Was tun, wenn die NPD versucht, öffentliche Räume zu mieten? Wie reagieren, wenn ein rechtsextremes Geschäft im Kiez eröffnet? Die Stadt Berlin zeigt, wie alle Bezirke sich gemeinsam gegen Neonazis wehren können. Neue Mietverträge sollen Parteitage in öffentlichen Gebäuden und Nazi-Läden in privaten Ladenlokalen verhindern. Ein Konzept das bundesweit Schule machen könnte.
„Gemeinsam und einheitlich“ wollen die zwölf Bezirke in Zukunft mit der „raumgreifenden Strategie“ der rechten Szene umgehen. Im Roten Rathaus stellten vier Bezirksbürgermeister am Montag stellvertretend die gemeinsame Erklärung zum Umgang mit Neonazis vor. Ziel sei es, Ideen, rechtliche Möglichkeiten und Erfahrungen in der kommunalen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus weiterzugeben und zu nutzen.
Kern der deutschlandweit einmaligen Absprache ist es, dass alle Bezirke einen neuen Mietvertrag bei der Vergabe von öffentlichen Räumen nutzen. Darin werden rassistische, antisemitische und antidemokratische Äußerungen explizit untersagt. Zudem muss der Mieter sich bereiterklären, einen Bezirksvertreter zur Veranstaltung zuzulassen, der die Einhaltung des Vertrages kontrolliert. Als „kleine Berliner Erfolgsgeschichte“ bezeichnete die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), Bianca Klose, die von ihrem Team entwickelte Vertragsklausel. Mehrfach sei der Mustervertrag schon erfolgreich zum Einsatz gekommen, zuletzt beim NPD-Parteitag im Sommer letzten Jahres. Die Veranstaltung wurde durch die Klausel zwar nicht verhindert, schränkte die NPD aber massiv ein. Die Partei klagt derzeit dagegen vor dem Verwaltungsgericht. „Dass jetzt alle Bezirke diesen Vertrag nutzen, ist ein sehr offensiver Schritt mit bundesweitem Vorbildcharakter“, betont Klose.
„Es gibt viele juristische Möglichkeiten, Neonazis die Nutzung von Räumen zu verwehren, man muss sie nur ausschöpfen“, sagte Rechtsanwalt Sven Richwin, der für die MBR den Mustervertrag entworfen hat. So wollen die Bezirke laut der Vereinbarung auch private Vermieter bitten, einen Zusatz in ihre Verträge aufzunehmen, der die Nutzung der Räume durch Rechtsextreme oder den Verkauf von Szeneartikeln ausschließt.
Eingeladen hatte zu der Veranstaltung die Bezirksbürgermeisterin von Lichtenberg Christina Emmrich (Linke). Fast drei Stunden lang diskutierten dabei Verwaltungsmitarbeiter, Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen und Politiker unter dem Motto „Gemeinsam Handeln. Berliner Bezirke für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ in drei Fachforen über ihre Erfahrungen mit Rechtsextremismus. „Wir haben gemerkt, dass hier ein vorhandener, aber noch nicht gehobener Erfahrungsschatz liegt“, sagte Emmrich bei dem Treffen. „Es geht darum, Berlin für Neonazis so unattraktiv wie möglich machen“, fasste es ihre Amtskollegin aus Treptow-Köpenick, Gabriele Schöttler (SPD), zusammen. Sie berichtete über die Bemühungen ihres Bezirks, das rechtsextreme Szenelokal „Henker“ schließen zu lassen. Sie sei optimistisch, dass dies durch die intensive Zusammenarbeit von Bezirk, Vermieter und Zivilgesellschaft bald gelingen werde.
Der Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Kopp (CDU), berichtete, wie die NPD zuletzt erfolglos einen Raum in seinem Bezirk mieten wollte. Die Klausel mit dem Verbot rechtsextremer Äußerungen strichen die Rechten einfach durch. „Damit war der Vertrag natürlich ungültig.“ Die Räume wurden anschließend für denselben Tag an die CDU vermietet.
Einig war man sich aber auch darüber, dass der Kampf gegen die rechtsextreme Infrastruktur „mühsam, langwierig und nur mit Hilfe juristischer Mittel zu gewinnen“ sei.