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Frauen et cetera

 

(c) Kathrin Bruch

Luisa Maria Melgarejo Weinandt, 29 Jahre alt und Studentin aus Berlin, verwendete das ZEITmagazin zum Einstieg in ihre wissenschaftliche Arbeit. Sie studiert Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Köln und beschäftigte sich in ihrer Magisterarbeit mit dem Postfeminismus der Erfolgsserie „Sex and the City“.

ZEITmagazin: Sie haben ihre Magisterarbeit „ Frauen et cetera“ mit einer interessanten Frage gestartet: Was kennzeichnet die Frau im 21. Jahrhundert und was den Mann?

Luisa Maria Melgarejo Weinandt: Das ist sehr individuell, was für einen den Mann oder die Frau ausmacht. Ich würde mir idealerweise wünschen, dass man damit anfängt, die Geschlechterkategorien zu überwinden und einfach daran denkt, dass die Einteilung in das biologische Geschlecht nicht alles ist. Die Gesellschaft würde einen Sprung machen, wenn sie aufhören würde, in den binären Kategorien zu denken. Es gibt so viele Lebensformen, die nicht mehr dem gängigen Schema „Mann – Frau – Kinder“ entsprechen. Es kommt auf die Person, das Individuum an und nicht auf Mann oder Frau.

ZEITmagazin: Was unterscheidet den Postfeminismus vom Feminismus?
Weinandt: Feminismus und Postfeminismus sind beides Wörter, die in der westlichen Welt vorherrschen. Sie sind Denkkonzepte, von denen vor allem der Feminismus in Deutschland vornehmlich als Bewegung verstanden wird. Postfeminismus ist ein Wort, das nicht klar definiert werden kann, da es ein sehr komplexes Thema ist. Es wird darauf angespielt, dass der Feminismus schon überwunden ist und wir in einer Gesellschaft leben, in der die Frauen nicht mehr in erster Linie damit beschäftigt sind, um primäre Rechte zu kämpfen, wie Menschenrechte, Wahlrecht oder Arbeitsrecht. Demnach würden wir in einem Zeitalter leben, in dem Gleichberechtigung bestehen würde. Der Feminismus ist in diesem Zusammenhang der Weg dahin. Im Volksmund versteht man unter Feminismus BHs-verbrennende Lesben, eine Frauenbewegung, die auf die Straße geht, was aber ein sehr eindimensionales Bild des Begriffes ist. Man befindet sich in einem sehr heterogenen Raum, wenn man sich mit dem Thema Feminismus und Postfeminismus beschäftigt.

ZEITmagazin: Welche Aspekte interessieren Sie am Thema „Postfeminismus“?
Weinandt: Die Vielseitigkeit und was der Begriff alles umfasst. Er ist irgendwie nicht greifbar. Eine Herausforderung ohne Lösung. Innerhalb des Postfeminismus interessiert mich am meisten der philosophische Ansatz, der Poststrukturalismus und wie sich das Individuum konzipiert. Genauso die Frage, wie sich unsere Welt durch die Sprache aufbaut.

ZEITmagazin: Warum ist ihre Wahl auf die Serie „Sex and the City“ gefallen?
Weinandt: Sie war eine einschlägige Neuheit in den 90er Jahren und hat die gesamte Serienlandschaft revolutioniert. Ich habe nie diesen Medienhype um die Serie vergessen und auch die Frage, wie die Frau dargestellt wird. Sind das alles nur Frauen, die geheiratet werden wollen, oder ist es tatsächlich so, dass Grenzen – was das Zusammenleben zwischen Mann und Frau betrifft –überwunden werden? Wie wird Sexualität dargestellt in der Serie? Ich habe nie eine klare Antwort darauf gefunden. Ist die Frau wirklich ein Opfer? Es gibt so viele Aspekte, die man an der Serie hinterfragen könnte. Außerdem bin ich ein großer Fan von „Sex and the City“.

ZEITmagazin: In welchem Zusammenhang ist das ZEITmagazin ein Teil ihrer wissenschaftlichen Arbeit?
Weinandt: Das Schwerste an einer Arbeit ist immer der Anfang. Damit hatte ich große Probleme. Bei meiner ersten Einleitung bin ich viel zu kompliziert eingestiegen. Dann dachte ich, dass ich es einfach erkläre und etwas Aktuelles schreiben muss. Meine Mutter hat mir damals eine Ausgabe des ZEITmagazins geschickt und der Aufmacher hat wie die Faust aufs Auge gepasst. „Sie ist ein Model und er sieht gut aus. Wann ist ein Mann ein Mann? Die Mode verteilt die Rollen neu“, ein Beitrag über Geschlechterrollen, in dem ein neuer Trend beleuchtet wird. Der Trend, in dem Menschen, die sich zwischen den Geschlechtern bewegen, als die neuen Stars gefeiert werden. Daraus konnte ich dann meine Struktur entwickeln.

ZEITmagazin: In ihrer Arbeit werden ein paar Erfolgsaspekte der Serie genannt, beispielsweise die sexuelle Freizügigkeit, der Lifestyle, die Identifikationspersonen, Homosexualität…Was müsste sich in unserer heutigen Generation an der Serie ändern, damit sie weiterhin erfolgreich wäre?
Weinandt: Ich habe bei den Kinofilmen gemerkt, dass sich die Themen immer wieder wiederholt haben. Ich glaube es wäre viel besser gewesen, tatsächlich mit genderübergreifenden Themen anzufangen. Beispielsweise die homosexuelle Szene in den Vordergrund zu rücken. Der zweite Kinofilm hätte mit der Hochzeit von Stanford und Anthony, dem schwulen Paar in der Serie, den ganzen Film ausgefüllt. Ich habe nicht verstanden, warum sie dann plötzlich noch in ein vom Islam geprägtes Land gefahren sind. Die Serie hat mit Abu Dhabi zwar den Glamour, was sie auch auszeichnet, aber inhaltlich haben sie sich damit nicht weiter entwickelt. Es könnte zum Beispiel thematisiert werden, was eine schwule Beziehung ausmacht? Was ist, wenn man Kinder adoptieren möchte? Wie sieht eine homosexuelle Ehe aus? Ist sie anders als eine heterosexuelle Partnerschaft? Mit solchen Ansatzpunkten würde man auch die Zielgruppe erweitern.

ZEITmagazin: Gibt es eine Vorzeigefrau für den Postfeminismus?
Weinandt: Da der Begriff kaum definierbar ist, sagt niemand: Ich bin Postfeministin. Ein weiterer Aspekt, der es auch schwierig macht, ist die Sicht des Mannes. Was ist mit dem Mann? Was ist mit dem modernen Mann? Man hört überall „modern women“ und „they can have it all“. Das ist aber nur eine Seite der Medaille. Das macht diesen Begriff auch so schwierig, so dass es kaum möglich ist, jemanden als Postfeministin zu bezeichnen. Madonna wird es zwar zugeschrieben, aber das geht von den Medien aus. Im Prinzip bezeichnen sie sich selber nie so.

ZEITmagazin: Stimmt die „Sex and the City“-Message: You can have it all?
Weinandt: Ich glaube es ist ein Mythos, genauso wie der Schönheitsmythos. Wir müssen uns entscheiden, auch Männer. Ich habe von einem Mann, der Chirurg ist, gehört, dass er Elternurlaub nehmen wollte. Er hatte sich aber nicht getraut zu fragen, weil sein Chef so konservativ ist, dass er das nicht verstanden hätte. Das sind auch Themen, die völlig verdrängt werden, aber sehr wichtig sind. Ich studiere in Köln, wo Alice Schwarzer ihren Frauenturm hat. Wenn Kollegen von meinem Historischen Institut da hin müssen, fühlen sie sich extrem diskriminiert. Wir streben zwar immer danach alles zu haben, aber es ist ein unerreichbarer Mythos, der uns schnell zu Opfern macht.

Die Fragen stellte Christine Neder