Ein neues Buch gibt erschreckende Einblicke in die rechtsextreme Szene in Osteuropa.
Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen
Man stelle sich vor, am Sonntag nach Ostern würde in Deutschland gewählt und die Umfragen würden der NPD 15 Prozent der Stimmen versprechen. Die Aufregung wäre ungeheuer, das Ende der Demokratie würden viele prophezeien. Ein solches Szenario klingt unrealistisch, doch in einem anderen Land der EU könnte es am 11. April Realität werden: Gregor Mayer und Bernhard Odehnal warnen vor rechtsextremen Bewegungen in Osteuropa.
In Ungarn liegt die rechtsextreme Partei Jobbik, die zur NPD Kontakte unterhält, eben bei 15 Prozent. Das entspricht nahezu dem Ergebnis, das sie in der Europawahl im Juni 2009 erzielte; da waren es 14,8 Prozent. Und es ist nicht auszuschließen, das Jobbik der nächsten ungarischen Regierung angehört. Denn die große konservative Oppositionspartei Fidesz, die vermutlich die Wahlen gewinnen wird, neigt zu Nationalismus und Rechtspopulismus. Die jetzt im Wahlkampf beteuerte Distanz zu Jobbik wirkt nur bedingt glaubwürdig. Driftet Ungarn nach Rechtsaußen ab?
Das Risiko ist jedenfalls beträchtlich, wie die Journalisten Gregor Mayer und Bernd Odehnal in ihrem Buch „Aufmarsch – die rechte Gefahr aus Osteuropa“ mit viel Detailkenntnis schildern. Und es ist nicht nur Ungarn, wo der Hass auf Roma und Juden weit verbreitet ist. Die Kapitel über die Situation in Tschechien, der Slowakei, in Kroatien, Serbien und Bulgarien künden alle von rechtsextremen Umtrieben, denen oft zu wenig Widerstand entgegengesetzt wird. Mit der nötigen Entschlossenheit scheinen sich Staat und Zivilgesellschaft heute nur in Tschechien mit den Fanatikern auseinanderzusetzen. Zuvor gab es den Schock vom November 2008 – da hatten 1000 Neonazis und Mitglieder der rechtsextremen „Delnická strana“ (Arbeiterpartei) in der Stadt Litvinov das Viertel der Roma angegriffen. Die Polizei war erst nach mehrstündiger Straßenschlacht wieder Herr der Lage. Litvinov wurde in Tschechien ein Synonym für rassistische Gewalt wie Hoyerswerda und Rostock in Deutschland. Und wie in der Bundesrepublik folgte in Tschechien den Krawallen harte Repression: Im Februar 2010 hat das oberste Verwaltungsgericht in Brno (Brünn) die Arbeiterpartei verboten.
In den anderen Staaten, die in dem Buch erwähnt werden, grenzen sich Staat und Gesellschaft nur lau von Ultrarechten ab. In Ungarn wurde das 2008 ergangene Verbot der „Ungarischen Garde“, dem paramilitärischen Arm von Jobbik, nicht durchgesetzt. Und in der Slowakei ist sogar die nationalistische „Slovenská národná strana“ (Slowakische Nationalpartei) Mitglied der Regierungskoalition des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Robert Fico. Obwohl sein Koalitionspartner mit der Hetze gegen die ungarische Minderheit die Beziehungen zu Ungarn belastet. Die könnten noch schlechter werden, sollten die rechtsextremen Großungarn-Träumer der Jobbik demnächst in Budapest mitregieren dürfen. Es ist das Verdienst von Mayer und Odehnal, über eine Gefahr aufzuklären, die im Westen der EU kaum wahrgenommen wird. Das Buch hätte allerdings mit mehr Sorgfalt redigiert werden sollen. Dann wären Fehler wie die Behauptung, in Deutschland hätten die „Republikaner“ im Bundestag gesessen, zu vermeiden gewesen.