Der Künstler Uli Westphal fotografiert für sein Projekt MUTATOES auf Wochenmärkten Obst und Gemüse, das lustig aussieht. Für ihn sind es die „letzten Überlebenden biologischer Vielfalt“
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Heiter bis glücklich
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Der Künstler Uli Westphal fotografiert für sein Projekt MUTATOES auf Wochenmärkten Obst und Gemüse, das lustig aussieht. Für ihn sind es die „letzten Überlebenden biologischer Vielfalt“
„Das Mutato-Archiv ist eine fotografische Sammlung nicht-standardisierter Früchte, Knollen, Pilze und Gemüse die eine schillernde Vielfalt an Formen, Farben und Texturen aufweisen.
Die vollständige Abwesenheit botanischer Anomalien in unseren Supermärkten lässt uns die Gleichförmigkeit von dort präsentiertem Obst und Gemüse als natürlich erscheinen. Landwirtschaftliche Erzeugnisse sind zu einem monotonem, hochgradig stilisiertem Designprodukt geworden.
Mutatoes sind die letzten Überbleibsel eines einst reichhaltigen Repertoires an Farben und Formen, das durch monochrome, industrielle Nutzpflanzenkultivare verdrängt wurde.
Es ist nicht nur das Auftreten morphologischer Unregelmäßigkeiten im Wachstum einzelner Pflanzensorten, die vom Lebensmittelmarkt unterdrückt und ausgefiltert werden: Nur ein winziger Bruchteil von besonders ertragreichen, gut aussehenden Sorten wird heute noch angebaut und vermarktet, obwohl es von beinahe jeder Nutzpflanze tausende von Sorten gibt. Ein Großteil aller vom Menschen gezüchteten Pflanzensorten sind in den letzten 50 Jahren bereits ausgestorben. Die Entfremdung des Menschen von der Landwirtschaft und den Prozessen der Lebensmittelproduktion hat dieses Sortensterben hinter geschlossenen Vorhängen, ohne öffentliches Aufsehen geschehen lassen. Die stetig steigende Auswahl importierter und industriell verarbeiteter Lebensmittel trägt ebenfalls zu der Illusion bei, dass die Diversität unserer Lebensmittel zunimmt, anstatt zu verschwinden.
Mechanische, streng kontrollierte Anbau- und Erntemethoden, Monokulturen, Hybridsaatgut und Saatgutmonopole, standardisierte Verpackungen und gesetzlich vorgeschriebene optische Handelsnormen haben Nutzpflanzen zu Arten werden lassen deren Aussehen die Ästhetik eines industriellen Zeitalters widerspiegelt: Gleichförmigkeit, Berechenbarkeit, makellose Perfektion.
Wir haben heute ein klar definiertes Bild davon, wie zum Beispiel ein Apfel oder eine Tomate auszusehen hat, und wir begegnen Variationen und Abweichungen von dieser eingeprägten Norm meist mit Misstrauen, wenn nicht sogar Ekel. Wir haben vergessen, und in vielen Fällen nie erfahren, wie Obst und Gemüse eigentlich aussehen (und schmecken) kann.
Das Mutato-Archiv dient dazu, diese letzten Überbleibsel landwirtschaftlicher Vielfalt zu dokumentieren, zu erhalten und deren gesellschaftliche Akzeptanz zu fördern.“
[…] erste Assoziation war das Mutato-Projekt des Künstlers Uli Westphal, auf das ich über die ZEIT-Magazin-Rubrik „Heiter bis glücklich“ gestoßen war und das mir so gut gefiel, dass ich das Plakat für unsere neu gestaltete Küche […]