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Gründer der Wehrsportgruppe Hoffmann tritt in Leipziger NPD-Zentrum auf

 

Neonazis posieren im September 2011 während einer Demonstration gegen Rechts auf dem Dach des Leipziger NPD-Zentrums © Fabian Biastoch

Er scharte mehr als 400 schwer bewaffnete Rechtsextremisten um sich, bis heute wird Karl-Heinz Hoffmann in der Szene als Held verehrt. Während Politiker und Sicherheitsbehörden seit Wochen über den Umgang mit Rechtsterrorismus diskutieren, werden am Samstag in Leipzig Hunderte Neonazis zu einem Vortrag des Gründers der berüchtigten Wehrsportgruppe Hoffmann erwartet. Stattfinden soll das Nazitreffen in einem NPD-Zentrum im Stadtteil Lindenau. Die Polizei sieht keine Möglichkeit, den Vortrag zu unterbinden. Schließlich handele es sich um eine private Veranstaltung.

Antifa-Gruppen und Initiativen gegen Rechts haben für Samstag gleich zwei Demonstrationen gegen das Treffen angemeldet. Auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) will auf die Straße gehen. „Leipzig ist eine weltoffene und tolerante Stadt, in der Rassismus und Neonazismus keinen Platz haben“, sagte Jung der Leipziger Volkszeitung. „Ich werde mich in den gewaltfreien Protest gegen die Veranstaltung im NPD-Zentrum in Lindenau am Samstag einreihen und hoffe sehr, dass viele Leipzigerinnen und Leipziger es mir gleichtun.“

Der heute 74-jährige Karl-Heinz Hoffmann gründete 1973 die nach ihm benannte Wehrsportgruppe. Anfangs gingen die Mitglieder als Ordnungsdienst bei NPD- und DVU-Veranstaltungen mit brachialer Gewalt auf Gegendemonstranten los. Später bewaffnete sich die Gruppe und veranstaltete regelmäßig paramilitärische Übungen mit scharfen Waffen, Stahlhelmen und Uniformen in den bayerischen Wäldern. Ihr Ziel: die Abschaffung der Demokratie und die Errichtung einer Diktatur nach NS-Vorbild.

Als die Gruppierung schließlich nach sieben Jahren im Januar 1980 verboten wurde, soll sie rund 440 Mitglieder gehabt haben. Während einer Razzia beschlagnahmte die Polizei damals ganze Lastwagen voller Nazi-Propaganda, Uniformen, Pistolen, Gewehre, Handgranaten und Munition. Acht Monate später zündete Wehrsportgruppen-Mitglied Gundolf Köhler auf dem Münchner Oktoberfest eine Bombe. 13 Menschen starben, darunter der Attentäter selbst, mehr als 200 wurden zum Teil schwer verletzt. Bis heute ist umstritten, ob Köhler wirklich als Einzeltäter gehandelt hat. Im Dezember 1980 wurde dann der jüdische Verleger Shlomo Levin und seine Lebensgefährtin in Erlangen erschossen. Auch hier standen ehemalige Mitglieder der Hoffmann-Truppe unter Verdacht.

Hoffmann setzte sich derweil in den Libanon ab und gründete in einem Palästinenserlager nahe Beirut die „Wehrsportgruppe Ausland“. Als er im Sommer 1981 nach Deutschland zurückkehrte, wurde er festgenommen. Wegen Geldfälschung, gefährlicher Körperverletzung, Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz sowie Freiheitsberaubung wurde ihm der Prozess gemacht. 1984 wurde er zu neun Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Fünf Jahre später kam er vorzeitig frei.

Die Veranstaltung in Leipzig ist nicht der erste Auftritt des Nazi-Idols in der Region. Bereits im Herbst vergangenen Jahres trat Hoffmann auf Einladung militanter Neonazis in einem Gasthof in Hausdorf bei Leipzig auf. Mehr als 100 Rechtsextremisten erschienen zu dem Vortrag. Angekündigt wurde die Veranstaltung im Internet unter dem Titel „Der Chef spricht!“. Das Publikum zeigte sich über die Ausführungen Hoffmanns zum Thema „Diszipliniert militärische Organisationsformen“ begeistert. Wehrsport sei „im Grunde nicht strafbar“, problematisch werde es nur, wenn der Gruppe eine „gemeinsame politische Ausrichtung“ nachgewiesen werden könne, soll er laut Berichten auf Naziwebseiten behauptet haben. Seit Jahren gibt es T-Shirts mit Porträtfotos des Nazi-Anführers zu kaufen. Einen Tag nach Hoffmanns Auftritt stürmte die Polizei auf der Suche nach Sprengstoff mehrere Wohnungen von Rechtsextremisten in Jena, die zur Veranstaltung gereist waren. Auch der Gasthof selbst und Hoffmanns Grundstück in Kohren-Sahlis (Sachsen) wurden durchsucht.

Obwohl die NPD seit Tagen bemüht ist sich von den Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ zu distanzieren, scheint es für sie kein Problem zu sein, Hoffmann in ihren Räumen auftreten zu lassen.

Und tatsächlich kennt sich die sächsische Landtagsfraktion mit Rechtsterrorismus aus: Von 2007 bis 2008 hatte sie den verurteilten Rechtsterroristen Peter Naumann als Parlamentarischen Berater angestellt. 1979 hatte Naumann mit anderen Neonazis einen Bombenanschlag auf zwei Fernsehsendemasten verübt, um zu verhindern, dass eine US-Fernsehserie zum Thema Holocaust ausgestrahlt wird. Er kam drei Jahre in Haft. Zuletzt wurden bei ihm 1995 zwei Rohrbomben gefunden. Genau wie Hoffmann tritt Naumann inzwischen als Redner bei Schulungsveranstaltungen auf und lässt sich für seine Straftaten feiern.