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Hitler spricht beim NPD Kreisverband

 

Moderne Gesellschaftsanalyse mit Hilfe von NS-Büchern - Screenshot der NPD-Seite

In der Naziszene wird der NPD oft vorgehalten, sie wäre nicht radikal genug. Beobachter betonen hingegen, dass die Partei lediglich aus taktischen Gründe direkte Bezüge auf den Nationalsozialismus vermeidet. Der Brandenburger NPD-Funktionär Marcel Guse beweist, dass es auch anders geht. Auf der Internetseite seines Kreisverbands zitiert er munter Texte von Adolf Hitler aus verbotener NS-Literatur von 1943.

Potsdamer Neonazis seien in Berlin in Zweierreihen durch das Brandenburger Tor gelaufen, schreibt Guse auf der NPD-Homepage, „diesmal noch ohne Fackeln und dazugehörigem Fahnenmeer“. Wer sich durch die Beiträge des NPD Kreisverband Havel-Nuthe quält, muss sich durch einen Wust von völkischem Kitsch, NS-Propaganda und einschlägigen Neonazijargon der „Nationalen Sozialisten“ kämpfen. „Sie heulen und schimpfen, dass es eine helle Freude ist. Sie sind getroffen worden und lecken nun ihre Wunden. Die Wunden aber, die diesem System gerissen wurden, sie werden sich nicht mehr schließen lassen“, schreibt der NPD-Politiker Ende Juli. „Ein neues Erwachen durchdringt die deutsche Jugend und wird von ihr zu den Altersgenossen weiter getragen. Zusammenhalt und gesunde Lebensführung, völkisches Denken und Ablehnung der egoistischen Systemideologie schweißen sie zu einer lebendigen Kampfgemeinschaft zusammen.“

Wer nun glaubt Ähnlichkeiten zu nationalsozialistischer Propaganda im Original sei zufällig wird im Beitrag „Dekadent geht die Welt zugrunde“ eines Besseren belehrt. Er habe den „wirklich guten Artikel“ von der „Weltnetzseite“ der Kameraden vom Infoportal Potsdam übernommen erklärt Marcel Guse, denn „der Nationale Widerstand in der Landeshauptstadt spricht hier wieder einmal mit einer Stimme“. Was der NPD-Politiker nicht mitteilt ist, dass die NPD hier mit der Stimme Adolf Hitlers spricht.

Der Text, der wohl so etwas wie eine Kritik an der gegenwärtigen demographischen Entwicklung darstellen soll, beklagt dass die Natur in dieser liberalistischen Welt nicht mehr ernst genommen würde und tiefster Marxismus und die Ideologie der Frankfurter Schule zur Auflösung der Familie führe. Am Ende des Beitrages steht ein längeres Zitat, wonach es zwei Welten im Leben eines Volkes gebe, die Welt der Frau und die Welt des Mannes und warum dies ein gute Sache für die Deutschen sei. Dahinter folgt das Kürzel „Marcel Guse, NPD Potsdam“. Während man im Original der Potsdamer Kameradschaft, noch halbwegs diskret den Autor des Zitats mit „A.H.“ angibt, verzichtet Guse darauf.

Das Original-Cover des Nazi-Buchs von 1943

Phillipp Fröhlich, Redakteur der Fachzeitschrift Antifaschistisches Infoblatt, kennt das Original des Beitrages. Es wurde geklaut aus der 1943 erschienen NS-Publikation „Du stehst im Volk“. Eine Art Benimmfibel welche die Nationalsozialisten ihren Zöglingen beim Schulabschluss mit auf den Weg gaben „Nun reiht euch ein die große starke Front aller Schaffenden, erfüllt eure Pflichten für Führer und Volk, damit Deutschland ewig bestehe. Heil Hitler“, heißt es im Vorwort. Die Kapitel haben Titel wie: „Das gute Blut ist unser wahrer Reichtum“, „Du hast die Pflicht, gesund zu sein!“, „Mädchen, eure dienenden und helfenden Hände fordert euer Volk!“ und der Buchbeitrag „Vater und Mutter sind uns heilige Namen“, an dem sich die Potsdamer Neonazis bei ihrer aktuellen Gesellschaftsanalyse bedienten.

Kaum verwunderlich, dass das mit einem Hakenkreuz verzierte Werk zu den Schriften gehört, welche die Alliierten 1954 als nationalsozialistische Propaganda indizierten. Es befindet nunmehr eigentlich nur noch im Besitz der nationalsozialistischen Erlebnisgeneration oder nachgewachsener nationalsozialistischer Fanatisten. Zu ersteren Kategorie dürfte Marcel Guse und seine Kameradschaftsfreunde, ob ihres jungen Alters nicht gehören.

Radikaler geht’s immer

Die Parteikarriere von Guse beginnt bei der Altherrenpartei DVU. Nach dem plötzlichen Unfalltod eines DVU-Stadtverordneten im Mai 2009, wurde der damals 28-jährige sein Nachfolger. Guse, dessen Alter überdeutlich unter dem Durchschnitt der DVU lag, beteiligte sich maßgeblich an der Gründung der unbedeutenden DVU-Jugendorganisation namens „Junge Rechte“ und wurde deren stellvertretender Bundesvorsitzender.

Doch bereits im September 2009, noch bevor das Endergebnis der Bundes- und Landtagswahlen feststand, trat Guse als DVU-Stadtverordneter von Potsdam in die NPD ein und verkündete zugleich aus der DVU auszutreten und all seine Ämter hinzuschmeißen, um „mit weiteren DVU-Kameraden, die keiner System-Partei angehören wollen“ zur NPD überzulaufen. Offiziell ist Guse bis heute Mandatsträger der DVU. Potsdamer Antifaschisten schildern in einem „Portrait eines nationalsozialistischen Stadtverordneten“ wie Guse bereits im Januar 2010 unter dem Dach des NPD-Kreisverbandes Havel-Nuthe den Potsdamer Stadtverband gründete und dessen Vorsitz übernahm. Doch auch hier scheint es Guse nicht rechts genug zuzugehen, lieber arbeitet Guse mit den offen nationalsozialistischen Kameradschaften in Potsdam zusammen und zeigt sich im „rechtsautonomen“ Straßenkämpfer-Outfit bei Neonaziaufmärschen, wo er stilecht mit Polizisten oder Journalisten rangelt, um später auf der NPD-Homepage zu schildern, dass der „Nationale Widerstand zum Sturm auf die Vaterlandslosen überging”.