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Trauern über den verlorenen Trauermarsch

 

Kein Nazi-Spaß mehr beim Trauern. Die Sitzblockaden machen die Szene ratlos © Getty

Der jährliche Großaufmarsch in Dresden könnte bald endgültig Geschichte sein. Der Fackelmarsch am vergangenen Montag floppte. Ob die Neonazis, wie in den vergangenen Jahren, am kommenden Samstag überhaupt irgendwo aufmarschieren werden, ist fraglich. Jetzt trauert die Szene um ihren letzten Großevent und schiebt sich gegenseitig die Schuld für das Desaster zu.

Der Frust im militanten Nazispektrum sitzt tief. „Es war von Grund auf eine Enttäuschung und eine Schande!“, schreibt ein User in einem einschlägigen Naziforum zum missglückten Fackelmarsch vom Montag. Von einer „Lachnummer statt Trauermarsch“, sprach das Bündnis Dresden Nazifrei. Nur knapp 1.000 Meter konnten die 1.300 Neonazis aufgrund der zahlreichen Blockaden laufen. „Dresden ist gestern ein zweites Mal untergegangen“, beklagen sich die Neonazis jetzt. „Hier wurden zwei zentrale Veranstaltungen des Nationalen Widerstands von Zecken und etablierten Systempolitikern kaputt gemacht.“

Da hilft es auch nicht, dass zumindest NPD-Parteichef Holger Apfel mit seiner Präsenz den Aufmarsch unterstützte, obwohl sich die Partei im Vorfeld in taktischer Zurückhaltung geübt hatte. Tatsächlich wird der Szene erst jetzt richtig bewusst, dass die erfolgreichen Massenblockaden des ehemals größten Naziaufmarsches Europas 2010 und 2011, sein sicheres Ende eingeläutet haben.

Besonders viel Kritik muss der Organisator des Fackelmarsches, Maik Müller aus Dresden einstecken. Er ist ein langjähriger Aktivist und hatte bereits 2011 den Aufzug  für das rechtsextreme „Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ organisiert. Er pflegt gute Kontakte zum Radeberger NPD-Funktionär Simon Richter. Trotzdem wird Müller von der Szene immer wieder vorgeworfen mit der Organisation überfordert zu sein und Absprachen mit  den verhassten „Systembütteln“ (also der Polizei) zu treffen.

„Es ist einfach unverantwortlich von den Organisatoren die Leute die, teils fünf bis sechs Stunden Anfahrt hatten, mit so einer Route wie der gestrigen abzuspeisen“, schimpft ein „Kamerad“. Besonders große Empörung gibt es, weil Müller angeblich gegenüber wütenden Aufmarschteilnehmer gesagt haben soll: „Wenn es euch nicht passt, dann bleibt Zuhause.“

Sag‘ beim Abschied leise Servus

In der Diskussion wird auch deutlich, wie enorm mobilisierend die Innenwirkung der früheren Aufmärsche war, als die braune Truppe noch ungehindert mit tausenden Teilnehmern durch die Stadt laufen konnte. „Beim ‚Marsch der 10.000‘ gehörte die Stadt noch uns, die Zecken haben sich nicht in die Nähe getraut und mussten im Anschluss an die Demo die Beine in die Hand nehmen, wenn sie sich zu weit vorgetraut haben“, schwärmt ein Nutzer. Was dann als Einsicht folgt, dürfte nicht nur die Dresdner freuen. „Die Anti-rechts-Mafia aus Antifa und ‚Zivilgesellschaft‘ hat gewonnen.“ Ein anderer Rechtsextremist fasst das zusammen, was bislang in der Szene kaum jemand gewagt hatte auszusprechen: „Den Marsch wird es so, wie er bis 2009 war, nie mehr geben.“

„Der Dresdner Aufmarsch als Kristallisationspunkt der Bewegung und bindendes Element, von Mitläufern bis zu organisierten Kadern, wird der Szene fehlen“, sagt Politikwissenschaftler Christoph Schulze vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin. Die Neonazis hätten keinen Umgang mit den Protesten finden können. Das Resultat seien die gegenseitigen Vorwürfe und Zwietracht über eine künftige Strategie. „Natürlich muss man aufmerksam bleiben, denn die Szene sucht nach Ausweichmöglichkeiten“, warnt Schulze. Der ähnlich angelegte Aufmarsch in Magdeburg habe beispielsweise schon deutlich an Größe und Bedeutung gewonnen. „Jetzt liegt es an der Zivilgesellschaft dafür zu sorgen, dass dort nicht ein zweites Dresden entsteht.“