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Naziterror in Dortmund – Rechte greifen mit Messer an

 

UPDATE: In Dortmund kam es erneut zu einem brutalen Angriff durch Neonazis auf eine alternative Kneipe. Vier Besucher wurden verletzt und kamen mit dem Notarzt ins Krankenhaus. Einer davon wurde mit einem Messer niedergestochen. Wie die Polizei bestätigte, trug einer der später festgenommenen elf Neonazis ein Messer bei sich. Ob es sich dabei um die Tatwaffe handelt, ist noch unklar.  Zudem wurde in der Kneipe ein Baseballschläger gefunden, den die Angreifer vermutlich zurückgelassen haben. Bei den Rechten soll es sich nach Informationen von Antifagruppen um Mitglieder der „Skinheadfront Dorstfeld“ und dem Hooligangmilieu handeln. Nach Informationen des Störungsmelders befindet sich unter den Festgenommenen auch Sven Kahlin, der 2005 den Dortmunder Punk „Schmuddel“ erstochen hat. Er wurde am 1. Oktober auf Bewährung entlassen. Sollte er jetzt wieder verurteilt werden, wird die Bewährung aufgehoben. Schon mehrfach war die Kneipe in den letzten Monaten angegriffen worden.

Hier ein Bericht von Initiativen gegen Rechts über den Angriff:

In den frühen Morgenstunden des So. 12.12.2010 kam es erneut zu einem gemeinschaftlich begangenen Angriff mehrerer Neonazis auf die alternative Kneipe „Hirsch-Q“ in der Dortmunder Innenstadt.
Die Neonazis setzten dabei Reizgase, Stühle u.ä. als Schlagwaffen und Messer ein.Es gab mehrere Verletzte die nach einer Erstbehandlung vor Ort mit Rettungswagen zur weiteren Behandlung in umliegende Kliniken eingeliefert werden mussten.

Gegen 0:45 Uhr griff eine Gruppe von 10-20 Neonazis die Gaststätte „Hirsch-Q“ (Brückstr. 62) und deren Besucher an. Die Täter griffen ohne Vorwarnung gemeinschaftlich und entschlossen an. Sie bewarfen zunächst die Fensterfront des Lokals und Passanten mit Flaschen und Gläsern, um daraufhin gezielt den Eingangsbereich des Lokals anzugreifen, dabei 2 Scheiben zu zerstören und schließlich ins Lokal einzudringen. Dort griffen sie einzelne Gäste mit Schlägen und Tritten an und bewaffneten sich mit Stühlen und weiteren Flaschen. Den Gästen gelang es aber die Angreifer nach kurzer Zeit durch entschlossene Gegenwehr aus dem Lokal zu drängen. Daraufhin setzte sich die Auseinandersetzung vor dem Lokal (Brückstr. Ecke Helle) fort. Den angegriffenen Gästen kamen Passanten zur Hilfe nach dem diese erkannt hatten, dass es sich um einen Naziangriff handelt. Im Verlaufe der Auseinandersetzung setzten die Nazis chemische Reizstoffe, Flaschen, Stühle, Gläser und Messer als Waffen ein und ließen auch von am Boden liegenden Opfern nicht ab. Mindestens 4 Gäste/Passanten wurden so schwer verletzt, dass sie zur weiteren (ambulanten) Behandlung ins Krankenhaus gebracht wurden. 1 Gast trug 2 Stichwunden im Gesäß-/Hüftbereich, 1 weiterer Schnittverletzungen an den Extremitäten und mindestens 2 weitere Gäste schwere Prellungen und Platzwunden davon. Viele wurden durch eingesetztes Pfefferspray leicht verletzt. Die Angreifer ergriffen schließlich die Flucht, wobei einer überwältigt, festgehalten und der Polizei übergeben werden konnte. Die Angreifer trugen durch die entschlossene Gegenwehr ebenfalls Verletzungen davon.

Die Polizei war nach einigen Minuten vor Ort und zog in der Innenstadt massiv Kräfte zusammen. Es gelang ihr schließlich im Innenstadtbereich 10 Nazis zu stellen und in Gewahrsam zu nehmen. Die untere Brückstr. wurde komplett abgesperrt und am nördlichen Ende errichtete der Rettungsdienst einen Verbandsplatz für die Verletzten. Es waren zwischenzeitlich 4 Notärzte, mehrere Rettungswagen und ein Krankentransport-Bus zur Versorgung der Verletzten vor Ort. Die Polizei fotografierte die Schäden und vernahm die Zeugen vor Ort.

Im Nachhinein beschrieben Zeugen die Angreifer, unter denen auch Frauen waren, als äußerst aggressiv und entschlossen. Sie waren alle dunkel gekleidet, eher dem Nazi-Skin-Milieu zuzurechnen und agierten als geschlossene Gruppe. Sie gingen gemeinschaftlich mit erheblicher Gewalt gegen Menschen und Sachen vor, und nahmen dabei schwerste Verletzungen ihrer völlig unvorbereiteten Opfer bewusst in Kauf. Zeugen die bereits mehrere Angriffe erlebt haben schilderten, dass das Gewaltpotenzial gestiegen sei und nur die geschlossene Gegenwehr schlimmeres verhinderte.

Die Dortmunder Polizei spricht in ihrer ersten Pressemitteilung von „Schlägerei im Lokal „Hirsch Q““ und „einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen (…) Personen der Rechten und Linken Szene, in deren Verlauf Messer und Reizgas eingesetzt wurden.“.Dies suggeriert erneut, dass es sich bei den nahezu rituell stattfindenden Angriffen der lokalen und regionalen organisierten Nazi-Szene auf das Lokal um den „üblichen Rechts-Links-Konflikt“; und eben nicht um einen jedes mal aufs neue geplanten, gezielten und bewaffneten Überfall auf ahnungslose Nachtschwärmer; handelt. Eine solche Informationspolitik seitens der Polizei ist in Dortmund zwar nicht neu, aber jedes Mal aufs neue skandalös. Denn es impliziert eine Mitschuld für den Angriff in die Opfer und konstruiert aus deren legitimen Recht der Notwehr eine politisch motivierte „Schlägerei“. Dies verkennt zum einen die klare Rollenverteilung (Angreifer/Verteidiger) und zum anderen die Tatsache, dass die „Hirsch-Q“ eben ein breit gefächertes Publikum hat und nicht eine spezielle Szene exklusiv bedient. Wer diese Tatsachen einfach hinten überfallen lässt, belügt dadurch die Öffentlichkeit.

Wenn die Dortmunder Stadt- und Polizeiführung ihre Verharmlosungspolitik fortsetzen; und ihr Engagement weiterhin auf Alibi Aktionen wie Immobilienkauf und Hausdurchsuchungen wegen indizierten CDS konzentrieren, anstatt schwere, gemeinschaftlich begangene Straftaten (Hirsch-Q, 1. Mai 09) vollends aufzuklären; dann werden wir wohl häufiger Spezialkräfte in Helikoptern einfliegen (01.05.09) und Sanitäter Verletzte kategorisieren (12.12.10) sehen.

Links zum Thema:

Dortmund: Erneut Naziangriff auf die HirschQ (12.12.10)
Polizeipresse

Dortmund: Naziangriff auf die „Hirsch-Q“ (26.08.10)
Die Akte Falko W.
Detaillierter Prozessbericht bzgl. „Hirsch-Q“
Naziüberfälle auf die Hirsch-Q – Eine Chronik