Das Urteil gegen Facebook zeigt: Intelligent genutzte juristische Initiativen können die Politik in Bewegung setzen.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg gegen den US-Konzern Facebook hat zu Recht für Aufruhr gesorgt. Der erste Schritt ist jetzt klar: Der EuGH hat das Safe Harbour- Abkommen für obsolet erklärt. Europäische Politiker können sich also nicht länger hinter der Mär verstecken, wonach die US-amerikanischen Datenzentren, die unsere Daten speichern und sie verarbeiten, Datenschutz garantierten. Doch was daraus für Facebook und etwa viertausend weitere Internet-Unternehmen folgt, ist einstweilen ungewiss.
Hier soll es heute jedoch nicht um weitere inhaltliche Diskussionen des Urteils gehen, sondern um die Methode und das Verfahren, welche überhaupt erst zu dieser Entscheidung führten. Der Kläger Max Schrems, ein 28-jähriger österreichischer Jurist, wird mit David verglichen, der den milliardenschweren Goliath Facebook ins Taumeln gebracht hat. Da ist etwas dran; die Dimension der Ereignisse ist damit aber noch nicht angemessen beschrieben.
Schrems bediente sich der sogenannten strategischen Klageführung, im englischen ’strategic litigation‘, die unzählige Bürgerrechts- und Menschenrechtsorganisationen im anglo-amerikanischen Rechtsraum seit Dekaden nutzen. Die juristischen Mittel – Beschwerden, Klagen, Strafanzeigen– werden zum Teil über Jahre von Rechtsanwälten, Aktivisten und Organisationen vorbereitet, von weiteren juristischen Experten oder Gremien unterstützt und schließlich eingereicht.
Oft geht es um Fragen von hohem öffentlichem Interesse, die juristische Arbeit wird mit Kommunikationsarbeit begleitet. Es sind juristisch-politische Schlachten, bei denen es den Klägern und den unterstützenden Gruppen um mehr geht als den juristischen Erfolg im Einzelfall. Das Ziel ist es, systemische Probleme und strukturelles Unrecht aufzuzeigen und zu beheben.
Auch meine Organisation, das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), arbeitet so.
Schrems und seine Mitstreiter haben über vier Jahre lang alle möglichen juristischen Instrumente ausprobiert. Zunächst reichten sie 2011 Anzeigen beim irischen Data Protection Commissioner (DPC) ein, die für Facebook zuständig ist, weil die Europazentrale des Unternehmens dort ihren Sitz hat. 2015 folgte eine Sammelklage vor dem Landesgericht in Wien. Am Ende beschäftigte sich der EuGH damit. Nicht die eine geniale Idee über Nacht hat zu dem spektakulären Urteil geführt. Sondern die sorgfältige juristische Analyse eines rechtlichen Missstandes gepaart mit dem Ausprobieren vieler Mittel.
Zugleich stimmten das Momentum und am Ende auch die Instanz. Das waren einerseits die Debatte nach den Enthüllungen von Edward Snowden und andererseits der EuGH, der sich in Sachen Menschenrechten profilieren möchte und überdies beim Thema Datensicherheit schon im Falle der Vorratsdatenspeicherung und beim „Recht auf Vergessen“ seine Sensibilität unter Beweis gestellt hat.
Wenig ist passiert, seit Edward Snowden alles riskiert und uns ins Bild gesetzt hat; am wenigsten kam von denen, die beruflich mit der Wahrung öffentlicher Interessen und damit der Bürger- und Menschenrechte betraut sind, den Politikern und den Ministerien. Das Netzwerk um Schrems und OpenDataCity sowie LobbyPlag.eu hat diesen Totalausfall sichtbar gemacht – und die Lücke zu füllen versucht.
Der Facebook-Fall kann uns daher als Inspiration und Modell dienen: Intelligent genutzte juristische Initiativen können die Politik in Bewegung setzen.