Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Auf dem Weg zur zweiten deutschen Einheit – die dritte Deutsche Islam Konferenz

 

Der Innenminister sagte gleich im ersten Satz der Pressekonferenz, es sei „streckenweise sehr strittig“ zugegangen. Aber daß man sich mittlerweile so unbefangen und offen die Meiunung sagen könne, sei eben auch ein bedeutender Fortschritt, so Schäuble. Recht hat er.

Die Deutsche Islam Konferenz hat sich heute zum dritten Mal im Plenum getroffen. Bei der anschließenden Pressebegegnung im Berliner Logenhaus zeigten sich alle Beteiligten bemüht, die Tatsache, daß es in manchen Fragen noch zu keiner Einigung gekommen sei, nur ja nicht als Mißerfolg darzustellen.

Was ist beschlossen worden? Erstens ist jetzt klar, daß islamischer Religionsunterricht überall eingeführt werden soll, wo Bedarf besteht. Die Länder werden – wegen ihrer Kulturhoheit – diesen Ball weiterspielen.

In Deutschland wird bekenntnisorientierter Religionsunterricht aber bekanntlich nicht vom Staat in Alleinregie organisiert, sondern in Verantwortung der Religionsgemeinschaften und unter Aufsicht des Staates. Dies erfordert, dass die islamischen Organisationen sich den Status von Religionsgemeinschaften erarbeiten.

Sie müssen sich jetzt auf der Ebene der Länder als verläßliche Partner des Staates organisieren. Ein Dachverband wie der Koordinierungsrat der Muslime kann nicht als Religionsgemeinschaft gelten, darüber herrsche Konsens, sagte der Minister. Und Bekir Alboga, der derzeitige Sprecher, nickte einvernehmlich dazu. Die Verbände müssen sich also in den Ländern von unten her neu aufbauen, und dabei auch Transparenz über ihre wahre Mitgliederzahl schaffen. Dann wird man auch endlich sehen, für wieviele Muslime sie wirklich stehen. Nach manchen Schätzungen sind bloß 10-20 Prozent in den Organisationen vertreten.
Das ist der richtige Weg: Die Muslime sind bescheiden geworden, sie wollen jetzt nicht mehr sofort den gleichen rechtlichen Status wie die Kirchen und die jüdischen Religionsgemeinschaften (Körperschaft öffentlichen Rechts). Sie wissen, dass sie dies überfordern würde. Die Bildung regionaler Zusammenschlüsse ist besser, weil transparenter und näher an den jeweiligen Bedürfnissen der Gläubigen vor Ort.

Des weiteren wird ab sofort eine „Clearingstelle“ beim BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) geschaffen, die die Zusammenarbeit der Muslime mit den Sicherheitsbehörden organisiert. Offenbar ist man sich über den militanten Islamismus als gemeinsamen Feind also einig geworden. Auch das ist sehr gut. Man denke bloss zum Vergleich an England, wo tiefes Mißtrauen die Kooperation zwischen Moscheen und Polizei verhindert.

Die Vereinbarung, mit der die Deutsche Islam Konferenz Zwischenbilanz zieht, erwähnt außerdem den Moscheebau als „wichtigen Schritt zu Integration des Islam in Deutschland“. Das ist sehr weitgehend, wenn man an die vielen lokalen Konflikte denkt. Ich finde es richtig und mutig. Auch islamische Bestattungen sollen erleichtert werden. Auch dies ist wichtig: Wenn Muslime ihre Toten in deutschem Boden begraben, ist das ein Riesenschritt dazu, dieses Land als ihres anzunehmen und sich ihm verbunden zu fühlen.

Im Gegenzug enthält das Bulletin ein Bekenntnis der Muslime zur „vollständigen Beachtung der deutschen Rechtsordnung und der Werteordnung des Grundgesetzes“. An die Mehrheitsgesellschaft ergeht die Forderung, „in Deutschland lebende Muslime als gleichberechtigten Teil der deutschen Gesellschaft anzuerkennen und zu respektieren“.

islamkonferenz.jpg
Die Islamkonferenz tagt. Foto: BMI/photothek

Es wurde allerdings schnell deutlich, dass trotz der gefundenen Kompromissformeln noch eine Menge zu tun bleibt: Bekir Alboga betonte, man habe sich gerne noch einmal zum Grundgesetz und seinen Werten bekannt, und dies sei keine leere Fomel: „Für uns sind Mann und Frau nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch vor Gott gleich, der sie beide erschaffen hat.“

Man konnte sehen, wie Necla Kelek litt, als Alboga dieses Bekenntnis ablegte. Sie meldete sich denn auch und stellte heraus, es habe eben keinen Konsens in der Wertefrage gegeben, und was Herr Alboga eben gesagt habe, sei ein blosses Lippenbekenntnis. In den Gemeinden und den Familien sehe es bekanntlich anders aus, da könne von der Gleichheit von Mann und Frau keine Rede sein. Womit sie allerdings auch Recht hat.

In diesem Moment hatte ich wieder das Gefühl, die DIK sei eine sehr gute Sache, weil sie diese unterschiedlichen Kräfte an einen Tisch zwingt, die das muslimische Leben in Deutschland ausmachen. Nirgendwo sonst in Europa (in der Welt?) gibt es ein solches gewagtes, aber nötiges Experiment.

Kelek sagte, es seien Forderungen gestellt worden nach Kopftüchern im Kindergarten und nach Schariagerichten. Alboga sagte, dies seien keineswegs die Forderungen der Muslime im KRM: „Ja, es gibt Buchstabengläubige. Aber wir wollen so etwas nicht. Wir sind zufrieden mit den deutschen Gerichten.“

Als freier Kopf zeigte sich wieder einmal der Sprecher der Aleviten, Ali Ertan Toprak. Er sagte, dies ist unser Land, kein fremder Boden, kein Feindesland, und wir sind stolz, endlich auf Augenhöhe mit unserem Staat zu sprechen. Schäuble sei als der Architekt der deutschen Einheit bekannt. Wir wünschen uns eine zweite deutsche Vereinigung als Ergebnis dieser Konferenz.

Eine Sache aber hat mich ziemlich aufgeregt: Die allgemeine Medienschelte, besonders auf die deutschen Medien bezogen. Wir sollen nicht so viel von der Gewalt sprechen. Wir sollen „alltagsnahe Themen“ suchen. Wir sollen „die kulturelle Vielfalt muslimischer Mitbürger … in dem Sinne darstellen, dass sie zu unserer Kultur in Deutschland als Ganzes beiträgt“.( An die türkischen Medien mit ihrer derzeit unfasslich tendenziösen Meinungsmache hat niemand appelliert!)

Ich bin bekanntlich nicht der Meinung, dass es den „bereichernden“ Beitrag der Muslime nicht gibt. Und es gibt auch manchmal überzogene Dramatisierung in der Berichterstattung über Integration und Islam.
Aber wenn die Politik anfängt, von uns das Positive zu fordern, werde ich hellhörig. Wir sind für die Kritik und nicht fürs Predigen und Gesundbeten zuständig – im nie erreichten Idelafall für die Dinge, so wie sie halt sind.

Positive Diskriminierung in der Berichterstattung ist das letzte, was eine Gruppe brauchen kann, die sich mal zu Recht, aber oft auch zu Unrecht, diskriminiert fühlt. Wir müssen heraus aus dieser paternalistischen Behandlung. Wir müssen die Debatte als (angst)freies Gespräch unter Erwachsenen führen, die sich die Meinung sagen und auch einmal eine Polemik der anderen Seite aushalten. Die Deutsche Islam Konferenz bringt uns dabei voran, Schritt um Schritt.