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„Bis hierhin vielen Dank“

Liebe Leserinnen, liebe Leser. Eigentlich war dies nie ein typisches Blog. Eines, in das man einigermaßen häufig schreibt. Eines, das eine gewisse Kontinuität hat. Wer meine bisherigen Blogs kennt weiß, dass ich nur dann einen Beitrag poste, wenn ich etwas zu sagen habe oder das zumindest glaube.

Da ich zurzeit außerordentlich eingespannt bin mit einem Vollzeitjob und zwei Büchern, die geschrieben werden und in diesem Jahr noch erscheinen werden, leidet dieses Blog. Vor allem insofern, als dass in Berlin Tag für Tag so viel Berichtenswertes passiert. Und mir schlicht und einfach die Zeit fehlt, dies in einer Form zu tun, die ZEIT ONLINE angemessen ist. Daher ziehe ich jetzt hier einmal die Reißleine und mache einen Schnitt.

Für all die wunderbaren Kommentare und Zuschriften bedanke ich mich bei Ihnen. Mein Dank gilt auch dem Team von ZEIT ONLINE, das mich hier immer ohne redaktionelle Einmischung und mit jedem erdenklichen Support hat spielen lassen.

Wir lesen uns mit Sicherheit wieder. Wenn Sie wollen 🙂

Ihr JR

 

Am Schlachtensee

Wenn es heiß ist, geht man an einen Badesee. Da entspannt man sich und sammelt Kräfte für alles, was da kommt. Dieses Geheimnis wird von Generation zu Generation weitergegeben, und im Großen und Ganzen funktioniert das auch. Außer man wohnt in Berlin. Da funktioniert das inzwischen nicht mehr so richtig gut. In Berlin ist das nämlich so: Man steigt am Schlachtensee aus der S-Bahn, trägt einen vorschriftsmäßigen Picknickkorb am Handgelenk, darin einige Flaschen des kühlen Pilsbieres, vielleicht gar ein sanftes Frikadellchen oder auch gesalzenes Gebäck. Nun sucht man sich auf der proppevollen Liegefläche einen ungenutzten Quadratmeter, entrollt eine Badematte, legt sich ein Handtuch unter den Kopf und macht eine kleine Schläferei.

Macht man eben nicht, weil unten am Ufer jemand abgestochen wird. So hört es sich zumindest an. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass es nur eine achtköpfige Meute muskelbepackter Männer, dem Installateur- oder Gerüstbauerhandwerk zuzuordnen, ist, aus Leibeskräften schreiend, die damit beschäftigt sind, sich gegenseitig ins Wasser zu schmeißen, sich im Wasser zu balgen, mit einem Medizinball zu bewerfen, brüllend wieder aus dem Wasser zu steigen, nur um sich subito wieder ins Wasser zu stürzen. Ein perpetuum mobile der Grobheit, ein Sisyphos-Treiben. Man schaut zunächst missmutig, nach einigen Minuten fasziniert auf dieses Treiben, das ohne jeden Zweck erscheint, ungerecht und erratisch anmutend werfen die Menschen einander ein ums andere Mal ins Wasser, brüllen und johlen, es nimmt kein Ende, sie haben schier unerschöpfliche Energievorräte, immer weiter geht das, es ist einfach sagenhaft. Gerade, als man sich daran gewöhnt hat, kommt er. Der Nebel. Dichter, dichter Nebel. Er kommt von einem kleinen Alu-Grill. Von einem kleinen Alu-Grill, der offenbar falsch bedient wird. Von einem kleinen Alu-Grill, der nicht nur falsch bedient wird, sondern hier eigentlich gar nichts zu suchen hat. Zwei grüngesichtige juvenile Deppen kokeln an dem Grill herum, operieren mit Kohle, Grillanzündern und Spiritus, die Rauchschwaden werden dichter und dichter, sie ziehen mit pestilenzartigem Gestank in Richtung Badewiese. Erste Rufe werden laut: „ßndisda? Seid wohl bekloppt, wa. Gloobck nicht, grilln die hier, áschlöcha.“ Nun werden die Deppen hektisch, wedeln mit bloßen Händen über der Feuerstelle hin und her und verstärken damit den Qualmaustritt auf das Zehnfache. Schnell formiert sich aus den im Qualm sitzenden ein Mob, der sich im Halbkreis um die Grill-Anfänger herum aufbaut und skandiert, „ausmachen, ausmachen ihr Spastis“: Irgendwer erbarmt sich und gießt einen halben Liter Wasser in die Glut. Langsam kehrt Ruhe ein. Habe ich Ruhe gesagt? Langsam kehrt der Lärm auf den Ursprungspegel zurück. Die gerade erwähnten Installateure frönen weiterhin ihrem debilen Spiel, dessen finales Ziel es wohl sein soll, dass alle Mitspieler ertränkt werden. Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr sie schreien können, ohne heiser zu werden. Immer wieder hört man das laute Klatschen von Arschbomben auf dem Wasser. Gejohl wird abgelöst von lautem Gejohle, das wiederum abgelöst wird von extralautem, superlautem Spezialgejohl und rekordverdächtigem 1a Spitzen- Gejohl mit optionalem Schwerst-Wasserspritzen.

Nun kommen andere Schwaden angeraucht. Vier struppige Menschen sitzen nebenan, die schlimmste Sorte Mensch, die es gibt: Weiße mit Dreadlocks. Schwaben, die erst 2009 die Band Rage against the Machine entdeckt haben, auf Hochbetten schlafen und Ben Becker für Subkultur halten. Sie sitzen da und kiffen. Nun, das soll mir ausnahmsweise recht sein, das geht wenigstens leise vonstatten. Erleichtert entkronkorkt man ein Pilsbier, nimmt einen geziemenden Schluck, fast sind einem nun auch die johlenden Wasserspritzer vom Ufer sympathisch, es macht sich eine Art Frieden breit. Doch da hört man den Klang des Sommers 2009. Der Klang des Sommers 2009 ist der Klang eines Nokia-Handys, auf dem Musik über den Lautsprecher abgespielt wird. Falls es nicht bekannt sein sollte, erkläre ich es hier kurz: Die täglich mehr werdenden Deppen dieser Welt haben alle zusammen Anfang des Jahres einen Brief an Nokia geschrieben, weil sie festgestellt haben, dass ihr vorsätzlich ausgeübtes MP3-Player-Kopfhörergezischel inzwischen niemanden mehr in Bus und Bahn nervt. „Lieber Nokia“, so haben sie geschrieben, „niemand beachtet uns mehr. Niemand zollt uns Respekt. Wir werden ignoriert, und das darf nicht sein, denn unser Daseinssinn und -zweck ist es, der Menschheit eine wahrhaftige Geißel zu sein, auf dass wir ihre Toleranz prüfen könnten. Daher, lieber Nokia, erfinde uns doch bitte etwas, das laut und klein ist und plärrt und nervt, am Besten ein Musikabspielgerät was unsere ganzen vier oder fünf mp3-Dateien, die wir beistzen, in möglichst hässlichem Klang abspielen kann. Könnt ihr das?“ – „Ja“, haben die Nokias geantwortet, „das können wir.“ Und dieser Klang kleiner, plärrrender Handys, das ist der Klang des Sommers 2009.

Ich höre also nun aus 8 cm Luftlinie ein Nokia N95, das einen mir unbekannten Aggro-Rap-Soundtrack bereitstellt. Irgendwas unmelodisches von einem Diddy O. oder Puff Diddy, einem dieser goldverplombten Rapper mit Gestikulierkrankheit, die jedes Mal schon für das Wechseln ihres Namens oder der Straßenseite oder für das Einsteigen in ein Automobil mehrere Millionen Dollar kassieren. Ich öffne vorsichtig meine Augen. Eigentlich muss ich es nicht, weil ich sowieso weiß, was ich sehen werde, aber es ist wie ein Unfall. Man schaut eben doch hin. Ich sehe einen gegelten, jungen Mann, er steht dort in einer Khaki-Hose, einem Nike-T-Shirt und Nike-Turnschuhen, deren Gegenwert recht genau meiner monatlichen Umsatzsteuervorauszahlung entspricht. Er hat eine monströse, leuchtend weiße, um 35 Winkelminuten phasenverschobene Baseballkappe auf, und zwar eine, deren halbrunder Hut-Teil an seiner höchsten Erhebung fast 50cm hoch ist und deren Krempe breit und lang genug wäre, einem ausgewachenen Iglo-Schlemmerfilet Schatten zu spenden. Er steht da, hält auf Hüfthöhe sein Handy in der Hand und schaut herum. Sonst tut er nichts. Er tut nur einfach da stehen. Und hoffen, dass man ihn bewundert oder hasst. Er möchte auf jeden Fall eine Reaktion. Dazu ist er da. Und deshalb reagiere ich auch nicht. Ich ignoriere ihn.

Erst nach einer Viertelstunde merke ich, dass er offenbar nur 4 MB Speicher im Handy hat, er spielt jedenfalls immer wieder das Lied von vorne. Das bekommt mir nicht, das weiß ich noch von der Popkomm 1998, auf der ich – als männliche Hostess arbeitend, insgesamt 25.000 mal das Lied „Samba di Janeiro“ hören musste und darob richtig gehend krank wurde. Mit Fieber. Ich schaue den Morgenländer also an. Er schaut zurück. Ja, jetzt hat er mich da, wo er mich haben wollte. Ich schaue nochmal. Er schaut zurück. „Könnten Sie sich bitte ein wenig zur Seite stellen? Oder die Musik leiser machen? Ich würde gerne etwas schlafen“.

Und ja – der junge Mann nickt mir zu. So geht’s. Liebe Berliner, ich habe gerade ein Beispiel gegeben, wie man das macht. Respektvoll, höflich, mein Gegenüber auf Augenhöhe angesprochen. Und zack – da nickt er! Er bleibt allerdings da stehen, wo er stand. Auch lässt er die Musik weiter laufen. Ich warte einige Minuten. Wiederhole dann, auf sein Handy zeigend, „Entschuldigung. Die Musik. Leiser bitte. Oder woanders hin gehen. Bitte.“. Er nickt wieder, sonst ändert sich jedoch nichts.

Ich zücke mein Nokia N95 und steppe durch die Songdatenbank meiner 1 Gigabyte Mini-SD Karte. Was nehmen wir denn. Dinosaur Junior? Die Babyshambles? Interpol? Oder kann man ihn mit Reggae quälen? Linton Kwesi Johson? Nein, wir nehmen Frank Zappa, Apostrophe, ein sechsminütiger Fieberwahn, das muss funktionieren. Ich schalte ein. Der Aggro-Rap ist nicht mehr zu hören, er ist maskiert, wie die Tontechniker das nennen. Mein Zappa ist einfach lauter. Ich bin froh, dass ich vor dem Überspielen aufs Handy alle Lieder nochmal per Software komprimiert habe. Der junge Mann geht weg. Das wiederum macht mir so gute Laune, ich glaube, ich ziehe jetzt mal meine Badehose an und gehe mit den Klempnern und Gerüstbauern plantschen

 

Mein Baby gehört zu mir

Gestern feierte das Musical Dirty Dancing Premiere im Theater am Potsdamer Platz. Lieblingsfarbe des Abends: natürlich pink. Lieblingsdrink: natürlich Sekt. Wirklich überrascht hat mich hingegen der hohe Männeranteil. Mein Freund und auch die meiner Freundinnen reagieren auf die Ankündigung eines „Dirty Dancing Videoabends“ ja ähnlich wie auf die Ansage „Die Wohnung braucht mal wieder einen Großputz“. Es war den Männern allerdings nicht anzusehen, ob sie unter Drogen gesetzt, mit Sexentzug bedroht oder freiwillig mitgekommen waren. Ich jedenfalls war in Begleitung einer Freundin da, mit der ich den Film schon geschätzte 500 Mal gesehen habe und die ähnlich textsicher ist wie ich. Was offenbar für die meisten Zuschauer galt: Zeilen wie „Ich habe eine Wassermelone getragen“ und „Mein Baby gehört zu mir“ wurden bejubelt.
Nach dem zweiten Sekt im Foyer versprachen meine Begleitung und ich, uns gegenseitig davon abzuhalten, auf den Sitzen zu tanzen. Dann erklommen wir den 1. Rang, der sich als 1A Platz herausstellte, denn man hat zwar einen super Blick, ist aber trotzdem so weit weg, dass die beiden Hauptdarsteller dem echten Baby und dem Original-Johnny aus dem 1987er Kinoschmachtfetzenhit täuschend ähnlich sehen. Und dann gings auch schon los, mit dem selben Schlagzeugrythmus wie im Film: bam-babamm, bam-babamm, bam-babamm. Be my Baby von The Ronettes. Auf einer transparenten Leinwand ist im Schattenriss ein schmutzig tanzendes Paar zu sehen. Gänsehaut.
Dann beginnt die Handlung – und weicht ein, zwei Szenen lang total von der im Film ab. Ich bin richtig irritiert – wie ich irritiert feststelle. Für so festgefahren hätte ich mich ja nie gehalten. Eingefleischte Fans möchte ich daher warnen: Ein bisschen Interpretationsspielraum mutet uns Eleanor Bernstein schon zu. Als wolle sie die Gelegenheit nutzen, manchen ihrer Charaktere späte Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Schwester Lisa gönnen wir den jubelnden Applaus für ihre deutsche Version des „Kellerman’s Anthem“ ja durchaus und auch die Mutter darf plötzlich mehr sagen als „Halt Dich gerade, Baby.“ Aber den schnöseligen Hotelerben Neill zum Gutmenschen zu machen, der in Missisippi für die Rechte der Schwarzen demonstrieren gehen will (wir schreiben das Jahr 1963) – das führt nun wirklich zu weit. Und was hat sich die Requisite (die für ihre ansonsten akribische Arbeit ein dickes Lob verdient) nur dabei gedacht, Pennys 3-Meter-Netzstrumpfhosen-Beine in der gemeinsamen Tanzszene mit Baby durch Hot Pants zu verstümmeln? Soll das spontane Frustdiäten bei den Frauen und kollektives Sabbern der anwesenden Herren verhindern? Insgesamt ist die Bühnenadaption aber ziemlich nah am Film – und macht genauso gute Laune wie das Original. Auch ohne Mitsingen, Mittanzen und sicherlich auch ohne Sekt vorneweg. Das Bühnenbild überrascht immer wieder mit hübschen Einfällen (die Hebefiguren-Szene im See!) und die Tänzer sind bis in die letzte Nebenrolle großartig besetzt. Allen voran Baby-Darstellerin Janina Elkin, die die unbeholfenen ersten Tanzschritte noch witziger als im Film hinbekommt. Das Tüpfelchen auf dem i ist übrigens der Merchandise-Stand. Und glauben Sie mir: Ich bin normalerweise nicht anfällig für solchen Werbekrams.

Karten für Dirty Dancing im Theater am Potsdamer Platz kosten 39 bis 110 Euro.

 

Funkturm Restaurant – ein Kontrollbesuch

Gunnar Schupelius von der BZ war kürzlich im Funkturm-Restaurant Essen und hat sich danach bitterlich beschwert. Da Schupelius sich allerdings schon dann unter der biblischen Vorzeile „Mein gerechter Zorn“ beschwert, wenn er bei seinem Auto unnötig oft das Lenkrad benutzen muss oder wenn die BVG eine Haltestelle um einige Meter versetzt, war ich sofort angefixt, als ich seine Restaurantrezension las.

Gestern also Abendessen mit 6 Leuten im Funkturm-Restaurant. Die Firma Capital Catering, die das Restaurant betreibt, bewirbt für den März 2009 ein Buffet mit Südtiroler Spezialitäten. Anders als Herrn Schupelius wurde mir kein fleckiger Stuhl angeboten, sondern das Restaurant wirkte völlig gepflegt, stilvoll eingedeckt, eine insgesamt hochsolide, wenn auch nicht prätentiöse Einrichtung. Die Kellner waren außerordentlich alte Schule, wirkten auf den ersten Blick etwas „dated“, entpuppten sich aber als hochaufmerksame und – bei augenzwinkernder Behandlung – auch recht humorvolle Kerlchen.

Das Buffet ist für 22,50 (Kinder bis 12 zahlen 1 Euro pro Lebensjahr) sehr, sehr fair eingepreist. Die kalten Vorspeisen waren komplett durch die Bank einwandfrei und frisch. Der Lachs kühl und appetitlich dargeboten, der Wildschweinschinken hervorragend, das Vitello tonato konnte ohne Furcht verzehrt werden, manches (z.B. der Linsensalat oder die diversen Fische aus dem Rauch) sogar überdurchschnittlich.

Die Hauptgerichte waren okay, wenn auch nicht berühmt. Die Lammkeule insgesamt aromisch am Besten. Die Lachsforelle ein wenig übergart, ihr bekam es nicht, im selben Rechaud wie das zugehörige Wurzelgemüse aufbewahrt zu weden. Die Maultaschen schmackhaft und nicht zu weich, das Kalbsschnitzel zart aber in etwas zu mächtiger Tunke, der Tafelspitz mit Meeretich ebenfalls fehlerfrei, wenn auch nicht brilliant.

Hohe Nachtisch-Vielfalt, die Mitesser wirkten zufrieden, hierzu kann ich wenig sagen, weil ich kein Nachtischesser bin. Die Käseauswahl am Schluss war auch in bester Ordnung, einige Rohmilchkäse, einige Camembert-Variationen, dazu eine stets in Schuss und Vollzähligkeit gehaltene Brot- und Brötchenauswahl.

Wer ein wenig vom einerlei Abstand nimmt und als Digestif einen Malt Whiskey (immerhin vier stehen zur Auswahl) bestellt, erhält eine Karaffe Eiswasser dazu. Man kann hier schon, wenn man will, aber die meisten wollen nicht, damit kommen wir zum Kern:

Schupelius schreibt in seiner Rezension: „Warum gibt sich die Messe Berlin nicht alle Mühe, dieses Restaurant seiner Würde entsprechend zu betreiben.“ – würde er sich etwas besser in der Gastronomie auskennen, dann wüsste er, dass man damit das Restaurant in die Pleite triebe. Das Restaurant hat nämlich einen Nachteil: das Publikum. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass es nur zweierlei Menschen in den Funkturm zieht: Touristen und den wirklich harten Old-School-Westberliner. Alle Menschen, die ich gestern in dem Restaurant gesehen habe, haben sich pudelwohl gefühlt. Hier hatte fast niemand Normalgewicht, fast ein jeder war auf irgendeine Art und Weise drall. Würde man diesem Publikum eine gehobene, ja Feinschmeckerküche anbieten, wäre das Restaurant in 3 Wochen leergefegt. Ein Gastronom, der hier ein Wagnis einginge, würde scheitern. Darüber muss man sich im Klaren sein.

Wer im Funkturm speist, wird in jedem Fall zuvorkommend und außerordentlich flink bedient und kann sich solide die Plauze vollschlagen. Mehr kann – und sollte! – man von einer Restauration dieser Art nicht erwarten.

 

Barcoo.de Interessantes Startup in Berlin

Heute bin ich über eine hübsche Sache gestolpert, das Startup www.barcoo.de . Man lädt sich kostenlos eine kleine Applikation aufs Handy und kann dann mit der Handykamera den Barcode eines beliebigen Produkts scannen und sofort die Ernährungsinformationen (oder andere Infos bei Non-Food-Dingen) dazu aus dem Internet bekommen – und die Information, wo im Umkreis man das Produkt am günstigsten bekommt. Gerade ausprobiert, funktioniert super. Nett!

 

Paris-Moskau, Essen der Extraklasse

An der Art, wie ein Restaurant mit „schwierigen“ Gästen umgeht, merkt man, ob man es mit Profis oder Amateuren zu tun hat. Aber warum soll ein mit Nahrungsmittelallergien gestrafter Mensch nicht genau so schön essen gehen können, wie ein komplett gesunder? Eben. Also habe ich einfach die Gattin unter den Arm geklemmt und geschaut, wie sich das Paris-Moskau mit einer Vegetarierin schlägt, die noch dazu gegen Milchprodukte und Ei allergisch ist.

Das Paris-Moskau liegt am östlichen Rand von Alt-Moabit, in einem Fachwerkhaus, das wie mit Photoshop ins Brachland hineingezaubert aussieht. Es ist sehr fein eingerichtet, doch die Begrüßung erfolgt herzlich, wie bei alten Freunden. Nachdem die ausgesprochen freundliche Kellnerin die Allergie-Informationen aufgenommen hatte, ging sie in die Küche, um uns kurz darauf ein spezielles Menü vorzuschlagen.

So begannen wir mit Scheiben von der Jakobsmuschel mit Passionsfrucht, das Muschelfleisch zart gegart, perfekt ergänzt von einem Pinot Grigio.

Weiter ging’s mit einem Medaillon von der Rotbarbe auf Shiitake-Risotto, dazu einen Weißburgunder aus der Pfalz.

Die Gattin bog dann links ab mit einem fantastischen Kabeljau, ich nahm die andere Abzweigung zum französischen Geflügel. Beide Hauptgerichte kamen übrigens trotz der außerordentlichen Qualität und Abstimmung in einer großzügigen Menge daher. Je feiner die Küche, desto kleiner die Portionen, dieser grundsätzlich richtige Trend wird hier glücklicherweise nicht übertrieben.

Zu guter Letzt Mohnküchlein mit gefüllter Zwergorange, dazu ein wuchtiger Muscat de Beaumes von 2003, bei dem die Rosinen-Aromen nur so durch den Mund zwitscherten.

Ich habe lange nicht mehr so gut gegessen, bin ewig nicht mehr so herzlich und nett bewirtet worden und war sehr erstaunt, dass dieser vorzügliche Abend, der im Nu vorbei gewesen schien, gut dreieinhalb Stunden gedauert hat. Das Paris-Moskau ist – nach all den Jahren – immer noch ein hervorragendes Restaurant der Extraklasse. Gerne wieder, gerne bald.

PS: Die Gäste am linken Nebentisch waren wesentlich komplizierter, als wir. Aber auch das hat die Kellnerin mit bewundernswerter Freundlichkeit erschlagen können.


Paris-Moskau
Alt-Moabit 141
10557 Berlin
(030) 303942081
www.paris-moskau.de

 

Ganz schön vermessen

Das ist wirklich eine schmucke Angelegenheit: Berlin in 3D als Addon für Google-Maps. Fast eine halbe Million Gebäude wurde dafür fotografiert und mit Lasern vermessen. Bitteschön, hier entlang.

 

Ein Abend im Seoul Kwan

Waren Sie schon einmal koreanisch essen? Also RICHTIG koreanisch essen? Dann wagen Sie bitte unbedingt einen Besuch im „Seoul Kwan“, das ich derzeit (noch) als absoluten Geheimtipp bezeichnen möchte. Es sieht von außen, um es vorsichtig zu sagen, unscheinbar aus. Auch die Inneneinrichtung wirkt nicht ganz so taufrisch, wie die gerade im Aufbau befindliche Website suggerieren mag. Aber davon sollte man sich keinesfalls abschrecken lassen, denn hier gibt es hochauthentische Küche und ebensolche Stimmung.

Man betritt das Restaurant, es läuft wunderbar-trashige Asia-Pop-Musik, das Restaurant ist – obwohl es Montag Abend ist – erstaunlich gut gefüllt, und zwar wirklich ausschließlich mit asiatischen Gästen. Im Raum gibt es eine kleine Bühne mit einer gigantisch dimensionierten Karaoke-Anlage. Das Mobiliar ist einfach, ein riesengroßer Fernseher zeigt die Live-Übertragung eines koreanischen Ego-Shooter-Wettkampfs. Soviel zur Atmosphäre.

Die gebundene Speisekarte umfasst alles, was das Herz begehrt. Der Kollege, der ein Jahr in Südkorea zugebracht hat, bestellt routiniert und vokalreich eine Menge Dinge. Ich lasse mich einfach in den Sound fallen, verstanden habe ich eh nichts.

Zunächst gibt es gemischte Vorspeisen: Blattspinat, Kimchi, Seetang, Tofu, kleine panierte Fischstücke, Kohl und einiges mehr, das Gemüse ist dabei angenehm und schmackhaft leichtsäuerlich eingelegt.

Weiter gehts mit Bibimbap. Hierzu werden in einer vor Hitze knisternden, tiefen Steingutschale verschiedene Gemüse mit Reis und einem frischen Eigelb vermengt und am Tisch zu einem höchst wohlschmeckenden Durcheinander vermengt. Während wir die köstlich mit Knoblauch und Ingwer gewürzte Spezialität glücklich vertilgen, wird eine Kochplatte an unserem Tisch installiert, später bringt die Kellnerin „Bulgogi“ an den Tisch, eine Pfanne mit marinierten Rindfleischstreifen mit Sprossen. Dies wird langsam und schonend direkt an unserem Tisch gegart.

Auch hier: unglaublich lecker: Sehr frisches Fleisch, klug gewürzt und mariniert, sauber durchgegart, wir essen die Riesenpfanne komplett leer. Am Nachbartisch sitzen offenbar Freunde des Hauses, man trinkt Bier und Johnny Walker, die Stimmung ist hervorragend.

Wir beschließen das Mahl mit einem Kaffee. Hochzufrieden. Hier kann man wirklich etwas erleben und dabei wunderbar essen. Absoluter Hingehtipp.


Seoul Kwan
Schmiljanstr. 25
12161 Berlin
030 – 8526262
tgl. ab 19 Uhr.