Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Frischer Wind an den juristischen Fakultäten

 

Egal bei welchem Thema, ohne Änderungen in Erziehung und Bildung sind nachhaltige Veränderungen schwer zu erreichen – und insofern ist es auch kaum ein Wunder, dass deutsche Juristinnen und Juristen in der internationalen Menschenrechtsszene eher unterrepräsentiert sind. Lange spielten die Menschenrechte, wie sie vor allem im internationalen Recht niedergeschrieben sind, in der juristischen Ausbildung hierzulande keine Rolle.

Das Jura-Studium war auf den nationalen Rechtsraum ausgerichtet und Deutsch oft die einzige Sprache, die in den Fakultäten vorkam. Dabei haben der europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Europäische Gerichtshof schon seit langem großen Einfluss auf Strafrechts-, Arbeitsrechts- oder Ausländerrechtsfälle.

Dieses Defizit war nun Thema bei der Jubiläumsfeier der Law Clinic Grund- und Menschenrechte der Humboldt Universität. In Berlin wurde vor fünf Jahren diese erste explizit auf Menschenrechte ausgerichtete Law Clinic in Deutschland gegründet. Die Law Clinic-Bewegung kommt aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum und ist dort seit Jahrzehnten anerkannter Teil der Juristenausbildung. Studierende arbeiten gemeinsam mit ProfessorInnen sowie Bürgerrechts-, Antidiskriminierungs- und Menschenrechtsorganisationen an konkreten Fällen.

Natürlich dient diese praktische Ausrichtung dazu, die Studierenden für den Arbeitsmarkt und dessen Anforderungen attraktiver zu machen. Gleichzeitig haben aber auch hunderte namhafter Bürger- und MenschenrechtlerInnen über die Law Clinics und die dortige Zusammenarbeit mit engagierten Gruppen ihre Berufung als progressive und kämpferische JuristInnen gefunden. Dieser praxisnahe Ansatz entspricht nach wie vor nicht gerade dem Modell, der in der Juristenausbildung in Deutschland vorherrscht.

Umso erfreulicher ist es, dass sich die Berliner Clinic, zunächst unter Leitung der heutigen Bundesverfassungsrichterin Professorin Susanne Baer und aktuell unter Professorin Sarah Elsuni, im Laufe der letzten fünf Jahre innerhalb und außerhalb der juristischen Fakultät etablieren konnte. Spannend auch, dass derzeit in vielen Universitätsstädten Initiativen an der Gründung von Refugee Law Clinics arbeiten.

In Hamburg, Bremen, Regensburg und Berlin haben sich ebensolche bereits gegründet. Das war allerhöchste Zeit, denn die staatlichen Stellen – denen es eigentlich obliegt – gewährleisten eine angemessene rechtliche Betreuung der Tausenden nach Deutschland Geflüchteten seit langem nicht. Mit uninformierten Menschen lässt sich einfacher umspringen. Die engagierte Anwaltschaft ist mit der schieren Zahl der Ratsuchenden überfordert, zumal sie – wenn überhaupt – nur mit geringer Bezahlung rechnen kann. Die auf Ausländerrecht spezialisierten Kolleginnen und Kollegen schwanken zwischen Überlastung und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Bewegung der Studierenden in den Law Clinics kann daher eine wichtige Rolle ausfüllen: Gut geschulte und betreute studentische BeraterInnen erreichen mehr Menschen, können administrative und einfache rechtliche Angelegenheiten schnell klären und die wirklich problematischen Fälle herausfiltern und an erfahrene AnwältInnen verweisen.

Zudem hat der freiwillige Einsatz eine politische Dimension: Die traditionelle JuristInnenausbildung befasst sich meist nur mit dem geschriebenen Recht, oft wird von mehreren möglichen Meinungen nur die herrschende Lehre behandelt. Eine Auseinandersetzung damit, wie Rechte in der gesellschaftlichen Realität durchgesetzt werden, zumal die Rechte von Unterprivilegierten, findet kaum statt. Produziert wurden in einem nach europäischen Maßstäben überaus langen Studium gut dressierte Fachidioten.

Dass dieses Bild überzeichnet ist, gebe ich mit Blick auf die Veranstaltung an der Humboldt Universität und auf die vielen neuen Clinic-Initiativen gerne zu. Denn dort präsentieren sich ganz junge, jüngere und nicht mehr ganz so junge Juristinnen und Juristen, die alle die kritisierte Universitätsausbildung durchlaufen haben, und sich nun auf kritische, engagierte Weise einbringen.

Oft lässt sich ein progressives Berufsbild jedoch nur in bestimmten Nischen der Fakultäten umsetzen Und selbst diese Freiräume drohen bei zunehmender Verschulung des Studiums sowie unter dem Druck der fehlenden Arbeitsmöglichkeiten als engagierte JuristInnen kleiner zu werden. Umso ermutigender sind daher die aktuellen Initiativen von Studierenden im Bereich der Flüchtlings- und Menschenrechte.