Der Nürnberger Platz in der Dresdner Südvorstadt ist am Samstagmittag mit Wasserwerfern und Hamburger Gittern weiträumig abgesperrt – massive Polizeikräfte lassen nur Personen durch, die zu einer Veranstaltung der extrem rechten Szene zum „Gedenken an die Bombardierung Dresdens“ auf dem Platz wollen. Rund 80 Teilnehmer zählt die Polizei. Doch nicht nur hier konnten die Neonazis ihre Veranstaltungen in Dresden nicht wie erwartet durchführen.
Schon am Samstagmorgen hatte der mdr seine Hörer in den Verkehrsnachrichten zur Vorsicht gemahnt: „Auf der Autobahn am Dreieck Dresden West befinden sich Personen auf der Fahrbahn“. Von der Polizei an der Abfahrt in die Elbmetropole gehindert, hatten sich die Insassen von mehreren Reisebussen zu Fuß auf den Weg in die Dresdner Innenstadt gemacht. Ihr Ziel waren die angekündigten Massenblockaden des Bündnisses „Dresden nazifrei“. Damit waren sie beileibe nicht allein: nach Gewerkschaftsangaben verhinderten rund 21.000 Personen zum zweiten Mal in Folge den europaweit größten Neonaziaufmarsch in Dresden, für den die extrem rechte Szene auf die Bombardierung der Stadt 1945 zurückgreift.
„Die Polizei hatte heute einen schweren Einsatz zu bewältigen“
Im juristischen Tauziehen vor dem Verwaltungsgericht hatte die Stadt Dresden eine herbe Schlappe hinnehmen müssen: zum Schluss musste sie drei Veranstaltungen genehmigen und auch mit neuen Auflagen hatte sie kurzfristig keinen Erfolg. Doch von den zwei Kundgebungen und einem Aufmarsch blieb am Samstag nicht viel übrig: den Stadtteilen Cotta und Prohlis blieben die Neonazis fern, an der abgesperrten Südseite des Bahnhofes sammelten sich im Laufe des Tages etwa 600 Neonazis. Um die extrem rechten Veranstaltungen zu sichern, waren die Kundgebungen der Neonazi-Gegner auf die Nordseite der Elbe verbannt worden.
„Trennungsgebot“ lautete das polizeiliche Motto des Tages nach dem Hinweis des Gerichtes, gegen eine friedliche Versammlung, die den Anlass für Gegendemonstrationen bilde, dürfe nur unter besonderen Voraussetzungen eingeschritten werden. Die Einsatzkräfte müssten vielmehr gegen mögliche Stör- und Blockadeaktionen vorgehen. In einem ersten Fazit sprach Polizeipräsident Dieter Hanitsch von einem „schweren Einsatz“. Trotz der Kontrollstellen im Vorfeld registrierte die Polizei, „dass eine Vielzahl Gegendemonstranten die Kontrollstelle absichtlich umgingen. Sie begaben sich zu Fuß in das Stadtzentrum und suchten die Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern“.
„Die Polizei ist unfähig in Dresden die Gerichtsurteile durchzusetzen“
Durch mehrere Blockaden verhinderten die Gegendemonstranten unter anderem einen Aufmarsch der Neonazis am Bahnhof, die ursprünglich zum Nürnberger Platz geführt werden sollten. In der Südvorstadt kommt es zwischen der TU Dresden und den Studentenwohnheime immer wieder zu „Katz und Maus Spielen“ zwischen Nazigegnern und der Polizei, etwa 800 Personen blockieren dort die ursprüngliche Aufmarschroute. Während die 80 Neonazis auf dem Nürnberger Platz zusammen packen, heißt es in Neonazi-Kreisen: „Die Polizei ist unfähig in Dresden die Gerichtsurteile durchzusetzen und lässt linke Gewalttäter gewähren.macht Spontandemos egal wo!!“. Fast zeitgleich versuchen rund 800 Neonazis um Thomas „Steiner“ Wulff im Dresdner Ortsteil Plauen aufzumarschieren und stoßen auch dort auf Widerstand.
Die Teilnehmer, unter ihnen auch führende NPD-Funktionäre wie Holger Apfel und Udo Pastörs, legten rund 500 Meter zurück, bevor der Zug zu Stehen kam. Als sich die Neonazis weigerten, in ihre Busse zurück zu kehren, wurden sie zum S-Bahnhof des Stadtteils eskortiert und stiegen in die Bahn nach Freital. Auch der Plan, eine extrem rechte Ersatzveranstaltung in Leipzig durchzuführen, scheiterte. Die am dortigen Hauptbahnhof eingetroffenen etwa 500 Neonazis durften den Bahnsteig wegen „polizeilichen Notstandes“ erst gar nicht verlassen und mussten unverrichteter Dinge wieder abreisen.
Dresden: nazifrei?
Für die extrem rechte Szene war der 19. Februar in Dresden ein Schlag ins Kontor: die geschätzte Gesamtzahl der Neonazi blieb deutlich unter den Erwartungen. Mit Blockaden, Protest, Mahnwachen und anderen Aktionen haben die Gegendemonstranten dafür gesorgt, dass die Attraktivität des Geschichtsrevisionismus an der Elbe weiter abnimmt. Dieser Erfolg sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass mehr als 100 Neonazis am 19. Februar wieder einmal ihr wahres Gesicht zeigten und offenbar unter den Augen der Polizei ein alternatives Hausprojekt in Dresden Löbtau mit Steinen und Flaschen angreifen sowie dort mehrere Fenster einschlagen konnten. Für die Bewohner muss das Statement von Polizeipräsident Hanitsch, durch „Engagement und professionelles Handeln“ der Polizei „konnten die teilweise prekären Situationen bereinigt werden“, wie Hohn klingen. Auch der Einsatz eines Einsatzkommandos des Landeskriminalamtes (LKA) am Samstagabend wirft Fragen nach dem Vorgehen der Einsatzkräfte auf. Rund 20 Beamte stürmten nach Angaben der Linkspartei eine Geschäftsstelle in Dresden in der Großenhainer Straße, in der das Bündnis „Dresden nazifrei“ sein Pressezentrum installiert hatte. Laut der Bundestagsabgeordneten Katja Kipping brachen die Polizisten innerhalb von vier Stunden alle Türen in dem Haus auf, legten Mitarbeitern Handschellen an und beschlagnahmten diverse Computer. Nach Angaben der taz „wird dem Bündnis die Vorbereitung und Verabredung einer Straftat vorgeworfen“.