Rund 300 Neonazis marschierten am Samstag durch Münster. Mehr als 5000 Menschen wollten das allerdings nicht hinnehmen und zeigten auf vielfältige Weise Protest. Kritik wurde an dem brutalen Verhalten der Polizei geäußert. Ein Gegendemosntrant wurde nach seienr Festnahme mit einem Schädelhirntrauma ins Krankenhaus eingeliefert.
Von Micha Neumann und Max Bassin
Viele bunte Banner und Plakate gegen Neonazis hatten die Anwohner im Münsteraner Stadtteil Rumphorst an Laternenmasten und ihren Häusern angebracht. Grund dafür war ein Neonaziaufmarsch, der in dem beschaulichen Stadtviertel im Norden Münsters stattfand. Bei den dort lebenden Menschen traf die Demonstration der Rechten auf pures Unverständnis: „Ich finde das ätzend. Keiner möchte die Nazis hier haben“, ärgerte sich ein Anwohner und seine Nachbarin ergänzte: „Hier wohnen fast nur Familien mit kleinen Kindern. Ich weiß nicht, wen die Neonazis erreichen wollen“. Auch auf einer Kundgebung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit herrschte Unmut: „Es ist unerträglich, dass Antisemiten durch Münster marschieren“ sagte dort Christoph Spieker, Leiter der Gedenkstätte Villa ten Hompel, in einer Rede.
Zur Mittagszeit sammelten sich dann die ersten Neonazis am Bahnhof Zentrum Nord. Organisiert wurde der Aufmarsch von den „Nationalen Sozialisten Münster“, einer kleinen Nazigruppe aus Münster und Umgebung, „die bisher nur durch das Verkleben von Aufklebern und Plakaten, sowie der Teilnahme an anderen Nazidemonstrationen aufgefallen sind“, erklärt Michael Sturm von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Münster (MOBIM). Er vermutet, dass die Münsteraner Neonazis den Aufmarsch nur veranstaltet haben, um sich in Nordrhein-Westfalen profilieren zu können. Dazu hätte man sich auch auswärtige Unterstützung eingeholt: „Die Nazis aus Münster sind eng verbunden mit Freien Kameradschaften aus dem Münsterland, Hamm und Dortmund“, sagte Sturm. Dies sei unter anderem daran zu erkennen, dass der Aufmarsch von Sascha Krolzig, einem Neonazikader der „Kameradschaft Hamm“ angemeldet wurde.
Bereits 2006 wollten Neonazis in Münster aufmarschieren. Es blieb allerdings bei einem Versuch. Nach 200 Metern mussten die Nazis damals aufgrund von Blockaden wieder umkehren und die Rückreise antreten.
Diesen Erfolg wollte das antifaschistische Bündnis „Keinen Meter den Nazis“, bestehend aus Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und linken Gruppen nun wiederholen und rief im Vorfeld des Aufmarsches zu Blockaden auf. „Am 3. März wollen wir gemeinsam mit vielen Menschen dafür sorgen, dass die Neonazis keinen Meter laufen.“ schrieb das Bündnis in seinem Aufruf. Die Polizei in Münster hatte hingegen davor gewarnt, an Sitzblockaden teilzunehmen, dies würde „eine Straftat darstellen“. Doch vielen Anwohnern in Rumphorst schien das keine Sorge zu bereiten: Immer wieder setzten sie sich auf die Straße und versuchten, die geplante Route der Neonazis zu blockieren. An vielen anderen Stellen machten zudem Gegendemonstranten durch Sprechchöre, Krach und Eierwürfe ihrem Ärger über den rechten Aufmarsch Luft.
Dabei kam es allerdings auch zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei, die sich in einigen Fällen angeblich nicht von der besten Seite gezeigt hat. So kritisiert das „Keinen Meter”-Bündnis in einer Pressemitteilung: „Jeder Versuch, sich von außen den Absperrungen zu nähern, führte zu massivem Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray. Ernsthafte Verletzungen von friedlichen Demonstrierenden wurden dabei provoziert oder zumindest billigend in Kauf genommen.“ Ebenso sollen parlamentarische Abgeordnete an ihrer Arbeit gehindert worden sein. Die Bundestagsabgeordnete Ingrid Remmers (Die LINKE) erklärte dazu: „Ich wollte als parlamentarische Beobachterin deeskalierend bei der Festnahme eines Gegendemonstranten vermitteln, als ich mich plötzlich selber dem tätlichen Angriff einer Polizistin ausgesetzt sah. Aus heiterem Himmel wurde ich durch die Beamtin brutal weg gestoßen.“ Die Politikerin wurde daraufhin gefesselt abgeführt und zum Polizeipräsidium gebracht. Laut dem „Keinen Meter“-Bündnis wurde zudem eine Person so schwer von Polizisten verletzt, dass sie mit Verdacht auf ein Schädelhirntrauma in die Intensivstation eingeliefert werden musste.
Die Neonazis hingegen feiern ihren Aufmarsch via Twitter als „großen Erfolg“. Unter dem Motto „Raus aus EU und NATO“ demonstrierten knapp 300 Neonazis, die überwiegend aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland angereist waren, für „nationale Selbstbestimmung“. Als Redner trat unter anderem der militante Neonazi und DHL-Paketfahrer Achim Kemper auf. In den Reden wurde deutlich: Schuld für eine nicht vorhandene „Selbstbestimmung des deutschen Volkes“ geben die Nazis der „Ostküste in den USA“ – eine Chiffre, die im antisemitischen Vokabular für die angebliche Weltherrschaft der Juden steht. Während des Aufmarsches fielen die meisten Teilnehmer durch aggressives Auftreten und Gewaltandrohungen gegenüber Medienvertretern und Gegendemonstranten auf. Journalisten wurden teilweise körperlich angegriffen und ihrer Arbeit gehindert. In ihren Parolen offenbarten die Neonazis ihr rassistisches Weltbild. „Deutschland den Deutschen, Ausländer Raus!“ riefen sie solange, bis es ihnen schließlich von der Polizei untersagt wurde. Die Parole „Linkes Gezeter – 9 Millimeter“ erfüllte hingegen offenbar keinen Straftatbestand und zeigte die Menschenverachtung der Teilnehmer. Eingeheizt wurde die Menge maßgeblich von dem Hildesheimer Neonazi Dieter Riefling, der mit zunehmend schriller werdender Stimme vom Blatt abgelesene Parolen in ein Mikrofon brüllte. Neben Riefling hielten auch der bundesweit bekannte Nazifunktionär Christian Worch, sowie diverse weitere Neonazis aus NRW Reden.
Vor dem Aufmarsch hatten die Neonazis großspurig angekündigt, die „rote Hochburg Münster einzunehmen“. Der kreative und vielfältige Protest von mehreren Tausend Menschen gegen dieses Vorhaben, hat gezeigt, dass dies wohl nur ein Traum der Nazis bleiben wird.