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Mach´s falsch und du machst es richtig: die Kunst der paradoxen Lebensführung

 

(c) Josef Fischnaller

Das Längste, was Christian Ankowitsch je geschrieben hat, ist seine 500-seitige Doktorarbeit über den Maler Piet Mondrian. Es hat sich gelohnt, wegen des „Dr.“. Viel öfter gelesen wurden allerdings seine Ratgeber-Bücher. Da wären zum Beispiel: Dr. Ankowitschs kleines Universalhandbuch oder Dr. Ankowitschs kleiner Seelenklempner. Jetzt gibt es ein neues Buch des Österreichers, es heißt Mach’s falsch, und Du machst es richtig.
 Die Kunst der paradoxen Lebensführung. Was das für eine Kunst sein soll, erklärt Christian Ankowitsch hier.

ZEITmagazin: Herr Ankowitsch, warum stehen Sie manchmal auf einem Berliner U-Bahnhof rum, anstatt schnell nach Hause zu gehen?
Christian Ankowitsch: Weil man dort ganz wunderbar beobachten kann, wie paradox unser Alltag funktioniert. Am U-Bahnhof, an dem ich immer aussteige, hing kürzlich ein Schild am Fahrkartenautomaten: „Bitte nicht berühren. Frisch gestrichen!“ Jeder zweite – jeder dritte, ich will nicht übertreiben – hat aber genau das gemacht. Ich hab mir das lang angeschaut. Und gedacht: Das ganz Verbotswesen ist ein einzige Paradoxie. Denn wenn man den Leuten etwas verbietet, bringt man sie immer auch auf die Idee, das zu tun, was man ihnen verbieten will.

ZEITmagazin: Der weiße Elefant?
Ankowitsch: Ganz genau. Sie müssen scheitern, wenn ich Sie bitte: „Denken Sie jetzt nicht an einen weißen Elefanten!“

ZEITmagazin: Das Interessante an Ihrem Buch ist aber, dass Sie das Paradoxe auch als Chance begreifen.
Ankowitsch: Ein schönes Beispiel stammt von dem Psychologen Fritz B. Simon. Der schildert die Kunst des Seiltanzens und stellt fest, dass es aus lauter widersprüchlichen Handlungen besteht. In der ersten Sekunde hängt sich der Seiltänzer nach links. Wenn er dann abzustürzen droht, muss er sich sofort nach rechts hängen. Und so weiter, hin und her. Auf einen Nenner gebracht ergibt das eine paradoxe Anweisung: Willst du über ein Seil gehen, dann musst du dich nach links und rechts hängen.

ZEITmagazin: Was bedeutet dieses abstrakte Beispiel?
Ankowitsch: Dass wir solche Paradoxien aushalten müssen, weil sie eine Eigenart unseres Lebens beschreiben. Die Anweisung „hänge dich nach links und nach rechts“ macht uns nur dann verrückt, wenn wir versuchen, sie zur selben Zeit zu befolgen. Aber wenn wir die Widersprüche aufeinander folgen lassen, wird eine sinnvolle Strategie daraus. Und die brauchen wir, weil wir in ambivalenten Verhältnissen leben. Ein wesentlicher Schritt zum Erwachsenwerden besteht darin, diese Ambivalenzen zuzulassen. Aber viele Leute wollen das nicht. Sie machen sich dadurch unglücklich, dass sie alles gleichzeitig wollen.

ZEITmagazin: Ihr Buch ist auch ein Ratgeber. Sie erklären nämlich, wie man Paradoxien gezielt einsetzen kann.
Ankowitsch: Zum Beispiel um einzuschlafen, wenn man Probleme damit hat. Bemühen Sie sich einfach, wach zu bleiben. Sie werden schneller schlafen, als Sie sich das vorstellen können. Das ist ein alter Trick, in der Psychologie spricht man von der Paradoxen Intervention.

ZEITmagazin: Man sollte also genau das machen, was seinem eigentlichen Ziel zuwider läuft?
Ankowisch: Manchmal schon. Denn jemandem die eigenen Symptome zu verschreiben heißt gleichzeitig, ihnen das Schicksalhafte zu nehmen. Chronische Schmerzen zum Beispiel sind wie ein Monster, das kommt und geht, wann es will. Wenn Sie einen Patienten mit chronischen Schmerzen aber auffordern, das Monster selbst herbeizuzitieren, also die Schmerzen bewusst zu steigern, dann macht dieser Mensch die Erfahrung, dass das Monster ihm gehorcht. Im Umkehrschluss heißt das: Er kann diese Schmerzen willentlich auch kleiner machen. Genauso, wie die Schlaflosigkeit.

ZEITmagazin: Sie beschreiben die alltäglichen Widersprüche anhand vieler Anekdoten. Welche davon erzählen sie am liebsten?
Ankowitsch: Meine Lieblingsgeschichte habe ich zum Glück selber erlebt. Sie spielt auf der Party eines lieben Kollegen, wo sehr gute Musik lief. Etwa 50 Leute haben heftig getanzt. Irgendwann, warum auch immer, fingen sie an, wie wild zu hüpfen. Das Problem war, dass das in einem großen Zimmer in einer Altbauwohnung passierte. Der Hausherr bekam Angst, dass wir nach unten durchbrechen. Also hat er die Musik leise gedreht und geschrieen: „Wir brechen gleich durch. Leute, hört bitte auf zu springen!“ Sie dürfen nicht ein einziges mal raten, was passierte: Alle sind gleichzeitig losgesprungen. Wie auf Befehl. Und genau genommen war es auch ein Befehl, nur ein paradoxer.

ZEITmagazin: Man könnte den Titel Ihres Buches also auch umdrehen: „Mach’s richtig, und Du machst es falsch“?
Ankowitsch: Um einen griffigen Buchtitel zu finden, ja. Als Lebensmaxime, nein! Es sind die konkreten Zusammenhänge, in denen sich eine Option als falsch oder richtig darstellt. Das kann sich ganz schnell ändern. Der von Ihnen vorgeschlagene Titel stimmt für all jene Situationen, in denen wir zum x-ten Mal versuchen, eine verfahrene Situation auf die „richtige“ Art und Weise zu lösen. In dem Moment erweist sich das Richtige tatsächlich als falsch – sonst hätte es ja bereits geklappt. Wer kennt das nicht: Ein Freund jammert uns vor, mit der falschen Frau zusammen zu sein. Was machen wir? Wir trösten ihn, versuchen ihm klar zu machen, dass das alles doch nicht so schlimm sei. Das ist zwar richtig, aber falsch! Besser, wir pflichten unserem Freund bei, machen also das Falsche: „Du hast total recht! Eine schreckliche Frau! Unerträglich!“ Eine Minute später wird der Freund anfangen, seine Freundin zu verteidigen. Und formuliert damit aus eigenem Antrieb etwas Positives über sie.

ZEITmagazin: Ist Ihr Buch eine Art inoffizieller Nachfolger von Paul Watzlawicks berühmter „Anleitung zum Unglücklichsein“?
Ankowitsch: Watzlawick ist für einen Teil meines Buchs sehr wichtig. Er hat ja die paradoxe Intervention massgeblich geprägt und vorangetrieben. Beabsichtigt habe ich es jedenfalls nicht, einen Nachfolger zu schreiben. Sollte es einer werden, bin ich der Allerletzte, der sich darüber beklagen wird.

Die Fragen stellte Alexander Krex  

 

 

1 Kommentar


  1. […] für die Botschaft. Das ist paradoxe Intervention. Solche und andere paradoxe Interventionen hat Dr. Christian Ankonwitsch in seinem Buch „Mach´s falsch, und du machst es richtig“ gesammelt und zeigt ihre Wirkung. Eine nachdenkliche, unterhaltende Analyse mit Studienergebnissen […]

 

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