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„Wir denken oft an Euch“ – Wie Nazibands den drei Rechtsterroristen huldigten

 

Nazirock als Publikumsmagnet
"Denn neun sind nicht genug” – bei Rechtsrockkonzerten wurde die Mordserie offen bejubelt. © Kai Budler

Nachdem die Zwickauer Zelle 1998 in den Untergrund ging, verloren die Fahnder bald das Interesse an den drei Neonazis. Anders ihre „Kameraden“: Gleich zwei Bands widmeten dem Trio, beziehungsweise deren rassistischer Mordserie ein eigenes Lied. In der Szene ahnte man offenbar schon länger, dass die Morde einen politischen Hintergrund hatten. Indizien, die dem Verfassungsschutz anscheinend nicht auffielen, obwohl das besagte Lied sogar indiziert wurde.

Schon ein Jahr nach dem Abtauchen von Beate Z., Uwe M. und Uwe B. widmete das Nazi-Liedermacher-Duo Eichenlaub aus Thüringen den flüchtigen Rechtsterroristen eine Lobeshymne. Zu der Melodie von „Knockin’ on Heaven’s Door“ singt eine Frauenstimme theatralisch: „Die Polizei kam euch auf die Spur. Nun hieß es Abschied, für wie lange nur?“ Der Titel „5. Februar“ bezieht sich offensichtlich auf den Tag, an dem die drei endgültig beschlossen, in den Untergrund zu gehen. „Ihr saht wohl keinen anderen Weg […] doch jetzt ist es zu spät“, geht das Lied weiter. „Wir denken oft an Euch“ Der letzte Satz des Textes deutet auf weitere Aktionen der Flüchtigen hin: „Die Kameradschaft bleibt bestehen […] der Kampf geht weiter nur voran, für unser deutsches Vaterland.“

Wie eng der Kontakt zwischen der Band und Z., M. und B. war, zeigt ein Interview, das die Liedermacher einer Zeitschrift des Nazi-Musiknetzwerkes „Blood & Honour“ im Jahr 2000 gaben. Auf die Frage, worum es in dem besagten Lied genau geht, antworten die Musiker: „Trotzdem stehen wir zu dem, was unsere drei Kameraden da getan haben. Wir, die sie wohl am besten kannten, können uns mittlerweile ganz gut vorstellen, warum sie diesen zweifelhaften Weg gegangen sind. Aber wir verurteilen sie deswegen nicht, eben weil wir sie auch irgendwie verstehen können.“

Vor allem der folgende Satz hätte Verfassungsschützer hellhörig werden lassen müssen: „Aber alle, die nicht die genauen Hintergründe kennen, die dazu geführt haben, dass sie diesen Weg eingeschlagen haben, sollten es auf jeden Fall unterlassen, über die drei zu urteilen.“ Offenbar war selbst dem Umfeld des mörderischen Trios schon damals klar, dass die „Kameraden“ noch mehr planten als nur Bomben zu basteln. Als Zeugen befragt wurde die Naziband offenbar nie.

Dabei hätten die Verfassungsschützer nur auf ein Konzert der Gruppe 1999 gehen müssen, um möglicherweise gleich noch das jetzt verhaftete mutmaßliche vierte Mitglied des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ anzutreffen. Damals trat Eichenlaub bei einem Rechtsrockkonzert in Hildesheim auf. Nur 49 Kilometer von Lauenau bei Hannover entfernt, wo Holger G. vor wenigen Tagen verhaftet wurde. Szenekenner gehen davon aus, dass er bei dem Konzert 1999 anwesend war, um seine Weggefährten von Eichenlaub zu treffen.

Einen deutlichen Bezug der rechten Szene zu der rassistischen Mordserie lieferte zehn Jahre später die Gruppe Gigi und die braunen Stadtmusikanten. Ausgiebig feiert die Band auf ihrem 2010 erschienenen Album „Adolf Hitler lebt“ in dem Lied „Dönerkiller“ die Blutspur quer durch Deutschland.

„Neunmal hat er es jetzt schon getan. Die Soko Bosporus, sie schlägt Alarm. Die Ermittler stehen unter Strom. Eine blutige Spur und keiner stoppt das Phantom. Sie drehen durch, weil man ihn nicht findet. Er kommt, er tötet und er verschwindet. Spannender als jeder Thriller, sie jagen den Döner-Killer“, feixt die Rechtsrockband.

Die Bundesprüfstelle indizierte das Album, das von dem bekannten Nazi-Label PC Records aus Chemnitz vertrieben wird, noch im selben Jahr. Der Staatsschutz ermittelte wegen Volksverhetzung. Einen Hinweis an die wegen der Morde ermittelnde Sonderkommission Bosporus in Nürnberg wurde jedoch nicht weitergegeben, obwohl in dem Lied sogar weitere Morde angedroht werden. „Bei allen Kebabs herrschen Angst und Schrecken. Der Döner bleibt im Halse stecken, denn er kommt gerne spontan zu Besuch, am Dönerstand, denn neun sind nicht genug.“ Kopf der Band, Daniel Giese, ist für die Ermittlungsbehörden ein alter Bekannter. Er spielte in zahlreichen Nazi-Bands und tritt regelmäßig bei Nazi-Konzerten und NPD-Veranstaltungen auf. Mehrfach wurde gegen ihn wegen Volksverhetzung ermittelt.

Inzwischen verhöhnt die Naziszene die Opfer der rechten Terrorgruppe auf besonders ekelhafte Weise. Seit wenigen Tagen gibt es über die Website der rechtsextremen Marke Reconquista ein T-Shirt mit einem Dönerspieß und dem Aufdruck „Killer-Döner nach Thüringer Art“ zu kaufen.