Comics haben als Aufklärungsmaterial gegen Rechtsextremismus Konjunktur. Aber auch Neonazis nutzen sie für sich.
Hühner als böse Ausländer, Enten als dumme, geldgierige Durchschnittsdeutsche und stolze Gänse als arische Retter des Vaterlandes. So stellt sich die Jugendorganisation der rechtsextremen NPD, „Junge Nationaldemokraten“, die Welt in Comicform vor. Als vergangenes Jahr der Nazi-Comic „Enten gegen Hühner – Der große Kampf“ vor Schultoren verteilt wurde, waren das mediale Interesse und die Bestürzung von Politikern groß. Inzwischen ist klar: Kaum ein Schüler wird das schlecht gereimte und mäßig gut gezeichnete Heft ernst genommen haben. „Wenig innovativ und künstlerisch wie inhaltlich zu platt“, fasst Michael Nattke vom Verein Kulturbüro Sachsen zusammen. Bei den Schülern in der Region stieß nach seinen Beobachtungen das massiv verteilte Heft auf wenig Interesse.
Das Beispiel zeigt, dass auch Neonazis das Medium Comic zu nutzen wissen. Wissenschaftlich wurde das Thema bislang kaum beachtet. Um das zu ändern, haben sich in den vergangenen drei Tagen erstmals Comicfans und Experten zu einer Fachtagung getroffen, um im baden-württembergischen Bad Boll über rechte Comics und Gegenstrategien zu sprechen. „Fast 80 Comiczeichner, Lehrer, Wissenschaftler und Comicnerds bis hin zu Mitarbeitern des Jüdischen Museums und des Anne-Frank-Hauses nehmen teil“, sagt Klaus Farin, Leiter des Archivs der Jugendkulturen, das die Veranstaltung organisiert.
Es gab Vorträge, Workshops und Diskussionen rund um politische Comics. Ende des Jahres sollen die Beiträge und Ergebnisse der Tagung als Buch veröffentlicht werden.
Die Idee stammt von Ralf Palandt. Der Kommunikationswissenschaftler ist Gründungsmitglied der „Gesellschaft für Comicforschung“. Besonders intensiv hat er sich mit Comics von Neonazis und Zeichnungen der Nazigegner beschäftigt. „Viele Menschen glauben, es gäbe keine Comics der rechtsextremen Szene, weil Nazis das Genre als undeutsch ansehen würden“, sagt Palandt. Bei seinen Recherchen entdeckte er jedoch zahlreiche rechte Veröffentlichungen. Auch in der Schulhof-CD der Partei, die seit einigen Jahren kostenlos verteilt wird, ist im Booklet ein rassistischer Comic abgedruckt. „Auffällig sind die inhaltlichen Parallelen zwischen den Comics und Rechtsrock, der als Einstiegsdroge in die Szene gilt.“ Stets gehe es darum, die rechten Feindbilder zu reproduzieren: Punks, Linke, das Judentum, die Bundesrepublik oder die USA. Mal verprügelt ein nachgezeichneter Obelix alternative Jugendliche, mal werden in NS-Manier gemalte Karikaturen von Menschen jüdischen Glaubens mit „Hakennase“ und den Taschen voller Geld abgedruckt.
Palandt sieht in Comics aber auch die Chance, gegen rechtsextreme Tendenzen bei Jugendlichen zu arbeiten. „Bilder wirken eindringlicher als abstrakte Schulbuchtexte“, sagt er. Ein gutes Beispiel sei das vom Anne-Frank-Haus herausgegebene Album „Die Suche“. Darin wird eindrucksvoll die Lebensgeschichte von durch die Nazis verfolgten Juden erzählt. In vielen Schulen wird der Comic mittlerweile im Unterricht verwendet.
Eine Studie des Anne-Frank-Zentrums zeigt, dass nicht nur Lehrer, sondern auch Schüler „Die Suche“ als Unterrichtsmaterial für sinnvoll halten. Sie schätzen nach eigener Aussage vor allem „die ausdifferenzierten Darstellungen“ von Opfern, deren Helfern, Mitläufern und Tätern.
Aber ist es wirklich möglich, dass ein rechter Jugendlicher sich durch einen Comic von der braunen Ideologie lossagt? „Nein, das können Medien allein sicher nicht erreichen“, sagt Farin. Aber ein gut gemachter Comic könne helfen, Vorurteile zu hinterfragen. „Normalerweise sitzt man nicht auf dem Schulhof und sagt: Lass uns über Rassismus diskutieren.“
Auch Zeichner Peter Schaaff trat bei der Tagung als Redner auf. Er hat für den Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen die Comicfigur „Andi“ erschaffen, um Jugendliche über Neonazis, Islamisten und Autonome aufzuklären. Von jedem Heft wurden weit über 100 000 Exemplare kostenlos an Schulen verteilt. Ungewöhnlich großer Beliebtheit erfreut sich Teil 3, Titel: „Andi – Voll die Randale“, bei dem der Protagonist an militante Linksradikale gerät. Die allerdings feiern in der Realität die Fantasiefigur Andi mit einem Augenzwinkern als einen von ihnen. Im Internet finden sich dutzende Antifa-Plakate, Videos und Aufkleber mit Szenen aus der Geschichte. Teilweise sind die Texte verändert, teilweise wurden einfach Bilder, auf denen den Aussagen der Autonomen widersprochen wird, weggelassen.