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Nazis? Nein, hier doch nicht!

 

Ein Berufsschule in Sachsen-Anhalt wollte ein Zeichen gegen Rechts setzen. Doch das Landratsamt untersagte die Aktion – aus Imagegründen.

Mehr als Hundert rechtsextreme Übergriffe gab es in Sachsen-Anhalt 2009. Die Naziszene in der Region gilt als besonders gewaltbereit. Zwei Klicks genügen und es steht fest: Sachsen-Anhalt hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Die „Conrad Tack“ Berufsschule in Burg wollte deshalb ein Zeichen setzen. „Aktion Noteingang“, steht auf dem Aufkleber, der die Schule als Zufluchtsort für Opfer rassistischer Gewalt ausweisen sollte. Doch das Landratsamt hat die Aktion verboten.

„Wem sollten diese Aufkleber denn nutzen?“, fragt Ordnungsdezernent Lutz-Georg Berkling. Berkling spricht im Namen des Landrats und muss sich nun für sein Verhalten rechtfertigen. „Als ob die Opfer werktags zwischen 8 und 17 Uhr – also während der Öffnungszeiten – Zuflucht suchen müssten.“ Der Landrat halte die „Aktion Noteingang“ für unsinnig, noch dazu sei sie image-schädigend. „Dann weiß ja jeder, der nach Burg kommt, dass es hier ein Problem gibt.“ Auch in der Pressemitteilung werden mehr Fragen gestellt als klare Positionen nachvollziehbar präsentiert. „Ist es nötig, die Fremdenfeindlichkeit in Burg so herauszustellen?“, heißt es etwa.

Für die Mobile Opferberatung der Region ist die Antwort ein klares Ja. „Es gibt eben eine relativ hohe Akzeptanz in der Bevölkerung gegenüber rechtsextremem Auftreten“, bekräftigt eine Sprecherin der Beratungsstelle. Natürlich müsse man dagegen ein Zeichen setzen, öffentlich. Das Vorgehen des Landrats hält sie deshalb für nicht tolerabel. „Es gibt in Burg Rechtsextremismus, auch wenn der Landrat davon vielleicht nichts wissen will.“ Ordnungsdezernent Berkling zeigt sich von dieser Meinung wenig beeindruckt. Diese wenigen Aktivsten gegen Rechts trügen allein die Schuld, dass dieses Thema immer wieder in die Öffentlichkeit gezerrt werde. Er setzt auf Stammtische für Zuwanderer – dem Argument, die „Aktion Noteingang“ fördere eine informierte, engagierte Zivilgesellschaft, kann er nichts abgewinnen.

Stephan Bruns ist Schulleiter an der Conrad Tack Schule und hat die „Aktion Noteingang“ gemeinsam mit Schülern und Eltern initiiert. Über die Haltung des Landrats sei er verwirrt, mehr will er dazu nicht mehr sagen. Hört Bruns von den Äußerungen des Ordnungsdezernenten, muss er laut schnaufen, es dann aber bei einem „wenn Herr Berkling das so sieht“ belassen. Die Verantwortlichkeit liege nun einmal beim Schulträger. Bruns klingt niedergeschlagen. Dabei ist eine Schule, die sich eigenständig für Demokratie engagiert, in Deutschland eine Auszeichnung wert. „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist nach eigenen Angaben das größte Schulnetzwerk Deutschlands, 780 Schulen gehören dazu. Eberhart Seidel ist Geschäftsführer der Organisation, die vom Bund Fördermittel bezieht. Über die Ansicht des Burger Landrats ist Seidel entsetzt. „Mit dieser Argumentation könnte man die Bundesregierung anhalten, jegliches Vorgehen gegen Rechtsextremismus einzustellen.“ Seidel hält seine Meinung nicht hinter dem Berg: „Was da passiert ist, zeugt von seltener Dummheit“.

Ob diese „Dummheit“ Konsequenzen für den Landrat hat, will nun das Innenministerium prüfen. „Was soll ich dazu sagen?“, kommentiert Ordnungsdezernent Berkling diesen Schritt. Innenminister Holger Hövelmann (SPD) dagegen findet klare Worte: „Die Ablehnung von Gewalt, die Ächtung von Rassismus und das Einstehen für Verfolgte gehören zum Wertekanon, den unsere Schulen vermitteln müssen“, sagte er gegenüber der Volksstimme. Hövelmann kündigte an, nun selbst einen Aufkleber der „Aktion Noteingang“ am Innenministerium anbringen zu lassen.