Als Tamer Özgönenc (Synthies), Edi Winarni (Gesang) und Felix Römer (Drums) tagsüber noch für das Abitur paukten, traten sie nachts schon in namhaften Londoner Clubs auf. Das ist inzwischen sieben Jahre her. Seitdem waren die drei Musiker mit ihrer Band MIT bereits in China, Japan und Indien. Für ihr zweites Album „Nanonotes“ haben sie mit dem Kraftwerk-Texter Emil Schult zusammengearbeitet. Ihre Songs folgen strengen künstlerischen Konzepten. Über das Besondere an der Mischung von deutschen Texten und neuer elektronischer Musik hat sich „Heiter bis Glücklich“ mit Tamer Özgönenc unterhalten, bevor MIT am 8. April mit „Nanonotes“ in Deutschland und der Schweiz auf Tournee gehen.
ZEITmagazin: Zuerst stolpert man über den Bandnamen: MIT. Wofür stehen die Buchstaben?
Tamer Özgönenc: Der Bandname war immer ein schwieriges Thema für uns, das wir gerne ignorieren wollten. Unsere einzige Prämisse war, dass der Name keine thematische Verknüpfung zu irgendwas herstellt, damit wir uns nicht festlegen müssen.
ZEITmagazin: In einem Ihrer Songs „Pudong“ heißt es „High Tech verpflichtet“. Wozu denn eigentlich?
Özgönenc: Wir waren vor anderthalb Jahren auf einer Tour in China. In Shanghai ist der Stadtteil Pudong das wirtschaftliche Zentrum der Stadt. Wir haben von den Hochhausplattformen hinunter geschaut und waren total fasziniert, dass wir in vier Tagen schon eine Entwicklung der Stadt sehen konnten. Das ging so wahnsinnig schnell. Der Stadtteil ist ungefähr so alt ist wie wir, 23 Jahre, also noch sehr frisch und sehr unfertig. Diese Faszination für utopische Hochhäuser und die Affinität zur Technik hat natürlich etwas mit uns zu tun.
ZEITmagazin: Es heißt aber auch, dass Sie sich beim Songschreiben von Landschaften inspirieren lassen. Steht das nicht im Widerspruch zu den Wolkenkratzern?
Özgönenc: Nein gar nicht. Es wäre ja langweilig, wenn wir uns nur mit Wäldern oder nur mit Hochhäusern beschäftigen würden. Genau das Dazwischen macht den Spannungsbogen für uns aus.
ZEITmagazin: Und wie sieht die Landschaft für den idealen Song aus?
Özgönenc: Wir interessieren uns vor allem für graphische Landschaften. Übertragen auf die Musik könnte man das mit klaren Strukturen und Überlagerungen beschreiben. Unser Klangkonzept ist eher wie ein Gefühl. Edi und ich verstehen uns da fast nonverbal, weil wir uns schon so lange kennen und eine ähnliche musikalische Entwicklung durchgemacht haben. Was uns besonders beschäftigt, ist die Spannung zwischen einer Struktur, die die meisten Menschen als kahl und abgeklärt empfinden und der Kombination mit bildhaften Texten. Emotionalität in die Elektronische Musik zu bringen, ist für uns kein Widerspruch.
ZEITmagazin: Das zweite Album heißt, wie die Single, „Nanonotes“. Was ist denn das schon wieder?
Özgönenc: Emil Schult, mit dem wir das Album zusammen entwickelt haben, interessiert sich schon seit Jahren für die Möglichkeiten der Notation von zeitgenössischer elektronischer Musik. Wir haben uns dann gefragt, wie die kleinstmögliche Note aussehen könnte und in dem Zusammenhang ist auch das Wort Nanonote entstanden. Das hat uns weiter beschäftigt, so dass am Ende für uns alle klar war, dass das Album „Nanonotes“ heißen wird.
ZEITmagazin: Das klingt schon so, als wäre MIT eine Gruppe Nerds?
Özgönenc: Nein, eigentlich gar nicht. Wir sind sehr ambitioniert und leidenschaftlich, aber wir beschäftigen uns auch mit ganz vielen anderen Dingen. Zumindest sind wir keine Techniknerds. Oft kommen Leute nach Konzerten auf uns zu und wollen ganz genau wissen, wie wir Sachen technisch umsetzen. Die Frage würde ich mir gar nicht stellen, wenn mir etwas besonders gut gefällt. Wir interessieren uns weniger für die Technik, als dafür, was dabei herauskommt.
ZEITmagazin: Die Texte sind auf deutsch, das Publikum lebt aber auch in Indien, Japan und China. Welche Rolle spielt die Sprache für die Songs?
Özgönenc: Wir hatten immer schon deutsche Texte. Als wir angefangen haben, Konzerte zu geben, vor fünf bis sechs Jahren, war der Markt noch ganz anders. In Deutschland hat sich damals niemand für unsere Musik interessiert und diese Parties, auf denen um Mitternacht ein Musikact spielt, gab es nur im Ausland. Wir haben uns zwar gewundert, dass die Leute dort unsere Texte so annehmen, dadurch haben wir aber auch eine gewisse Sensibilität entwickelt. Wenn wir in China oder Indien spielen, dann versteht das Publikum die Sprache als eine weitere Klangebene der Musik. Wir legen dieselben Effekte auf die Stimme wie auf die Instrumente, damit beides leichter ineinander greifen kann.
ZEITmagazin: Wenn man versucht MIT einzuordnen, dann stößt man auf das Etikett Synthie Punk…
Özgönenc: Das Wort mag ich nicht mal wiederholen. Als wir angefangen haben, mit 15, 16, haben wir uns total für Post Punk und Wave Musik interessiert. Damals spielten auch noch die Posen und parolenartigen Texte eine Rolle. Aber im Zuge der Entwicklung ist uns wichtig geworden, dass wir moderne elektronische Musik machen. Elektronische Musik ist ja eine noch sehr junge Kunst.
ZEITmagazin: Betrachten Sie sich heute noch als Punker oder eher als Klangkünstler?
Özgönenc: Das eine schließt das andere ja nicht aus.
Die Fragen stellten Peggy Kiesow und Undine Zimmer