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Nazidemo in Coburg: Trotz „Bundesprominenz“ wenig los

 

80 Neonazis marschierten durch Coburg © Timo Müller

Am Samstag den 20.Oktober, marschierten knapp 80 Neonazis aus den Reihen der NPD und ihrer Jugendorganisation, Junge Nationaldemokraten (JN), durch die Lutherstadt Coburg. Die Neonazis hatten ursprünglich mit über 200 Teilnehmern gerechnet. Am Ende waren es knapp 80, die dem Aufruf folgten.

Das Datum für den Aufmarsch war nicht zufällig gewählt: Am 15. Und 16. Oktober 1922 führte der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund“ seinen „Deutschen Tag“ in Coburg durch. Die NSDAP war erstmals zu dieser Großveranstaltung eingeladen worden. Die Anwesenheit Adolf Hitlers auf der Veranstaltung und der Marsch zur Burg führte zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten.

90 Jahre später marschieren die jungen Neonazis der parteinahen Kräfte in Coburg auf. Kritische Juristen weißen darauf hin, dass der Aufzug schon deswegen hätte verboten werden können, da ein historischer Kontext zu den Tagen um den 15./16. Oktober herzustellen ist und dies laut Art. 15 Abs. 2.1a (BayVersG) rechtswidrig sei.

Intern rechneten die Organisatoren der Demonstration mit 200 Teilnehmern, da sie vor allem in den angrenzenden Bundesländern, Thüringen und Hessen, mobilisiert hatten. Gekommen waren dann neben den organisierenden Gruppen (JN Franken/Oberpfalz, die neu gegründete JN Oberfranken) auch einige Aktivisten der „JN Hessen“, der „Aktionsgruppe Weißenfels“, der „Bruderschaft Hessen“, dem „Fränkischen Heimatschutz“ (FHS), des „Aktionsbündnis Nordfranken“ und der thüringischen Vereinigung „Bündnis-Zukunft-Hildburghausen“. Obwohl vor allem der FHS zu den größten Neonazikameradschaften Oberfrankens gehört, war nur ein Teil des Aktivistenstamms anwesend.

Schon von Anfang an wirkte die Atmosphäre auf der Auftaktkundgebung sehr abstrus: Michael Schäfer(Wernigerode), der Bundesvorsitzende der JN, bringt Frisbee Scheiben auf die Kundgebung mit, um die Stimmung anzufachen. Patrick Schröder(Oberhof), Landeskoordinationsleiter der bayerischen NPD, wird wegen einer mitgeführten Waffe vorläufig festgenommen. Angemeldet hat den Aufmarsch der Landesgeschäftsführer der bayerischen NPD, Axel Michaelis (Wachenroth), der allerdings selbst nicht anwesend war.

Führende Köpfe der bayerischen NPD wie der stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende, Karl Richter, waren schließlich ebenso anwesend wie die lokalen NPD- Aktivisten Winfried Breu (Kreisgeschäftsführer im KV Lichtenfels/Kronach, Bad Staffelstein), Heidrich Klenhardt (Postbauer-Heng) und Dietmar Döring (NPD- Kreisvorsitzender Coburg und FHS- Aktivist). Auch führende Aktivisten aus der NPD-nahen Kameradschaftsszene wie Marcel Marderer (Forchheim), Simon F. (Nürnberg) und Jens Rüttiger (Hohenroth) sind angereist. Der Ordnerdienst wird von dem Bundesgeschäftsführer der JN, Julian Monaco (Dresden), geleitet. Neben den bayerischen Aktivisten Schröder, Rüttiger und Marderer fungieren vor allem Neonazis aus anderen Bundesländern um Kevin A. (Wiegersen) als Ordner. Auch der eigene Fotograf ist mit Dennis B. ein Auswärtiger.

Nachdem Schröder wieder auf freien Fuß gesetzt wurde und der führende Aktivist der JN Franken /Oberpfalz und Versammlungsleiter, Sven Diem (Nürnberg), die Auflagen verlesen hat setzte sich der Zug in Bewegung. Neben den üblichen Neonaziparolen hatten einige allerdings auch fanatischen Charakter: „Ob Süd, ob Nord Zecken töten ist kein Mord“ und „Ein Baum ein Strick ein Zeckengenick“. Einige Neonazis riefen auch ununterbrochen „Volkstod stoppen- Nazis poppen“. Schon auf dem Weg in die Innenstadt wird der Demonstrationszug der Neonazis durch Sitzblockaden gestoppt. Von bürgerlichen Nazigegnern bis hin zu Autonomen stören etliche Gegendemonstranten den Neonaziaufmarsch. Die Polizei hat Schwierigkeiten die Kontrolle zu behalten und kann nichts gegen die stetig wachsenende Blockade unternehmen. Die Neonazis müssen vorerst auf der Straße ausharren und werden letztendlich an der Blockade vorbeigeleitet. Dabei kommt es auch zu Übergriffen seitens der Neonazis auf Antifaschisten. Michael Schäfer, der Moderator des Aufmarsches versucht, die eigene Gefolgschaft mit anpeitschenden Redebeiträgen zu motivieren : „Wir sind heute hier um ein bisschen Spaß zu haben und zu zeigen, es gibt eine alternative Jugendkultur, die ihren Spaß treiben wollen mit den Etablierten, die die etablierten Vollidioten vor sich hertreiben wollen“. Die Gegendemonstranten tituliert er kontinuierlich als „verrückte Idioten“.

Während sich die Neonazis von der einen Blockade zur nächsten Schlängeln müssen erreichen sie einen Zwischenkundgebungsplatz. Ein 16-jähriger Aktivist des „Aktionsbündnis Nordfranken“, der aus einem kleinen Ort im Landkreis Lichtenstein stammt versucht sich mit einer politischen Analyse der ultrarechten Bewegung „Pro Deutschland“ und betitelt diese als „zionistische Partei“.

Die nächste Kundgebung auf der Aufmarschroute befindet sich in unmittelbarer Nähe zu einer Moschee. Der stellv. Landeschef der NPD- Sachsen, Maik Scheffler (Delitzsch), ist der nächste auf der Rednerliste. „Es ist mir keine Ehre überhaupt nur in der Nähe der Moschee zu sprechen, denn wenn es nach mir geht, wäre es heute auch das letzte Mal, da diese Gebäude morgen nicht mehr hier auf deutschen Boden steht“, beginnt er seine Ansprache. In seiner rassistischen und von Ressentiments durchsetzten Rede spricht er auch von „grimmigen, brutalen und kaputten Gesichtern“ mit „dunkler Hautfarbe“ und von „Muslimen und (..) kranken Gestalten, die hier versuchen in Deutschland uns zu vertreiben“.

Als letzter Redner spricht Karl Richter, der sich über die Religionsfreiheit in Deutschland echauffiert und über Verbrechen fabuliert, welche von vermeintlichen Migranten begangen werden. Während dieser Kundgebung greifen Neonazis einen älteren Herrn an, der am Rand der Kundgebung steht und sich kritisch äußert.

Nach über fünf Stunden wird der rechte Aufmarsch dann für beendet erklärt. Die Polizei spricht von fünf Festnahmen, die sowohl aus dem Lager der Neonazis, als auch dem der Gegendemonstranten kommen.

Anfang der Woche wurde zudem bekannt, dass während der Protestaktion eine junge Frau und ein 60- jähriger Mann von Polizeibeamten verletzt worden sein sollen. Der Mann, Sohn eines KZ-Inhaftierten, hatte laut Medienberichten versucht an einer Sitzblockade teilzunehmen und wurde von Einsatzkräften des bayerischen Unterstützungskommandos (USK) mit massiven Schlagstockeinsatz zurückgedrängt. Ein Notarzt habe ihn mit Verdacht auf akute Lebensgefahr ins Krankenhaus gefahren. Nach zwei Tagen im Krankenhaus wurde er entlassen. Diagnose: Ein Schlag aufs Herz verursachte Herz-Rhythmus Störungen und zwei Rippen sind gebrochen. Die Polizei kündigte an, den Vorfall zu untersuchen.