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Die Krise der Nazis

 

Der NPD-Parteichef Udo Voigt (l) und der DVU-Vorsitzende Matthias Faust auf dem NPD-Parteitag im Juni in Bamberg © David Ebener/dpa

Es herrscht ein fruchtbares Klima für Rechtspopulisten und -extremisten. Das zeigt sich überall in Europa. Nur in Deutschland schaffen sie es nicht, die Krise zu nutzen.

Von Olaf Sundermeyer

Wenn der Vorsitzende des mitgliederstärksten Landesverbandes der Deutschen Volksunion (DVU), Max Branghofer aus Nordrhein-Westfalen, Recht behält, dann hinterlässt seine sterbende Partei noch in diesem Sommer zwei Erbteile: Einen ostdeutschen für die rechtsextreme NPD und einen westdeutschen für die rechtspopulistische Pro-Bewegung. „Man hat die Partei in den vergangenen eineinhalb Jahren vor die Wand gefahren“ – so erklärt er das nahende Ende seiner Partei.

„Man“, das ist Matthias Faust. Der ehemalige Bundesorganisationsleiter trat Anfang vergangenen Jahres die Nachfolge des Immobilienunternehmers Gerhard Frey an. Vom ersten Tag an zeigte sich der hochgewachsene Faust gut erkennbar auf den Veranstaltungen der NPD, wo er mit seinem Kumpel Holger Apfel, dem Landeschef des einflussreichen sächsischen NPD-Landesverbandes, die Fusion der beiden größten rechtsextremen Parteien vorantrieb. Allein, die Basis der DVU wollte ihm nicht folgen.

Vor einigen Wochen nun kam es zum Eklat: Nur über eine Klage blieb Faust im Amt. Jetzt ist er ein Vorsitzender ohne Partei. Sie wirft ihm „verwerfliches und eigenmächtiges Handeln durch Geheimverhandlungen mit dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt“ vor, wie es in einer Erklärung des NRW-Landesvorstands heißt. Die Erbmasse beträgt laut Verfassungsschutz 4500 Mitglieder (Stand 2009), abzüglich derjenigen, die sich wegen des Streits abgewandt haben. Für die dürftigen Verhältnisse der rechtsextremen Parteien in Deutschland ist das eine reiche Hinterlassenschaft.

Das angekündigte Ende der DVU steht stellvertretend für den dauerhaften Zwist, der die Rechte in Deutschland lähmt. Deshalb schafft es keine der Parteien, die gesellschaftliche Krise zu nutzen. Das ist eine deutsche Besonderheit: Denn im Gegensatz zu den europäischen Nachbarn zeigt sich Deutschland bislang immun gegen den fremdenfeindlichen Rechtspopulismus, wie er zuletzt in Belgien, Dänemark oder den Niederlanden Erfolg hatte. Oder gar gegen radikalere Kräfte, wie sie in Osteuropa reüssieren. In Deutschland ist der Einzug in den Bundestag – oder gar eine Regierungsbeteiligung – für sie auf Sicht unmöglich.

Dabei sehen viele wissenschaftliche Beobachter das Krisenklima als ideale Voraussetzung für derlei Akteure, die sich hierzulande aber in Dilettantismus und Eitelkeiten verfangen. Das sieht die Rechte selbst so: „Es fehlt einer wie der Haider in Österreich, der alle Nationalen hinter sich schart“, sagt ein Aktivist aus Thüringen. „Es fehlt ein Führer“. Kein Führer, kein Geld, keine flächendeckenden Parteistrukturen.

Die geplante Fusion von NPD und DVU beschleunigte den Niedergang. Die Abneigung vieler DVUler gegen die Voigt-Partei ist groß, war die DVU doch einst von enttäuschten NPD-Mitgliedern gegründet worden. Überdies brach die NPD im vergangenen Jahr den sogenannten Deutschlandpakt, eine Wahlabsprache, nach der nur jeweils eine der beiden Parteien bei Landtagswahlen antreten sollte. In Brandenburg bot die NPD der bis zur Wahl im Landtag vertretenen DVU die Stirn. Mit dem Ergebnis, dass beide scheiterten. Und vor der Kommunalwahl in NRW riss der Pakt ausgerechnet in Branghofers eigener Ratsfraktion in Dortmund. Auch deshalb verhandelt er nun mit der Pro-Bewegung, die hinter NPD und DVU versucht, die riesige Kluft zwischen ihnen und dem erodierenden rechten Rand der CDU zu füllen. In Westdeutschland – denn im Osten ist die NPD zu stark.

Die Pro-Bewegung ist ein Sammelbecken für Rechtsextremisten, wenngleich man das dort stets zu verschleiern versucht. Der Kopf von Pro Deutschland, Manfred Rouhs, hat ebenso eine rechtsextreme Biographie wie der wichtigste Berater des Pro-NRW-Vorsitzenden Markus Beisicht, der selbst von den rechtsradikalen Republikanern (REP) kam. Wie Max Branghofer: „Auch mit Andreas Molau stehe ich in gutem Kontakt“, sagt er. Der ehemalige NPD-Spitzenfunktionär wird bei Pro NRW inzwischen als „Referent“ geführt.

Berufsrechtsextremist Molau war in der NPD mit einem Putsch gegen den Vorsitzenden Voigt gescheitert. Es folgte ein Intermezzo in der DVU, von wo aus er nun versucht, kommunale Mandatsträger zur Pro-Bewegung zu locken. „Von Franz Schönhuber habe ich gelernt, dass Wahlerfolge ohne lokalen Unterbau nichts wert sind. Der hat immer von einem zu großen Anzug gesprochen, den man sonst nicht ausfüllen kann”, sagte er, als er vor zwei Jahren dieses Ziel noch für die NPD verfolgte.

Der ehemalige REP-Vorsitzende gilt als Molaus Vorbild. Und so versucht man nun bundesweit Mitglieder der gescheiterten Parteien DVU, der „Rechtsstaatlichen Offensive” (Schill-Partei) sowie der Republikaner für Pro zu begeistern. Einige der Angesprochenen berichten aber, dass bei Pro Deutschland zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine große Lücke klafft. Das größte Problem der Bewegung sind ihre fehlenden Aktivisten. Denn die Multifunktionäre von Pro sind eine durchsichtige Kulisse, die bei Bedarf verschoben wird. Etwa nach Berlin, wohin nun der Kölner Manfred Rouhs umziehen will, um die Stadt vor den Abgeordnetenhauswahlen im kommenden Jahr mit einer anti-islamischen, fremdenfeindlichen Kampagne zu überziehen. Die hatte seiner Bewegung bei den Landtagswahlen im Mai dieses Jahres 1,4 Prozent einbrachte. Eigentlich wollte man in den Landtag.

Ohnehin erfüllt die Pro-Bewegung viele ihrer Ankündigungen nicht. Deshalb gilt sie selbst unter Sympathisanten als unglaubwürdig. Der Verfassungsschutz behauptet, dass sie bei ihren Mitgliederzahlen maßlos übertreibt. In NRW hat man Medien und Lokalpolitiker in zwei Fällen mit angeblichen Immobilienkäufen in der Nähe von Großmoscheen an der Nase herum geführt. Und dann ist da noch die angebliche Millionenspende des rechtsextremen Millionärs Patrik Brinkmann, ein Molau-Intimus und ehemaliger DVU-Mann, die gar im eigenen Lager für einen Bluff gehalten wird.

Zuletzt hat man in einer Weise die Zusammenarbeit mit den REP beworben, die auf ein baldiges Verschmelzen hindeuteten. Doch der stellvertretender Bundesvorsitzende der Republikaner, Johann Gärtner, sagt auf Anfrage: „Wir haben doch nicht geheiratet, das ist doch unsinnig.“ Gleichwohl ist zu hören, dass man sich ab sofort gegenseitig unterstützen will: Bei den Wahlen in Berlin, wo es immer unwahrscheinlicher wird, dass die Republikaner selbst antreten, auch bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2011. Dort wird Pro nicht antreten. Aber in keinem dieser Länder hat man eine Chance auf den Einzug ins Landesparlament. Es geht einzig darum, im Westen flächendeckend die NPD als organisierten Arm der rechtsextremen Bewegung abzulösen. Wegen der angestrebten Zusammenarbeit mit Republikanern und DVU wird sich Pro ohnehin radikalisieren.

Die NPD hat sich im Westen nach einer Kette von Wahlniederlagen als unverkäufliches Produkt erwiesen. Auch im kleinen Saarland, das Wirtschaftsunternehmen oft für Tests vor der bundesweiten Markteinführung eines Produktes dient. Die NPD witterte hier im vergangenen Jahr ihre Chance auf den Einzug in den Landtag – wegen der Krise, und dem dortigen Erstarken der Linken: „Bedenken Sie doch die alte Wahrheit: Links schaukelt sich mit rechts hoch, und rechts schaukelt sich mit links hoch“, sagte Udo Voigt vor der Wahl, bei der die NPD schließlich auf 1,5 Prozent kam. Die Linken profitieren unterdessen wie kein anderer von der Krise in Deutschland.