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Lange Gesichter bei der NPD

 

Nach der verlorenen Wahl ist die Stimmung unter den "Kameraden" schlecht © Getty

Sie kamen selbstbewusst in den Landtag, doch dann versteinerten ihre Mienen. Ein Trupp von vier NPD-Männern, darunter der von der SPD übergelaufene Ortsbürgermeister aus Krauschwitz, Hans Püschel, hatte sich im zweiten Stock vor einem Bildschirm aufgebaut, ganz nah am Wahlstudio des MDR – wohl in der Erwartung, die fünf Prozent würden sofort geknackt und die NPD könnte gleich an den Wahltalks teilnehmen. Doch dann der Schock: Die Prognose um 18 Uhr sah die Partei nur bei 4,5 Prozent. Der Einzug in den Landtag und damit auch ins Wahlstudio des MDR war plötzlich weit entfernt.

Von Tagesspiegel-Redakteur Frank Jansen aus Magdeburg

„Die ganze Hetz- und Schmutzkampagne gegen uns hat letztendlich den Ausschlag gegeben“, ärgerte sich Michael Grunzel, Sprecher der NPD in Sachsen- Anhalt.

Auch Michael Schäfer, auf Platz 3 der Landesliste, gab die Wahl verloren. Nur Püschel zeigte sich unverdrossen. „Die Prognose ging in die Hose“, sagte der zum Dichten neigende NPD-Direktkandidat, „aber ich bleibe Optimist“. Später kletterte die NPD in den Hochrechnungen zwar auf 4,8 Prozent, doch da waren Püschel und die anderen NPD-Leute schon längst aus dem Landtag verschwunden. Der Spitzenkandidat Matthias Heyder war gar nicht erst gekommen. Die Niederlage trifft die Partei schwer. Die NPD hatte einen „Schwerpunktwahlkampf“ geführt und mehrere hunderttausend Euro ausgegeben, um den Einzug in den dritten Landtag im Osten zu schaffen. Aus Sicht der Partei ging es um ein strategisches Signal über Sachsen-Anhalt hinaus.

Vor allem in den Städten fehlten den Neonazis die Wählerstimmen © Wahlatlas.net

Doch vor wenigen Tagen geriet Frontmann Heyder gewaltig unter Druck. Die ARD-Homepage „tagesschau.de“ veröffentlichte Auszüge aus mutmaßlichen Beiträgen Heyders in einem Internetforum, darunter eine Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff und einen Aufruf, linke Frauen zu „schänden“. Geschrieben wurden das alles von einem „Junker Jörg“, das Landesinnenministerium sieht hinter dem Aliasnamen den Spitzenkandidaten der NPD. Das Landeskriminalamt leitete Ermittlungen ein, und alle Parteien von der CDU bis zur Linken appellierte in einem Aufruf gemeinsam an die Wähler, der „Nazipartei NPD“ eine Abfuhr zu geben.

„Das ist der große Erfolg des heutigen Abends“, sagte Landesinnenminister Holger Hövelmann (SPD). Es sei gut, dass viele Menschen zur Wahl gegangen seien, um für eine demokratische Partei zu stimmen. Die gegenüber 2006 deutlich gestiegene Wahlbeteiligung habe, vermutete Hövelmann, der NPD geschadet. Doch trotz des Rückschlags für die Rechtsextremen fordert er weiter ein Verbot der NPD. „Die Fakten werden dichter“, sagte Hövelmann, „und wenn die Junker-Jörg-Geschichte justiziabel wird, ist das ein weiterer Baustein für einen neuen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht.“ Denn wenn schon ein Spitzenkandidat derart kriminelle Äußerungen von sich gebe und nicht nur das Fußvolk, „dann ist es doch eindeutig, dass es sich um eine verfassungsfeindliche Partei handelt“.