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Die Täter wollten einen „Assi aufklatschen“ – Gedenken an Dieter Eich

 

Mit einer Gedenkdemonstration wollen am Sonntag in Berlin-Buch Antifagruppen und Bürgerinitiativen an den 2000 von Neonazis ermordeten Dieter Eich erinnern. „Da der Berliner Norden und Nordosten nach wie vor durch seine Problematik mit Neonazis auffällt, ist es umso wichtiger hier eine Sensibilisierung zu erreichen – das Wegschauen hat niemals etwas bewirkt“, heißt es in dem Aufruf des Bündnisses „Niemand ist vergessen“. Zwei Tag nach der Demonstration, am 25. Mai, soll es eine Kranzniederlegung vor dem Wohnhaus von Eich geben.

Ein Auszug aus dem Aufruf des Gedenkbündnisses:

Dieter Eich lebte lange Zeit in einer Laube in einer Blankenburger Gartenanlage. Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin zog er nach Pankow-Buch in deren Wohnung in der Walter-Friedrich-Straße 52. Zu dieser Zeit bezog er Sozialhilfe. Wegen seiner Frisur war er in der Nachbarschaft als „Beethoven“ bekannt. Im selben Haus wohnte auch Dieter Eichs späterer Mörder René R. (18 Jahre / geb. 1982), Neonazi und Sohn eines ehemaligen BGS-Beamten.

Einen „Assi aufklatschen“

René R.‘s Wohnung war zu diesem Zeitpunkt regelmäßiger Treffpunkt für R.’s rechten Freundeskreis. Laut Anwohnern kamen es aus der Wohnung und deren näherer Umgebung durch die Clique immer wieder „Sieg Heil!“-Rufe. René R. feierte am 24. Mai 2000 die Einweihung seiner Wohnung zusammen mit seinen drei „Kameraden“ Andreas I. (19 Jahre / geb. 1982), Thomas S. (17 Jahre / geb. 1983) und Matthias K. (21 Jahre / geb. 1979). Erst drei Wochen zuvor war er aus dem elterlichen Haus ausgezogen.

Am Karower Eck, einer Imbissbude in der Gegend, betranken sie sich und holten Alkohol für das anstehende Trinkgelage. Auf dem Weg zu R.’s Wohnung grölten sie rechte Parolen und beleidigten in einer Grünanlage einen Afrikaner mit rassistischen Pöbeleien. Abends hörten sie rechte Musik, tranken und hetzten. Es wurde erst über Migranten hergezogen, später über „Asoziale“. Die Neonazis fassten den Entschluss Dieter Eich, der in Gegend als „Alki“ galt, eine Lektion zu erteilen. Die Initiative einen „Assi aufklatschen“ zu gehen ging dabei maßgeblich von Matthias K. aus.

Die Gruppe machte sich von der sechsten Etage des Wohnblocks auf den Weg in die neunte. Problemlos gelangten sie in Dieter Eichs Wohnung, da deren Tür bereits länger kaputt war. Als René R. und Matthias K. auf der Suche nach Spirituosen nicht fündig wurden begaben sie sich ins Schlafzimmer. Dort fanden sie ihr Opfer schlafend vor und begannen auf Dieter Eich mit Schlägen und Tritten zu traktieren. Immer wieder traten sie gezielt gegen den Kopf und in die Magengegend. Während Matthias K. und René R. auf den wehrlosen Dieter Eich einschlugen, hielten Andreas I. und Thomas S. im Flur Wache. In der Wohnung von R. wieder angekommen bekamen sie Angst ihr Opfer könne sie wieder erkennen. Eine Stunde später entschlossen sie sich Dieter Eich umzubringen, um ihn mundtot zu machen. R. hatte hierfür das Jagdmesser seines Vaters mitgebracht. Mehrmals stach er auf Dieter Eich ein und rammte ihm letztendlich die 11 Zentimeter lange Klinge direkt ins Herz.

Kurze Zeit nach der Tat begaben sich Andreas I., Thomas S. und Matthias K. ein drittes Mal an den Tatort, um die Spuren des Mordes zu beseitigen. Den betrunkenen und übermüdeten Rene R. ließen sie indes in seiner Wohnung zurück. Sie beseitigen die Fingerabdrücke und Blutspuren, auch im Treppenhaus. Dem volltrunkenen René halfen sie aus seiner blutigen Kleidung, stecken diese samt Springerstiefeln in eine Plastiktüte und entsorgen sie im Müllschlucker eines anderen Hochhauses. Das Messer warfen sie weg.

Dieter Eich starb im Alter von 60 Jahren. Der Stich in die Herzgegend durchtrennte zwei der Herzschlagadern und ließ ihn innerlich verbluten. Ein Freund fand ihn blutüberströmt in dessen verwüsteter Wohnung, wo sie sich zum Kaffe trinken verabredet hatten.

„Der musste weg, der war asozialer Dreck.“

Am Tag darauf prahlte René R. damit „seinen ersten Menschen abgestochen“ (2) zu haben. „Matze“, (Matthias K.) hatte ihn bereits kurz nach der Tat dafür gelobt: „Das hast du gut gemacht. Der musste weg, der war asozialer Dreck.“ Zu diesem Zeitpunkt pflegte K. gute Kontakte zu Arnulf Priem, einem langjährigen Aktivisten der ost- und westberliner Neonaziszene. K. und R. besuchten einen Tag nach der Tat Arnulf Priem in dessen Wohnung im Wedding. Wie einige der Angeklagten später vor Gericht angaben, war Priem auch bei Kameradschaftsabenden zugegen, an denen sie teilgenommen hatten und an denen er unter anderem „deutsches Schriftgut“ vortrug. Die Tatsache, dass Priems Stammanwalt Aribert Streubel den Angeklagten Matthias K. im Laufe des Prozesses vertrat, legt nahe, das René R. und Matthias K. bei Priem nicht bloß zum Kakao trinken vorbei schauten, sondern gezielt dessen Rat ersucht hatten.

23. Mai 2010, Berlin
„Niemand ist vergessen!“-Demonstration
14.00 Uhr, S-Bhf. Buch

25.Mai 2010, Berlin
Gedenken am Wohnhaus von Dieter Eich
Treffpunkt: 17.30 Uhr, S-Bhf. Buch
Kranzniederlegung: 18.00 Uhr,
Walter-Friedrich-Straße 52

Alle Informationen zu der Gedenkaktion unter www.niemand-ist-vergessen.de