten wir damals einen gemeinsamen Tag in der elsässischen Bilderbuchstadt. Ich wollte als Germanistikstudentin Goethes enthusiastischen Text Von deutscher Baukunst. Über das Straßburger Münster besser verstehen. Es war neblig und kalt, mein Mann trug als künftiger Förster seinen feschen Lodenmantel. Die unverkennbare Ähnlichkeit seiner Nase mit der des Fabelwesens fiel uns gleich ins Auge, und wir hielten sie vergnügt fotografisch fest. Das rechte Foto zeigt meinen Mann erneut vor dem Straßburger Münster, 26 Jahre später, im April 2014. Dieses Mal waren wir in Begleitung unserer ältesten Tochter angereist, die mit 19 Jahren kurz vor dem Abitur stand. Goethes Lyrik vom Sturm und Drang zur Klassik war eines ihrer Themen der schriftlichen Prüfung in Deutsch. Wir beschäftigten uns aber lieber damit, die Nase meines Mannes erneut ins rechte Licht zu rücken.

Ulrike Steenbuck, Breklum, Nordfriesland

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Tochter überredet mich zu nächtlicher Stunde zum Spaziergang. Es regnet, graupelt, hagelschauert. Sie steckt – wie früher – ihre Hand in meine Manteltasche. Der Wind wirbelt Äste durch die Luft. »Ich bin glücklich«, sagt sie. »Wie kommt’s?«, frage ich. »Ich bin ziemlich oft glücklich«, antwortet sie. Wow – wie sehr habe ich mir das für mein Kind gewünscht; damals, vor 20 Jahren, als ihr Leben begann.

Ursula Peters, Paderborn

 

Schlummertrunk: Mein Wort-Schatz

Wir befanden uns auf der Rückfahrt aus dem Urlaub, auf der Fähre Helsinki–Travemünde. Nach dem Abendessen auf dem Schiff ging ich an die Bar und bestellte mir noch einen Schlummertrunk. Die deutsch sprechende Bedienung sah mich entgeistert an: »Heißt das so?« Ich wurde leicht unsicher: »schlummern«? Eben noch hatte ich mir nichts bei dem Wort gedacht, nun ließ es komische Fantasiebilder im Kopf entstehen: Schlangen gründelten am Tümpelgrund und »schlummerten« sich durch den Matsch, böse Menschen »schlummerten« mir mein Geld weg… »Ja, das sagt man so!«, hörte ich einen korpulenten Mann am Tresen sagen, wie sie wohl an allen Tresen der Welt sitzen und auch immer zu allem etwas zu sagen haben. Ich trank beruhigt mein Bierchen aus und schlummerte danach auch gleich in der Kabine ein!

Gerd Buckan, Köln

 

Die Kritzelei der Woche

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Liebe ZEIT-Redaktion, die Parodie Der Grünkohlverderber von Rüdiger Will aus Hannover, in der ZEIT Nr. 48/14 veröffentlicht, hat mich dermaßen angesprochen, dass ich mir eine kleine Illustration dazu nicht verkneifen konnte. Diese gelangt hoffentlich auf diesem Wege auch zum Gedichtneuverfasser. Herzliche Grüße

Bettina Bücker-Gruber, Hamburg

 

Was mein Leben reicher macht

Der Besuch einer Autowerkstatt, und sei es auch nur zum Reifenwechsel, zählt nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Doch diesmal wird mein Auto von einer jungen Kfz-Mechanikerin vorgefahren. Lächelnd teilt sie mir mit, dass alles in Ordnung sei. Und als ich ihr ein Trinkgeld in die Hand drücke, dreht sie sich um, macht einen kleinen Hopser und jubiliert: »Ich liebe meinen Beruf«, und so hat sie auch mir ein bisschen von meiner Abneigung gegen die »Männerdomäne« Autowerkstatt genommen.

Elisabeth Weber-Strobel, Heidenheim

 

Was mein Leben reicher macht

Ein kalter Montagabend, der Tango-Argentino-Kurs beginnt. Zwölf vom Leben gebeutelte Paare wissen: In den nächsten beiden Stunden verschwindet der Alltag. Getragen von der Tangomusik, werden wir alles um uns herum vergessen.

Eva Tenzer, Oldenburg, Niedersachsen

 

Arznei: Mein Wort-Schatz

Wir hörten ein Kinderlied im Auto, in dem das Wort Arznei vorkam. Wie schade, dass kaum jemand mehr dieses Wort benutzt. Noch geheimnisvoller und heilender klingt die alte Form Arzenei. Da kann »Medikament« nicht mit- halten, denn Arzenei klingt fast wie Zaubertrank.

Julia Potthoff, Aschheim, Bayern

 

Was mein Leben reicher macht

Ein Brot mit der Brombeermarmelade meines Mannes. Jedes Jahr im Spätsommer wappnet er sich mit seiner alten Skijacke gegen Dornen und Brennnesseln, um auf die Brombeerjagd zu gehen – und letztes Jahr war die Beute besonders süß!

Ingrid Becker-Ross, Krefeld

 

Willkommenskultur

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Als Kinder liebten wir die Krippe, aber Anfassen war streng verboten. Inzwischen hat sich das zum Glück geändert. So stellte unsere Enkelin Finja (vier Jahre) denn auch den armen Menschen, die da an Weihnachten eine Herberge suchten, ganz selbstverständlich die Sanitäranlagen ihres neuen Puppenhauses zur Verfügung. Und wenn auch Josef unter der Dusche offenbar darum beten muss, dass Finja die Wassertemperatur richtig einstellt, so wird Maria in der Badewanne doch von einem Engel beschützt. Oder sollte es sich dabei um ein Rettungsboot handeln?

Hilke und Franz Pölking, Wuppertal