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Mit Mexikos Polizei darf Deutschland nicht zusammenarbeiten

 

Je mehr wir von dem Massaker an den 43 Studenten im mexikanischen Iguala erfahren, desto schrecklicher hört sich die Geschichte an. Es gibt nun die Gewissheit, dass all die jungen Menschen von uniformierten und nicht-uniformierten Gangstern – sprich von Polizisten und Mitgliedern von Drogenbanden – getötet wurden. Und mit dieser mexikanischen Polizei, die laut Amnesty International systematisch und im ganzen Land foltert, will die Bundesrepublik Deutschland ernsthaft die Zusammenarbeit beginnen? Obwohl auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier im Frühjahr „erhebliche Rechtsstaatsdefizite“ in Mexiko kritisierte und die „mangelnde Aufklärung und ineffektive Strafverfolgung von Menschenrechtsverletzungen“ als „zentralen Faktor der Gewalteskalation“ ausmachte? Diese zutreffende Aussage muss sowohl zum Stopp der Verhandlungen über das Polizeiabkommen als auch zum Verbot der Exporte, auch der Kleinwaffen, dorthin führen.

Auch meine philippinischen Kollegen beschreiben dieser Tage das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in den vergangenen Jahren in ihrem Land als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Kolumbien wurden allein in den vergangenen vier Jahren Hunderte von Menschenrechtsverteidigern umgebracht. Auch aus Indien werden allenthalben Drohungen, Verhaftungen und Folter von Menschenrechtsverteidigern berichtet. Alle diese Länder bezeichnen sich selbst als Demokratien und werden gemeinhin dem „Westen“ zugeordnet. .

Immerhin: Noch gibt es in diesen Ländern Räume für soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Akteure, auch wenn sie immer mehr und immer schärfer bedroht werden. Zu ihnen gehören Menschenrechtsorganisationen, Anwältinnen und Anwälte, Gewerkschaftsmitglieder, aber auch nicht-korrupte Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Am Montag war der UN-Sonderberichterstatter für die Situation von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern, Michel Forst, in Berlin, und wir gaben uns bei den Gesprächen mit ihm die Klinke in die Hand – die mexikanische Kollegin, die indische Anwältin und Mitarbeiter meiner Organisation, die sie begleiteten. Passend zum Thema überreichte meine ECCHR-Kollegin Carolijn Terwindt dem Sonderberichterstatter ihr Buch NGOs under Pressure in partial Democracies. Darin beschreiben sie und ihr Mitautor anhand von Beispielfällen, unter welchen Bedingungen Menschenrechtsaktivisten in Honduras, Indonesien und den Philippinen arbeiten.

Philippinen, dahin ist unser Freund Harry Roque von CenterLaw inzwischen zurückgereist, auch er war in Berlin. Doch er musste sich einem ungewöhnlichen Prozess stellen. Roque, der normalerweise Menschen verteidigt oder im Namen der Ermordeten und Gefolterten Anklage erhebt, saß selbst auf der Anklagebank. Seit wenigen Wochen vertritt er die Familie einer ermordeten Transgender-Frau. In den Mord scheint ein US-Marine verwickelt zu sein. Und die genießen auf den Philippinen immer noch Sonderrechte.

Also springt die philippinische Armee – selbst oft verklagt von Roques Organisation – den US-amerikanischen Waffenbrüdern zur Seite, will den Jura-Professor gar aus dem Anwaltsstand ausschließen lassen. Roque war mit der Familie des Mordopfers zur US-Basis gegangen, wo die Familienangehörigen ihren Protest vortrugen. Es wäre mehr als skandalös, wenn die Militärs Erfolg mit ihrem Vorstoß gegen Roque hätten. Schon so haben sie großen Schaden für die Rechtskultur auf den Philippinen angerichtet. Denn eines zeigen Drohungen, Diffamierungen und Verfahren gegen  Menschenrechtsverteidiger: Wenn nicht einmal die geschützt werden und unbehelligt bleiben, die sich beruflich für andere einsetzen, wie ergeht es dann denen, die in einer Provinzpolizeistation oder einem Militärlager einsitzen?