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Kein Ende der Drohnenangriffe via Deutschland

 

Wir sind nicht naiv. Dennoch hat meine Organisation, das ECCHR, gemeinsam mit der Menschenrechtsorganisation Reprieve aus London eine Klage initiiert, die der jemenitische Staatsbürger Faisal bin Ali Jaber und zwei seiner Verwandten wegen der Rolle Deutschlands bei den Drohnennangriffen der USA beim Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesrepublik Deutschland eingereicht hat.

Am Mittwoch kam es zur mündlichen Verhandlung und das Verwaltungsgericht Köln entschied, die Klage abzulehnen – aber nicht für unzulässig zu erklären.

Im Einzelnen: Drohnenangriffe sind wie viele andere militärische Attacken aus vielen unterschiedlichen Gründen problematisch. Vor allem die große Distanz zwischen dem, der den Angriff auslöst und den Zielen sowie die behauptete chirurgische Treffsicherheit sind kritisch. Diese Kritik mag manchmal etwas neumodisch erscheinen, als wenn Bombardements und Raketenangriffe nicht ähnlich problematisch wären. Das internationale Recht und damit auch das Humanitäre Völkerrecht, die Genfer Konventionen und deren Zusatzprotokolle wurde von Staaten geschaffen, die sich letztlich nicht grundsätzlich in ihren Mitteln beschneiden lassen wollten. Daher erlaubt das Humanitäre Völkerrecht in bewaffneten Konflikten wesentlich mehr, als uns allen human erscheint. Ein neues Recht, ein strengeres Recht, ist nicht in Sicht. So weit, so schlecht.

Die Folge: Bomben-, Raketen- und Drohnenattacken sind seltener verboten als gedacht und von vielen erwünscht – selbst wenn es zivile Opfer dabei gibt. Siehe zum Beispiel den von einem Bundeswehroberst befohlenen Bombenangriff im afghanischen Kundus im Herbst 2009.

Drohnenangriffe außerhalb von Kriegsgebieten sind jedoch unserer Ansicht nach nichts anderes als gezielte extralegale Tötungen, sprich: Vollstreckungen von Todesstrafen ohne Prozess. So sieht es auch die Mehrheit der deutschen und europäischen Völkerrechtler. Und so dachten wir, mit einem Fall aus dem Jemen gute Chancen vor einem deutschen Verwaltungsgericht zu haben.

Denn wir mussten nicht, wie etwa im Straf- oder im Zivilverfahren, eine Komplizenschaft deutscher Stellen behaupten, selbst wenn dafür einiges spricht. Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein ist Dreh- und Angelpunkt dieser militärischen Attacken, ohne den die Drohnenangriffe nicht ausgeführt werden könnten. Ramstein ist Teil eines modernen, hochkomplexen, arbeitsteiligen Systems mit vielen Akteuren an unterschiedlichen Standorten. Doch mit der Klage wollten wir die Beweislast umkehren: Nicht die Kläger haben nachzuweisen, dass die Bundesrepublik aktiv am US-Drohnenkrieg beteiligt ist. Nein, bundesdeutsche Stellen haben eine Schutzpflicht auch gegenüber Menschen, die im Jemen leben, und sie müssen sicherstellen, dass diese Menschen nicht unter Beteiligung der Deutschen völkerrechtswidrig geschädigt werden.

Nun hat sich das Verwaltungsgericht Köln ernsthaft – als erstes deutsches Gericht und dazu öffentlich – mit den Rechtsfragen auseinandergesetzt. Die Klage wurde für zulässig und unser Vortrag für plausibel erklärt. Doch dann sagt das Gericht: Die Bundesrepublik hat ein außenpolitisches Ermessen, kann daher selbst entscheiden, mit welchen Mitteln sie vorgeht und wie weit sie damit geht. Damit lehnt das Gericht unser Klageziel – die Unterbindung der Nutzung von Ramstein für diese Zwecke – ab. Nicht wirklich befriedigend, wie so oft, wenn es um das juristische Vorgehen gegen Militärpolitik geht. Dennoch eine Basis für weitere Aktionen: Die drei Kläger können Berufung gegen das Urteil einlegen, dann möge ein weiteres Gericht entscheiden.

Der Austausch diplomatischer Noten hat sich bislang nicht ansatzweise als geeignetes Instrument erwiesen. Zudem steht zur öffentlichen Debatte, ob die Bundesrepublik wirklich genügend unternimmt, um Verletzungen des Völkerrechts und Morde an Unschuldigen zu verhindern. Die Politik muss entscheiden, und wir alle können und sollten darauf Einfluss nehmen.

Wir, das heißt die Kläger aus dem Jemen und das ECCHR, werden auf jeden Fall weiter daran arbeiten. Den Spalt in der Tür, den das Urteil aus Köln offen lässt, werden wir nutzen.

Wolfgang Kaleck ist Berliner Rechtsanwalt und Generalsekretär des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Kaleck hat sich in den vergangenen Jahren mit Menschenrechtsverletzungen in Argentinien bis Abu Ghraib und Kolumbien bis Philippinen beschäftigt; aktuell ist der NSA-Whistleblower Edward Snowden einer seiner Mandanten.