Die Melodien kennt fast jedes Kind, die Schlaflieder sind ein Stück Kulturerbe. Das macht sich auch die rechte Szene zunutze. Im Juli haben Neonazis ein Machwerk ins Netz gestellt, das an Perfidie kaum zu überbieten ist.
Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen
Die Texte zu den niedlichen Klängen wurden umgedichtet in Ruhmesparolen für das NS-Regime und in Hetze gegen Juden und Schwarze, bis hin zum Mordaufruf. Entsprechende Videos wurden bei YouTube eingestellt, unzählige Internetnutzer haben sich die Hasstiraden heruntergeladen. Und das ist nur ein Beispiel für die sich weiter ausbreitende Braunzone im WorldWideWeb. Rechtsextremisten mischen längst auch in Communities wie Facebook mit, manchmal verdeckt, oft auch offen. Die Gegenwehr von Staat und Gesellschaft ist mühsam, doch nicht erfolglos, wie die Arbeit von „jugendschutz.net“ verdeutlicht.
Die 1997 von den Jugendministerien der Länder gegründete Prüfstelle durchforscht das Internet nach rechtsextremistischen und anderen, jugendgefährdenden Inhalten. Und die Mitarbeiter von jugendschutz.net intervenieren bei den Betreibern der auffällig geworden Websites. In vier von fünf Fällen würden dann unzulässige rechtsextreme Inhalte gelöscht, berichtete Stefan Glaser, bei jugendschutz.net zuständig für die Beobachtung rechtsextremer Umtriebe im Netz, am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung einer Arbeitsbilanz für 2009. Doch die Probleme bleiben.
Wenn die meist einsichtigen Betreiber in Deutschland rechtsextreme Inhalte abschalten, bleiben diese oft über Server im Ausland weiter zugänglich. Und für jugendschutz.net wird die Arbeit immer mehr. Die Masse an Inhalten, die täglich von Nutzern bei Facebook, YouTube und anderen Plattformen eingestellt werden, mache eine Kontrolle schwierig, sagte Glaser. Im vergangenen Jahr stellte jugendschutz.net tausende rechtsextreme Beiträge bei Communities wie Facebook und Videoplattformen wie YouTube sowie mehr als 1870 Websites der braunen Szene fest. Facebook, YouTube und andere müssten „wesentlich mehr technische und personelle Mittel einsetzen, um junge User auf ihren Plattformen effektiv vor solchen Hassinhalten zu schützen“, forderte Glaser. Soziale Verantwortung sollte aber auch die Netzgemeinde übernehmen, mahnte Thomas Krüger, Chef der Bundeszentrale für Politische Bildung, die jugendschutz.net unterstützt.
Eine weitere Gefahr sieht jugendschutz.net in den „neonazistischen Netzwerken“ im Internet. Deren Zahl hat sich 2009 auf 90 beinahe verdreifacht. Auch die der NPD-Angebote stieg beträchtlich. Die Kinderlieder mit den Hassparolen sind allerdings, dank der Interventionen von jugendschutz.net, kaum noch erreichbar. Auf mehreren Websites, auch bei YouTube, verkünden die Betreiber, diese Inhalte seien entfernt worden, weil sie gegen die Nutzungsbedingungen verstießen. YouTube zeigt stattdessen den Videoclip „Wir sind online. Damit Neonazis offline gehen“, den jugendschutz.net gemeinsam mit der vom Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ betriebenen Online-Beratung gegen Rechtsextremismus erstellt hat. Wer bei YouTube nach rechtsextremer Musik sucht, wird allerdings auch weiterhin fündig. Innerhalb von Sekunden, ein einschlägiger Bandname genügt.