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Weg frei für Neonazis: Landratsamt erkennt Aufhebung des Versammlungsverbotes in Wunsiedel an

 

Rund 350 Neonazis erwartet die Polizei am Samstag, d. 30. Oktober beim so genannten Gedenkmarsch für den NPD-Funktionär Jürgen Rieger im oberfränkischen Wunsiedel. Nachdem das Verwaltungsgericht Bayreuth ein Verbot des Aufmarschs aufgehoben hatte, hat das Landratsamt Wunsiedel die Entscheidung jetzt anerkannt und auf eine Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) verzichtet.

Eine Beschwerde gegen die Entscheidung habe keine Aussicht auf Erfolg, heißt es seitens des zuständigen Landrates Karl Döhler (CSU). Bereits im vergangenen Jahr hatte der VGH ein Verbot des Neonaziaufmarschs aufgehoben. Daraufhin waren etwa 850 Neonazis kurz nach dem Tode des prominenten Nazis und NPD-Funktionär Rieger durch Wunsiedel marschiert. Als eine der verhängten Auflagen darf in keinerlei Form Bezug zu Rudolf Heß hergestellt werden, der in Wunsiedel begraben ist. Auch die Erwähnung des 1987 gestorbenen NS-Kriegsverbrechers in jeglicher Form ist verboten. Ferner dürfen weder Trommeln mitgeführt werden noch Fackeln und schwarz-weiß-rote Fahnen. Zu Lebenszeiten war Rieger lange Jahre federführend an der Organisation der „Heß-Märsche“ beteiligt, bis die Aufmärsche 2005 verboten wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren bis zu 5.000 Neonazis durch die oberfränkische Kleinstadt marschiert.

Rieger im September 2009 bei einem NPD-Aufmarsch in Hannover (Foto: Kai Budler)
Rieger im September 2009 bei einem NPD-Aufmarsch in Hannover (Foto: Kai Budler)

Für ihr „Gedenken“ unter dem Motto „Für Einigkeit und Recht und Freiheit“ haben die Neonazis in Wunsiedel bis zu zehn Stunden Zeit . Als Redner sind Eckart Bräuniger und Wolfram Nahrath angekündigt, auch der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt soll sein Kommen zugesagt haben. Zum Mikrofon greifen wird in Wunsiedel auch Riegers „Ziehsohn“ Thomas „Steiner“ Wulff. Er hatte sich nach Riegers Tod zu dessen Nachfolger bei der „Wilhelm Tietjen Stiftung für Fertilisation Ltd.“ gemacht. Damit ist er zum Rechtsnachfolger für die von der Firma verwalteten Gebäude im niedersächsischen Dörverden und in Pößneck in Thüringen aufgestiegen. Angemeldet wurde der „Gedenkmarsch“ von Uwe Meensen aus dem NPD-Parteivorstand.

Derweil ruft ein breites Bündnis aus Kirchen, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Parteien zeitgleich zu Gegenveranstaltungen in Wunsiedel auf. Im Rahmen eines Aktionstages soll den Opfern zweier Todesmärsche durch Wunsiedel in den letzten Kriegstagen ebenso gedacht werden wie den knapp 150 Todesopfern rechtsextremer Gewalt in Deutschland seit 1990. Daneben sind ein ökumenischer Friedensgottesdienst und ein mehrstündiges Programm mit Musik und Reden geplant. Mit dem Motto „Wir gedenken der Opfer und nicht der Täter“ sollen die rechtsextremen Parolen demaskiert werden. Als besorgniserregend gilt bei den Nazigegnern, dass den Rechtsextremen nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes noch eine Woche Zeit für ihre Planungen blieb. Beim juristischen Tauziehen um die „Heß-Märsche“ und den Marsch im vergangenen Jahr war es bis zum letzten Tag stets unklar, ob die Veranstaltungen erlaubt werden würden.