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Eine fiese Linke: Politische Gewalt in den Medien

 

Von Nazis geschmierte Morddrohung gegen Mitarbeiter einer Initiative gegen Rechts in Zossen

»Linke Gewalt nimmt drastisch zu« titelt die Welt, in der BILD darf der Chef der deutschen Polizeigewerkschaft vor einem »Comeback des linken Terrors« warnen, die taz notiert die »Entdeckung des Linksextremismus« durch die CDU.
1822 Gewalttaten aus der linksextremen Szene hat das Bundesinnenministerium im Jahr 2009 registriert, 53 Prozent als noch im Vorjahr. Innenminister de Maizière warnt beständig vor der linken Gefahr, zumal die politisch motivierte Gewalt aus der rechten Ecke mit 959 Fällen im vergangenen Jahr sogar leicht abnahm. Es drängt sich die Frage auf: Ist linke Gewalt also ein größeres Problem als rechte?

Ein Kommentar von Dummy-Autor Arne Semsrott

Zunächst einmal sind sie grundverschieden. Gewalt von rechts ist in weiten Teilen Deutschlands, besonders im Osten zu beobachten. In manchen Dörfern Mecklenburgs werden die einzigen Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche von Nazigruppen angeboten. Dagegen werden größtenteils in Großstädten Menschen oder Sachen Opfer linker Gewalt. In Hamburg war die Anzahl der politisch motivierten Gewalttaten von links pro Einwohner im Jahr 2008 mit Abstand am größten.

Auch ist das Ziel rechter Gewalt unterschiedlich von den Absichten linker Gewalttäter. 85 Prozent der rechten Gewalttaten waren im Jahr 2008 Körperverletzungen, dazu kamen zwei Tötungsdelikte und vier versuchte Tötungsdelikte. Auf der linken Seite machen Brandstiftungen und auch Landfriedensbruch einen deutlich größeren Teil der Gewalt aus: 2008 waren 51 Prozent der Taten Körperverletzungen.

Wenn de Maizière mahnt, linke Gewalt werde in der Gesellschaft unterschätzt, trägt er für diesen Umstand selbst auch große Verantwortung. Die Zahlen, die das Innenministerium und der Verfassungsschutz alljährlich zu politisch motivierter Gewalt veröffentlichen, lassen nämlich keine wirkliche Analyse der gesellschaftlichen Entwicklungen und eine Aufschlüsselung der Motive politischer Gewalt zu. Der empörte Aufschrei de Maizières, 2009 habe es erstmals mehr Körperverletzungen durch Linke als durch Rechte gegeben, wirkt insziniert. Schließlich wird dabei nicht einmal zwischen passivem Widerstand bei einer Festnahme (zum Beispiel bei Demonstrationen) und aktiver Körperverletzung unterschieden.

Stattdessen eignen sich die Veröffentlichungen des Innenministeriums bestenfalls zu politischer Propaganda. Familienministerin Kristina Schröder wollte nach ihrem Amtsantritt im Dezember 2009 Geld aus dem Haushaltstopf für Bekämpfung rechter Gewalt dem Kampf gegen Extremismus aller Art umwidmen.Nach einem Aufschrei von Politik und Medien war dieser Vorschlag vorerst vom Tisch, allerdings macht Schröder in Zukunft jährlich einige Millionen Euro zusätzlich für den Kampf gegen Linksextremismus locker – auch wenn noch nicht klar ist, wie dieser aussehen soll.

Noch in ihrer Funktion als Extremismusbeauftragte der Union und unter dem Namen Köhler warf Schröder 2006 in einer Bundestagsdebatte den Linken vor, Verbrechen der kubanischen Regierung zu verharmlosen. Anlass der Debatte war Rechtsextremismus in Ostdeutschland.

Aber auch die SPD bekleckert sich nicht allerorts mit Ruhm: Anfang März ging in Berlin-Neukölln die rot-grüne Bezirkskoalition zu Bruch, weil die Sozialdemokraten in einer Erklärung zu rechtsextremen Gewalttaten auch linke Gewalt verurteilen wollte.

Linke und rechte Gewalt aber gegeneinander aufzurechnen, ist fatal. Beide sind nicht zu entschuldigen, von Rechtsextremen geht aber eine ungleich höhere Bedrohung aus. Seit 1993 gab es mehr als 140 Todesopfer rechter Gewalt in Deutschland. Todesopfer linker Gewalt gibt es dagegen keine.