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Singender Neonazi will Bundespräsident werden

 

Nazi-Barde Rennicke versucht zum zweiten Mal Bundespräsident zu werden © dpa
Nazi-Barde Rennicke versucht zum zweiten Mal Bundespräsident zu werden © dpa

Auch die NPD hat einen Kandidaten für die Bundesversammlung aufgestellt. Doch der rechte Liedermacher Frank Rennicke findet selbst im eigenen Lager wenig Unterstützung.

Von Hauke Friederichs

Drei Stimmen von 1244 sind ihm sicher, mehr nicht. Dennoch präsentierte sich Frank Rennicke selbstbewusst auf dem Bundesparteitag der NPD in Bamberg als Kandidat für die Bundespräsidentenwahl am 30. Juni. Der rechtsextreme Liedermacher trat im grünen Trachtenjanker und mit straffem Seitenscheitel vor seine „Kameradinnen und Kameraden“.

Mit rrrrollendem R und stakkatohafter Rede geißelte er die undemokratische, zweite Wahl von Horst Köhler im vergangenen Jahr, zu der ihm die NPD ebenfalls nominiert hatte. Da die NPD in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und von Sachsen vertreten ist, stellt sie auch Wahlmänner für die Bundesversammlung. Drei sind es insgesamt, im vergangenen Jahr kam noch eine Wahlfrau der DVU dazu. Da die Deutsche Volksunion allerdings bei der vergangenen Wahl aus dem Landtag von Brandenburg flog, hat Rennicke nun schon eine Stimme weniger – immerhin 25 Prozent seines vergangenen Wahlergebnisses.

Gern nennt Rennicke die böse „Systempresse“ als Grund dafür, warum er bei der Bundesversammlung nicht mehr Erfolg hatte – und haben wird. Doch auch die eigenen Leute kritisiert er: Er habe sich mehr Unterstützung für seine Kandidatur gewünscht, klagt er.

Unumstritten im eigenen Lager ist Rennicke auch diesmal nicht. Die freien Kameradschaften um Thomas Wulff hätten lieber den SS-Mann Erich Priebke aufgeboten, der in Italien wegen Kriegsverbrechen unter Hausarrest steht. Doch die Mehrheit im Vorstand votierte dann für Rennicke. Diesmal soll der „vierte Kandidat“ besser vermarktet werden. Deswegen plant die NPD mehrere Aktionen mit Rennicke und den Jungen Nationaldemokraten (JN) in Sachsen-Anhalt. Dort wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt, in den die Rechtsradikalen einziehen wollen.

Und so ist Rennickes Kandidatur auch eher als Wiederbelebungskampagne einer angeschlagenen Partei zu verstehen. In der rechten Szene ist er einer der erfolgreichsten und bekanntesten Liedermacher. Udo Pastörs, Fraktionschef der NPD im Schweriner Landtag, beschwor in Bamberg die große Bedeutung Rennickes für die Szene. Und diese Einschätzung wird vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz geteilt. „Zu den umtriebigsten Szene-Musikern zählt Frank Rennicke, der als eine wichtige Integrationsfigur innerhalb der rechtsextremistischen Szene gilt. Rennicke dürfte der meistbeschäftigte Liedermacher in diesen Kreisen sein und hat inzwischen über 20 Tonträger veröffentlicht“, heißt es in der Broschüre „Menschenverachtung mit Unterhaltungswert“.

Zur Szene gehört er seit vielen Jahren. Rennicke war Jugendführer bei der 1994 verbotenen Wiking-Jugend und schloss sich später der NPD an. Er spielt regelmäßig bei Parteiveranstaltungen und Treffen der Jugendorganisation der NPD. Auch zu der jüngst verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend sollen Rennicke und seine Frau enge Beziehungen gepflegt haben. Der singende Neonazi verkörpert mit seinen sechs Kindern das Familienbild der NPD. Alle Kinder seien mit derselben Frau gezeugt, versichert Rennicke in seiner Vorstellung auf dem Parteitag. Für seine Rede scheint er nach historischen Vorbildern aus dem Dritten Reich gesucht zu haben. Adolf Hitler erwähnt er nicht – spricht aber ein wenig wie der Diktator. Seine Sympathie für Rudolf Heß, Stellvertreter des Führers, der sich während des Zweiten Weltkriegs im Flugzeug nach England absetzte, verklärt er hingegen offen zum „Friedenshelden“. Ihm hat er auch eines seiner Lieder gewidmet.

Auch in seinen Werken pflegt Rennicke ein dubioses Geschichtsbild: Er besingt Wehrmachtsoldaten als Helden, deren Ehre von undankbaren Enkeln heute befleckt werde. „Mit schlichten Texten von Fremdautoren bzw. noch schlichteren aus eigener Feder bietet er ein simplifiziertes, völlig verzerrtes Bild der Vergangenheit, schreckt nicht vor ‚heimattreuem‘ Kitsch zurück, expliziter Volksverhetzung, der nackten Verherrlichung des Zweiten Weltkrieges und des millionenfachen Sterbens“, steht in einem Aufsatz des Forschungszentrums Populäre Musik der Humboldt Universität. Rennicke sei musikalisch nur sehr mäßig begabt. Aber um die Qualität des Gesangs geht es seinen Anhängern wohl auch nicht – was zählt ist die Ideologie. In dem Lied Die neue Internationale hetzt Rennicke gegen die Zuwanderung von Ausländern: „Strömt herbei, Ihr Völkerscharen, keine Grenze hält euch stand und wir Deutschen sind in Jahren nur noch Gast in unserem Land.“

„Die Texte sind vielfach nationalistisch und fremdenfeindlich“, schreibt der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen. Aufgrund seines Heimatvertriebenen-Liedes hat das Landgericht Stuttgart Rennicke im Oktober 2002 wegen Volksverhetzung zu 17 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Die Stuttgarter Richter hatten damit das Strafmaß des Amtsgerichts Böblingen von November 2000 noch deutlich erhöht. Das Bundesverfassungsgericht hob dann aber das Urteil mit dem Hinweis auf die künstlerische Freiheit zu großen Teilen auf.

Zahlreiche Tonträger Rennickes wurden indiziert – darunter das Album Ich bin nicht modern – Ich fühle deutsch. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien führt derzeit neun CDs des Musikers auf der Indizierungsliste. Gründe dafür seien unter anderen „Verherrlichung des Nationalsozialismus“ und „Anleitung zum Rassenhass“, heißt es bei der Behörde. Verboten wurden die Texte allerdings nicht – Rennicke dichtet mittlerweile geschickt an möglichen Strafanklagen vorbei.

Verbreitung finden seine Lieder über das Internet – auf zahlreichen Seiten ist seine Musik zu hören – große Anbieter wie Last.fm sperren allerdings meist die Lieder. Auf Rechts-Rock-Samplern und der Schulhof-CD der NPD, die als Propaganda kostenfrei an Schüler verteilt wird, sind Rennickes Lieder ebenfalls vertreten.

Rennicke, 1964 geboren, hat Installateur gelernt, als Hausgerätetechniker und als Berater im technischen Außendienst gearbeitet. Rennicke wuchs in Braunschweig auf, sein Vater, ein Bäcker, war aus der DDR dorthin geflohen. Rennicke lebte später mit seiner Frau und den Kindern bei Stuttgart. Wegen der vermeintlichen „Überfremdung“ zog er dann in die Nähe von Rothenburg ob der Tauber. Ein weiterer Grund, gibt er zu, seien die zahlreichen juristischen Ermittlungen gegen ihn gewesen. Rennicke inszeniert sich als Opfer einer „Gesinnungspolitik“. Seit 1994 werde er wegen seiner Musik verfolgt. Die Bundesrepublik sei für ihn ein „Inbegriff der Intoleranz“ und „unehrenhaften Zeitgeist“, sagte er in einem Interview mit der Deutschen Stimme, einer NPD-Zeitung.

Gegen die letztjährige Wahl des Bundespräsidenten reichte die NPD beim Bundesverfassungsgericht eine Organklage ein. Rennickes Erfolgsaussichten am 30. Juni erhöht das nicht. Aber „dabei sein ist alles“, tröstet sich der Sänger. Auch wenn davon keiner wegen der angeblichen Gleichschaltung der Medien Kenntnis nehme. Selbst ein NPD-nahes Blatt veröffentlichte den Bericht über Rennickes Kandidatur weit hinten – auf Seite neun.