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Jim Avignon

 

me and the establishment, (c) Jim Avignon

Bilder aus den Jahren 1994 bis 1996 © Christine Neder

"2 ways to hell" (1999), © Christine Neder

Reaktion auf die Schnelllebigkeit. Massenproduktion. Inspirationsquelle Alltagsleben. Der deutsche Künstler Jim Avignon lebt die Pop-Art wie kein anderer und das schon seit über zehn Jahren. Für sein Ausstellungsprojekt „me & the establishment“ kommt er in seine alte Heimat Berlin zurück, wo in den frühen 90ern seine Karriere begann. Bis zum 29. Mai sind seine Arbeiten im Haus am Lützowplatz zu sehen.

ZEITmagazin: Zu fast jedem Bild gibt es eine Entstehungsgeschichte und die meisten Figuren existieren auch im realen Leben. Wen sehen wir auf ihrem Ausstellungsplakat?
Jim Avignon: Die verschiedenen Typen stehen für bestimmte Charaktere. Sie dienen eher der Unterhaltung. Die Schlaftablette im Anzug erklärt sich schon fast von selbst. Diese Figur steht für eine schnarchige Lebensunlust. Das kleine Teufelchen ist ein lustiger, etwas kalkulierender Typ, der auf seinen Vorteil bedacht ist. Ursprünglich war die pinke Figur ein Mikrofonmann, der seine Meinung in die Welt hinaus posaunt. Der Hase steht für eine etwas naivere Seite. Einige von diesen Figuren gibt es schon ganz lange, beispielsweise den Mikrophonmann. Der ist entstanden, als ich ein Logo für eine Charitysache entwerfen sollte und in der Bilderfamilie geblieben. Einmal entwickelt, taucht er immer wieder auf.

ZEITmagazin: Sie haben in den 90er Jahren als Künstler angefangen, wobei ihre Arbeiten sehr geprägt sind von der Schnelllebigkeit, dem Lebensgefühl der Generation Techno. Wie haben sich dieses Lebensgefühl und damit einhergehend ihre Arbeiten in den letzten Jahren verändert?
Avignon: Im mathematischen Sinne hat sich mein Leben und das der Clubkultur gekreuzt, ist dann aber doch wieder in andere Richtungen gegangen. Die Schnelllebigkeit ist also nicht nur auf den Clubkontext reduziert. Ich würde auch gerne das Schnelllebige durch das schnelle Arbeitende ersetzten. Ich reagiere gerne mit meiner Kunst auf Sachen, die gerade erst passiert sind oder bin in der Lage, relativ schnell auf Sachen zu reagieren. Das wird oft verwechselt mit „Dem ist egal was er macht. Der malt ein paar Striche und dann wirft er es wieder weg.“ Das ist definitiv nicht der Fall. Ich habe versucht mit dem was ich mache, mein Umwelt zu portraitieren und kommentieren und meine Bilder als Kommunikationsmedium zu nutzen.

ZEITmagazin: Das tägliche Leben hat die interessantesten Geschichten zu bieten. Sie finden ihre Bildinhalte in den Menschen, die Sie auf der Straße sehen und anschließend in ihren Bildern wieder auftauchen lassen. Warum erinnern ihre gemalten Figuren so oft an Tiere? Man trifft ständig auf Gesichter mit Katzenmündern, Hasenohren oder Vogelschnäbel.
Avignon: Das ist in der Kunstgeschichte nicht selten, dass es Fusionen aus Tieren und Menschen gibt. 1994 hatte ich eine Ausstellung in einem Club, die sich ein bisschen über das „easy going“ der Clubwelt lustig gemacht hat. Da habe ich das erste Mal mit diesem Element gearbeitet und die Niedlichkeit, die in den Tierbildern drin steckt, in einen anderen Kontext übergeführt. Die niedlichen Tierchen machen und sagen plötzlich böse Dinge. Das ist natürlich auch als Spiegel der Realität zu verstehen. Gerade in der Clubszene hast du ein ähnliches Ausblenden von bestimmten Wirklichkeitsebenen wie in der Niedlichkeitswelt. Es sollte auch auf das Aufkommen der Hello Kitty-Welle in den 90ern reagieren.

ZEITmagazin: Wie würden Sie sich selber als Figur in einem ihrer Werke darstellen?
Avignon: Ich komme nicht wirklich im Sinne eines Selbstportraits vor, aber da viele Bilder auf Selbsterlebtes zurückzuführen sind und auch viele Bilder meine Meinung und Stimmung widerspiegeln, bin ich trotzdem irgendwie mit drin. Es gab einmal eine Platte von mir „A Friendly Dog In A Unfriendly World“. Das war ein musikalisches Selbstportrait. Ich habe mich als freundlichen Hund charakterisiert, der versucht der Welt gegenüber freundlich zu bleiben aber feststellt, dass die Welt überhaupt nicht freundlich ist.

ZEITmagazin: Ist es für einen Künstler nicht abwertend, wenn man seine Kunst als „Cheap Art“ bezeichnet?
Avignon: Im Gegenteil. Ich habe das im offensiven Sinne genutzt. Ich sehe mich als ewige Ein-Mann-Avantgarde gegen den Kunstmarkt. Ich habe einen eigenen Verkaufsmechanismus entwickelt, indem ich viel produziere, billig verkaufe und dadurch eine andere Zielgruppe anspreche. Beispielsweise einen Studenten, der sich persönlich angesprochen fühlt, wenn er mein Bild sieht. Dieser Zielgruppe möchte ich die Möglichkeit geben, ein Bild für 100 Euro zu kaufen. Meine Kunst ist in erster Linie Ausdruck und Kommunikation. Erst viel später sehe ich darin einen Anlagewert. Da der Fokus heutzutage so stark auf dem Kunstmarkt liegt, liest man über jeden Künstler zuerst, wie schnell er eine Messe ausverkauft hat.

ZEITmagazin: Sie sind ein Mensch, der gerne teilt. Sie haben nichts gegen die Vervielfältigung ihrer CD’s und verkaufen ihre Bilder zu Preisen, zu denen sie sich fast jeder leisten kann. Teilen Sie sich auch ihren Wohnraum?
Avignon: Das ist eine interessante Frage. Tatsächlich habe ich in meiner Wohnung in Brooklyn fast immer Leute zu Gast. Ich würde mich als sehr sozialen Typen bezeichnen. Allerdings bin ich durchaus sensibel, wenn es anfängt ausgenutzt zu werden.

ZEITmagazin: Ihr Ausstellungsprojekt im Haus am Lützowplatz ist ein Projekt von Freunden, mit Freunden und für Freunde. Freunde scheinen Ihnen sehr wichtig zu sein. Haben Sie auch schon welche verloren durch ihren Erfolg?
Avignon: Auch eine interessante Frage. Ich habe weniger durch meinen Erfolg als durch den Umstand, dass ich mit dem Erfolg nicht umgehen konnte, Freunde verloren. Ich war in den 90er Jahren eine Zeit lang sehr populär, so dass fast jeden Tag ein Fernsehteam mein Studio besucht hat. Es hatten sehr viele Agenturen sehr viele hoch bezahlte Jobs für mich und ich auf einmal hundertmal so viel Geld wie alle meine Freunde. Ich habe das als Ungleichgewicht empfunden und wusste gar nicht, wie ich damit umgehen soll.

ZEITmagazin: Sie sind am Vorbereiten, Planen und Aufhängen ihrer Ausstellung, wie ich sehe. Darf ich schon ein paar Bilder machen?
Avignon: Ja, aber Sie sind sich im Klaren, dass es danach vielleicht wieder ganz anders aussieht zur Ausstellungseröffnung.

Die Fragen stellte Christine Neder

1 Kommentar


  1. […] für das Publikum zu braten. Auch trat die “1 Mann Heimelektronikband” Neoangin des deutschen Pop-Art-Künstlers und Musikers Jim Avignon in der rund 150 Zuschauer fassenden Location auf und viele andere namhafte Elektro- und […]

 

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