Das Bundesinnenministerium hat ein Betätigungsverbot für die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ ausgesprochen. So weit, so unspektakulär. Der Schritt von Bundesinnenminister Thomas de Maizière ist sinnvoll, auch wenn das Verbot allein bei der Bekämpfung der Dschihadisten wenig effektiv sein wird. Nur wenige Dschihadisten werden sich selbst, zumal hier in Deutschland, als Zelle oder Gruppe oder Einheit oder Mitglieder des „Islamischen Staates“ bezeichnen. Aber selbst aus symbolischen Gründen finde ich das Verbot richtig.
Etwas komplizierter ist es allerdings mit einer zweiten Absicht, die das Innenministerium verfolgt: Auch das Verwenden von Symbolen wie der schwarzen IS-Flagge soll untersagt werden.
Richtig ist, dass der „Islamische Staat“ ziemlich durchgehend in all seinen öffentlichen Publikationen und Auftritten diese Flagge verwendet:
Sie zeigt in der oberen Hälfte die erste Hälfte des islamischen Glaubensbekenntnisses: „Es gibt keinen Gott außer Gott.“ In der unteren Hälfte findet sich der Schriftzug „Mohammed ist der Prophet Gottes“, so wie er auf einem historischen Siegel Mohammeds zu finden war. (Es ist zugleich die zweite Hälfte des Glaubensbekenntnisses.)
Der „Islamische Staat“ hat also keine exklusive Beziehung zu irgendeinem Bestandteil dieser Flagge. Denn beide Aussagen gelten für alle gläubigen Muslime und sind inhaltlich weder dschihadistisch noch islamistisch konnotiert, sondern gehören schlicht zu den Grunddogmen des Islams. Sollte man eine solche Flagge also verbieten? Ist es in Ordnung, wenn der deutsche Staat das Zeigen des Siegels Mohammeds und eines Teils des islamischen Glaubensbekenntnisses untersagt?
Ein verzwicktes Problem. Denn diese spezielle Kombination verwendet tatsächlich nur der „Islamische Staat“; viele nicht-dschihadistische Muslime finden aber, dass der „Islamische Staat“ ihre Symbole gewissermaßen gehijackt hat – und dass ein Verbot durch westliche Staaten diesen Diebstahl allgemeingültiger muslimischer Symbole quasi legitimiert, indem es ihn als geglückt anerkennt, um die Flagge dann zu verbieten.
An diesem Dilemma zeigt sich übrigens das propagandistische Geschick des „Islamischen Staates“. Er verwendet eine Flagge, gegen die ein gläubiger Muslim eigentlich nichts einzuwenden haben kann – und dürfte sich so richtig freuen, wenn es durch ein Verbot zu Situationen kommt, in denen Muslime, die mit dem IS gar nichts zu tun haben, sich über das Flaggenverbot empören und womöglich sogar strafrechtlich verfolgt werden. Ganz sicher würde der „Islamische Staat“ das nämlich als Ausweis genereller Islamfeindlichkeit im Westen ebenfalls propagandistisch ausnutzen: Dort dürfen wir nicht einmal unser Glaubensbekenntnis zeigen!
Es gibt hier also eine Falle, in die man tappen kann.
Andererseits kann man auch nicht verhehlen, dass diese Flagge auch in Deutschland schon auf Demonstrationen aufgetaucht ist, bei denen man durchaus das Gefühl haben konnte, dass jene, die sie zeigten, sich diebisch freuten, weil sie eine legale Möglichkeit hatten, ihre Sympathie für den „Islamischen Staat“ auszudrücken.
Aber vielleicht gibt es einen Ausweg. Vielleicht würde es ja im ersten Schritt reichen, wenn das Innenministerium zunächst etwas zurückhaltender vorgeht und nur das Zeigen von solchen Flaggen verbietet, auf denen die Worte „Islamischer Staat“ auftauchen. Dann könnte man ja erst einmal abwarten, beobachten und auswerten, wie die Sympathisantenszene der Dschihadisten, die das Verbot ja treffen soll, reagiert. Einen zweiten Schritt kann die Regierung sich vorbehalten. Sie sollte sich jedenfalls nicht hetzen lassen. Augenmaß ist am Ende gewinnbringender als Aktionismus.
PS: Eine interessante und knappe Darstellung der Debatte um die Flagge und ihre historische Entwicklung findet sich in einem Blog Post von Aaron Zelin.