Hobos sind eine aussterbende Gattung. Immer On The Road und No Direction Home, mit gebrochenem Herz und traurigen Geschichten im Koffer. Josh T. Pearson ist einer von ihnen, und er ist einer der interessantesten zeitgenössischen Folksänger. Ein Gespräch über Texas, Katharsis durch Musik und die Ehrlichkeit des Künstler. Sein neuestes Video „Drive Her Out“ gibt es hier
ZEITmagazin: Ihr aktuelles Album heißt „Last of the Country Gentlemen“. Sie sind einer von ihnen?
Josh T. Pearson: Ich hoffe es. Ich habe mal jemanden sagen gehört: „Ein Gentleman ist jemand, der etwas perfekt kann, es aber einfach nicht tut“. Das hat mir sehr gefallen.
ZEITmagazin: Gibt es unter den großen Musikikonen jemanden, dem Sie sich nahe fühlen?
Pearson: Nicht wirklich. Ich mag Nick Cave sehr gerne, diese Idee vom Working Class Lied. Genauso schätze ich Johnny Cashs Stimme, das Gefühl in ihr. An Bob Dylan liebe ich, dass sich alles nach Wahrheit anhört, dass alles, was er tut, fast wie ein Gospel klingt.
ZEITmagazin: Sie kommen aus Texas, haben aber einige Jahre in Berlin und Paris gelebt. Wie haben Sie als Amerikaner Europa erlebt?
Pearson: Ich glaube nicht, dass sich meine Art des Songschreibens sehr geändert hat. Ich musste damals einfach raus. Ich kam nach Europa, um ein paar Konzerte zu spielen und wusste zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, dass ich dort bleiben würde, ich habe einfach den Rückflug nicht mehr genommen. Und aus zwei Monaten wurden zwei Jahre. So etwas passiert wohl häufiger in Berlin. Texas ist mein Zuhause, auch wenn ich nicht da bin. Eine Richtung Heimat gibt es für mich nicht, es ist immer die Straße. Ich denke, dass es gut ist, in Bewegung zu bleiben, damit das Innere heilen kann – auch wenn es hart ist.
ZEITmagazin: Ihre Musik klingt manchmal sehr sakral, Sie sind als Sohn eines Pfarrers aufgewachsen. Woran glauben Sie?
Pearson: Ich glaube nicht, dass ich das in Worte fassen kann. Aber ich glaube an irgendetwas, immer noch. Vielleicht daran, gut zu sein und Gutes zu tun. Vielleicht auch daran, in die Hölle zu kommen. Ich versuche und ich kämpfe, immer.
ZEITmagazin: Gibt es so etwas wie Magie im Jahr 2011, in Zeiten von Facebook, Google und Youtube eigentlich noch?
Pearson: Es ist schwierig, leider. Ich war einige Jahre auf Tour ohne Alben rauszubringen – also musste man zum Konzert kommen und die Musik real hören und sehen – und trotzdem bin ich zu dem Punkt gekommen, dass Mythos und Magie fast unmöglich sind. Es gibt keine Geheimnisse mehr, vor allem nicht über Künstler. Wenn Du etwas wissen willst, googlest Du es. Du tippst es und konsumierst es. Dieser Tod des Geheimnisvollen und des Märchenhaften ist wirklich eine traurige Sache. Letztens hatte ich auf einmal eine Band im Kopf, die ich seit zehn Jahren nicht mehr gehört hatte, aber ich musste eben nicht zu meiner Plattensammlung gehen, um sie zu hören, sondern nur einen Namen bei Youtube eingeben. Das kann auch wundervoll sein.
ZEITmagazin: Man kann auch versuchen der Welt den Rücken zu kehren. Sie haben mal in der Wildnis gelebt …
Pearson: Ich glaube, das Ganze wird immer etwas überinterpretiert. Ich habe alleine in einem Haus gewohnt, in diesem 300-Einwohner-Dorf in Texas. Als ich dort hingezogen bin, gab es dieses ganze Internetding noch nicht so und ich hatte kein Auto. Ich habe Kontakt mit Freunden und Familie abgebrochen. Für mich war das eine Art Wildnis. Es war brutal, aber manchmal ist es ganz gut, abgeschlossen von der Außenwelt zu sein.
ZEITmagazin: Was hat Sie dazu gebracht, wieder Songs aufzunehmen?
Pearson: Ich habe nie aufgehört, Songs zu schreiben und habe immer Konzerte gespielt. Es gibt Hunderte, die ich einfach nie aufgenommen habe. Mit der Zeit wollte ich die Songs in eine Welt bringen, die mir nicht mehr gehört und ich dachte, es wäre auch gut für mich, sie rauszubringen. Ich habe mir schon gedacht, dass die Kritiker das Album lieben würden, denn es ist gute Arbeit und vor allem ist es ehrlich. Aber es überrascht mich immer wieder, dass die Leute es tatsächlich kaufen und es offenbar so viel Traurigkeit da draußen gibt. Es hilft mir, dass es den Leuten hilft.
ZEITmagazin: Die Bühne scheint für Sie ein schmerzvoller Ort zu sein. Warum treten Sie trotzdem auf?
Pearson: Ich hoffe einfach, dass es einigen Leuten gut tut. Die Leute kommen ja immer wieder, wir sind jetzt seit neun Monaten auf Tour. Dann kommt auf einmal jemand mit Tränen in den Augen zu Dir und sagt „Hey, das habe ich gerade wirklich gebraucht“. Vielleicht brauche ich es auch und es ist eine Art Katharsis.
ZEITmagazin: Ihr Album hört sich an, als würden Sie versuchen Ihren Gedanken eine Richtung zu geben.
Pearson: Das ist ein Kampf, und es ist schwierig, eine Struktur zu finden. Es ist, als ob man Auto fährt und nicht weiß, wo man hin will. Oder man hat eine Karte und kennt den Weg, fährt aber einen Umweg.
ZEITmagazin: Es geht um Liebe und gebrochene Herzen. Wie viel an diesem Schmerz ist inszeniert?
Pearson: Es ist alles echt. Man muss es sich vorstellen wie eine Dokumentation: wichtig ist, die rohe Essenz des Gefühls zu erfassen. Das ganze Album ist ein Liebesbrief, es ist das Geräusch der Trennung. Ich habe diese Songs nicht in dem Wissen geschrieben, sie jemals zu veröffentlichen. Das ist das Gute daran.
Die Fragen stellte Hella Schneider
[…] «Die Zeit» beschreibt den Mann als «einer der interessantesten zeitgenössischen Folksänger.» Und sie haben Recht, denn kaum hat man in der letzten Zeit intensivere und kräftigere Texte gehört. Kaum fiel es einem je leichter, sich aufatmend zurückzulehnen und die Gedanken einfach davonsegeln zu lassen. […]
[…] «Die Zeit» beschreibt den Mann als «einer der interessantesten zeitgenössischen Folksänger.» Und sie haben Recht, denn kaum hat man in der letzten Zeit intensivere und kräftigere Texte gehört. Kaum fiel es einem je leichter, sich aufatmend zurückzulehnen und die Gedanken einfach davonsegeln zu lassen. […]
[…] «Die Zeit» beschreibt den Mann als «einer der interessantesten zeitgenössischen Folksänger.» Und sie haben Recht, denn kaum hat man in der letzten Zeit intensivere und kräftigere Texte gehört. Kaum fiel es einem je leichter, sich aufatmend zurückzulehnen und die Gedanken einfach davonsegeln zu lassen. […]