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Von der Rückkehr des Geheimprozesses

 

800 Jahre Magna Carta – zu Recht wurde nicht nur in Großbritannien dieser Monate des historischen Dokumentes von 1215 gedacht. Der englische König räumte die dort garantierten grundlegenden Rechte zunächst nur dem Adel ein. Später wurde jedoch allen freien Bürgern zugestanden, nicht ohne Gesetz oder Urteil der Freiheit und anderer Rechte verlustig zu gehen. Über Jahrhunderte stand das angloamerikanische Rechtswesen auf diesem Boden. Das Recht auf ein faires Verfahren wurde hier ebenso hoch gehalten wie die Waffengleichheit zwischen den Prozessparteien.

Doch obwohl die in der Charta garantierten Rechte mittlerweile in viele Gesetzeswerke und nicht zuletzt die Europäische Menschenrechtskonvention aufgenommen wurden, wird diese Festung fundamentaler Verfahrensrechte derzeit geschliffen. Immer wenn ein Terrorismusverdacht im Raum steht, werden traditionelle Rechte beschränkt. Guantanamo ist nur das gravierendste Beispiel. Auch Administrativhaft ohne Strafverfahren und Terrorismuslisten, die den Gelisteten ohne Rechtsschutzmöglichkeit etwa den Zugang zu Bankkonten und Auslandsreisen verwehren, gehen in diese Richtung. Selbst den Enthüllern Edward Snowden und Julian Assange, die des Terrorismus unverdächtig sind, wäre es in den USA verboten, ihr Handeln vor Gericht zu rechtfertigen, da ihnen Anklagen nach dem Spionagegesetz drohen.

Eine neuere Nachricht aus dem Vereinigten Königreich betrifft Geheimprozesse gegen Terrorverdächtige. Aus Guantanamo kennen wir es schon, dass Angeklagten vor Gericht der Ton abgestellt wird, wenn sie über die falschen Dinge reden; die Zeitverzögerung der Sprechanlage im dortigen Verhandlungssaal macht es zum Beispiel möglich, Beschwerden über erlittene Folter abzuschneiden – aus Gründen der Staatssicherheit. Auch die Anwälte der Angeklagten dürfen nicht darüber sprechen, es droht sogar ein Strafverfahren im Falle eines Verstoßes. Jetzt wurde britischen Medien untersagt, über Details aus einem Strafprozess zu berichten, der kompletter Geheimhaltung unterliegen sollte. Nachdem sie erfolgreich Beschwerde eingelegt hatten, durften Medienvertreter zwar großen Teilen der Verhandlung beiwohnen und über den Freispruch gegen den Angeklagten berichten. Doch ihre Notizen wurden vom Geheimdienst MI5 beschlagnahmt und eine Wiedergabe der Freispruchsbegründung aus dem Gedächtnis wäre ebenfalls strafbar.

Die Öffentlichkeit als Korrektiv – das steht hinter dem Prinzip der öffentlichen Hauptverhandlung im Strafrecht. Gerade in den vergangenen 15 Jahren seit dem 11. September 2001 konnten wir den Wert einer – zumindest teilweise – funktionierenden Öffentlichkeit feststellen. Denn die illegalen Festnahmen und CIA-Entführungen, die Folterungen durch US-Militärs und Geheimdienste und deren Unterstützung durch europäische Regierungen wurden nicht von Strafverfolgungsbehörden und Parlamenten aufgeklärt, sondern von Watchdogs aus Medien und Bürgerrechtsorganisationen. Diesen Wächtern der Demokratie geht es gerade an den Kragen: Ob in Russland oder Indien, überall werden Vereinsgesetze verschärft, Kritiker zensiert oder gar bedroht und angegriffen.

Angesichts solcher Tendenzen autoritären Regierens ist es fatal, wenn die westlichen, angeblich liberalen, Mächte grundlegende Freiheitsrechte mit Verweis auf Terrorismus und Staatssicherheit beschränken und damit den Putins und Erdoğans eine Steilvorlage liefern.