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Erneute Schändung von Friedhof für NS-Opfer in Nordhausen

 

Alltäglicher Antisemitismus - Polizisten auf einem verwüsteten jüdischen Friedhof 2008 in Berlin © getty

Immer wieder werden jüdische Friedhöfe und Gedenkstätten für NS-Opfer von rechtsextremen Tätern geschändet und damit die Würde der Opfer in einem erheblichen Maße beschädigt. Allein 2010 gab es nach Berichten des Tagesspiegel 41 Angriffe auf jüdische Friedhöfe, von denen allerdings nur 4 Taten aufgeklärt werden konnten. Diese Zahlen sind bundesweit erhoben wurden. In Nordhausen, einer Stadt in Nordthüringen, kommt es ebenfalls zu regelmäßigen Schändungen des immer gleichen Ehrenfriedhofes, auf dem mehr als 2.000 NS-Opfer bestatten wurden, die als KZ-Häftlinge in den Lagern des KZ-Mittelbau ums Leben kamen oder als Zwangarbeiter in der Region ausgebeutet wurden.

Von Benjamin Mayer

2005 beispielsweise sprühten bis Heute unbekannte Täter antisemitische Parolen an den Gedenkpavillon des Friedhofs. Die letzte Schändung liegt kaum einen Monat zurück, als der selbe Pavillon mit Hakenkreuzen, SS-Runen und antisemitischen Parolen beschädigt wurde. Diese Tat fand kaum zwei Wochen vor dem Jahrestag der Befreiung des KZ-Mittelbau statt und führte dazu, das ehemalige Häftlinge, die an jenem Ort um ihre verstorbenen Familienangehörigen trauern wollten, die Reste der neonazistischen Schmierereien zu sehen bekamen.

Wenige Tage nach der Schändung nahmen ca. 30 Rechtsextreme, die teilweise mit SS-Runen bekleidet waren und von den örtlichen Vertretern der NPD begleitet wurden, an der Gedenkveranstaltung zum Jahrestag der Bombardierungen Nordhausens teil. Nur wenige engagierte Menschen protestierten gegen deren Anwesenheit. Die Rechtsextremen entrollten noch während der Veranstaltung Transparente und verließen dann die Veranstaltung.

Dieses selbstbewusste, fast martialische Auftreten ist für viele Beobachter der rechtsextremen Szene in Nordhausen nichts Neues mehr, da seit vielen Jahren eine fest verankerte militante rechtsextreme Szene in Nordhausen besteht, die zuletzt sogar durch Angriffe auf Polizisten auf sich aufmerksam machte. Unzählige Verfahren wegen gewalttätiger Übergriffen aus dem Kern dieser Szene sind anhängig oder bereits mit Verhandlungen unterschiedlichsten Ausgangs abgeschlossen.

In der Nacht zum 18. Mai wurde der Ehrenfriedhof Nordhausens erneut geschändet, in dem bisher Unbekannte zwei Blumenkübel in den Gedenkpavillon warfen. Ein rechtsextremer Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden. Der Staatsschutz ermittelt erneut gegen die unbekannten Täter. Inwiefern ein Zusammenhang zwischen den Taten besteht, ist bisher schwer zusagen. Der Leiter der Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Dr. Jens-Christian Wagner, äußerte sich empört über die erneute Schändung: “Dass nun schon zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen der Ehrenfriedhof und damit das Andenken an die Opfer des KZ Mittelbau-Dora geschändet wurde, ist entsetzlich. Die Vorfälle zeigen, dass es in Nordhausen ein virulentes Problem mit Neonazis gibt, gegen das offen und mit aller Deutlichkeit vorgegangen werden muss.“

Wie diesen Tendenzen in Nordhausen entgegengetreten werden soll, ist bislang unklar und es kam kaum zu nennenswerten Erfolgen im Kampf gegen die rechtsextreme Szene, wie durch deren selbstbewusstes Auftreten bei öffentlichen Veranstaltungen auch nach außen getragen wird. Hinzu kommt, dass am 4. Juni in Nordhausen der „Thüringentag der nationalen Jugend“ statt finden soll, eine rechtsextreme Musikveranstaltung, die von NPD-Vertretern organisiert, das subkulturelle Spektrum des Rechtsextremismus bedienen soll und durch politische Reden von NPD-Funktionsträgern durchsetzt ist.

Inwieweit diese Probleme von Behörden und Stadt vor Ort allein zu lösen sind, ist fraglich. Schon zur Schändung des Friedhofs im April war eine deutliche Stellungnahme der Landesregierung zu vermissen.