Hunderte Menschen demonstrierten am Samstag gegen den „Pro Deutschland“-Parteitag im Rathaus Schöneberg. Der Verein will nächstes Jahr zur Wahl 2011 in Berlin antreten. Kritiker befürchten Hetze gegen Muslime.
Von Tagesspiegel-Autor Hannes Heine
Die Braut im weißen Seidenkleid ist irritiert. Die Hochzeitsgäste zücken ihre Kameras und filmen eifrig, was sich nach der Trauung im Rathaus Schöneberg rund um das traditionsreiche Gebäude abspielt. Spitzenfunktionäre der rechten Szene werden hektisch von behelmten Zwei-Meter-Polizisten in das Haus geschoben, die Fäuste der Beamten stecken trotz 30 Grad Hitze in dicken Handschuhen, darin ein Pfefferspray, ab und zu wird an den Schlagstock gegriffen. Das Rathaus selbst ist – außer für Hochzeitgesellschaften – abgeriegelt. Den Haupteingang versperren Gitter.
Die gepanzerten Polizisten schützen eine Handvoll Herren mittleren Alters in Hemden und Anzügen, die zum Bundesparteitag der rechtspopulistischen Vereinigung „Pro Deutschland“ wollen. „Nazis raus“, schreit die Menge vor dem Gebäude. Mehrere hundert schwitzende Demonstranten werden von ebenso vielen schwitzenden Einsatzkräften in Schach gehalten. Linke, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Grüne kreisen um das Rathaus, mit dabei der Gründer der Loveparade, Techno-DJ Dr. Motte. Drinnen sitzen am Ende 50 Parteitagsteilnehmer.
Einer der unter Polizeischutz ins Rathaus begleiteten Rechten ist in Zehlendorf lebende schwedische Millionär Patrik Brinkmann – Verfassungsschützern galt der Ex-Anhänger der rechtsextremen Deutschen Volksunion lange als treibender Mann hinter „Pro Deutschland“. Kurz vor Brinkmanns Auftritt hatten Linke mit einer Sitzblockade angereiste Rechte zu einem Umweg gezwungen: In der Salzburger Straße standen sechs Parteitagsdelegierte dicht gedrängt an einer Hauswand. Um sie zu schützen, setzte die Polizei auch Pfeffergas ein. Und weil sich immer wieder Protestierer direkt vor der Polizeikette auf den Boden setzten, rollte schließlich ein Einsatzwagen an, die Beamten eskortierten die „Pro Deutschland“-Anhänger in den Bus und fuhren auf die andere Seite des Rathauses. Einige Linke erhielten Platzverweise, einer wurde vorläufig festgenommen, ansonsten blieb es weitgehend friedlich.
Am Freitag hatte sich auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) für friedliche Protesten gegen den Bundesparteitag ausgesprochen, gesehen wurde er am Sonnabend aber nicht. Dirk Stegemann, Sprecher des Protestbündnisses, wies auf der Demonstration wiederholt darauf hin, dass „Pro Deutschland“ unter dem Deckmantel von Islamkritik schlicht rassistische Parolen verbreite. Die Rechtspopulisten begannen vor fünf Jahren als „Pro Köln“, bei den dortigen Kommunalwahlen 2009 zogen sie mit 5,4 Prozent in den Stadtrat ein. Durch Warnungen vor Einwanderern im Allgemeinen und Muslimen im Besonderen sollen sowohl Rechtsextreme als auch Nationalkonservative vereint werden. Außerdem fordert „Pro Deutschland“ härtere Strafen gegen Kleinkriminelle, Gefängnisse dürften keine „Erholungsheime“ sein. Mit einem „Ausstiegs-Angebot für CDU-Mitglieder“ wirbt die Initiative um Christdemokraten. „Pro Deutschland“ eigne sich dafür besser als die offen rechtsextreme NPD, sagte Sebastian Wehrhahn von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“. Bislang sei die Initiative zwar nicht sonderlich erfolgreich, stelle aber in Hinblick auf anstehende Wahlen eine große Gefahr dar. „Pro Deutschland“ will 2011 ins Abgeordnetenhaus einziehen. Als Chef der Initiative gilt der Kölner Manfred Rouhs, von dem es heißt, er wolle diesen Sommer nach Berlin ziehen.
„Pro Deutschland“ hatte bereits für den 5. Juni ein Treffen im Rathaus Schöneberg geplant. Dies wurde vom Bezirksamt zunächst nicht genehmigt. Vor Gericht erstritt die Initiative jedoch ihr Recht auf die öffentlichen Räume. Am Freitag hatte das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass auch die rechtsextreme NPD ihre Parteitage in Rathäusern abhalten darf. Sie habe wie jede Partei Anspruch auf öffentliche Räume – ohne Einschränkung.
Schon in der Nacht zu Sonnabend hatten Neonazis der Kameradschaftsszene versucht, gegen alternative Jugendtreffs in Weißensee vorzugehen. Erst vergangene Woche stoppten Polizisten dort sechs bewaffnete Rechtsextreme.