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„Likes“ für Rassisten: Wie die Identitären im Internet für sich werben

 

Identitäre Mohammed
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Wöchentlich entstehen derzeit auf Facebook neue Ortsgruppen der sogenannten „Identitären Bewegung“. Dabei geben sich die Aktivisten betont rebellisch und frech, mit bunten Farben und coolen Slogans, die oft hundertfach geteilt werden. Die rechte Propaganda bedient sich dabei ganz ungeniert an aktueller Popkultur und Aktionen der Spaßguerilla. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch schnell auf, wie rückständig und rassistisch das jugendlich verpackte Weltbild tatsächlich ist.

Aktuell sorgt die Identitäre Bewegung in Österreich für Wirbel, so besetzten rechte Aktivisten der Gruppierung am Sonntag ein Flüchtlingscamp in der Wiener Votivkirche. Auf einem Flyer ließen die Identitären verlauten, man wolle so gegen die „Multikulti-Ideologen“ protestieren, die das Asylrecht zur „Überflutung“ Österreichs mit „illegalen Einwanderern“ nutzten. Im Internet wird die Aktion von Szeneanhängern gefeiert, ein entsprechendes Video von den rechten Besetzern verbreitet sich rasant. Doch nicht immer entlarven sich die Identitären mit solchen fremdenfeindlichen Aktionen selbst, häufig verbergen sie ihre politischen Ziele hinter spaßigen Bildchen und kryptisch anmutenden Sprüchen. Zeit, sich die neurechte Propaganda mal ganz genau anzuschauen:

Identitäre Schleier
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Auf den ersten Blick sieht alles ganz harmlos aus. Hier ein paar Tierfotos, dort ein paar Bilder aus bekannten Kinofilmen, Designs in gelb und schwarz. Als Logo wird ein Lambda verwendet, dazu ein paar Parolen und Berichte von skurril anmutenden Aktionen. Dahinter steckt jedoch knallharter Rassismus und Ethnopluralismus. Nach der Vorstellung der Identitären haben „die Völker ein eigenes Territorium“, eine „Vermischung der Völker“ wird strikt abgelehnt. Besonders die islamische Kultur wird immer wieder angegriffen, muslimische Einwanderer würden Europa unbehelligt „überfremden“. Die Identitären dagegen wollen „der Wandel der Zeit“ sein und den „ethnokulturellen Selbstmord“ stoppen. Um unbefangene Jugendliche zu ködern und für die Ideologie der Neuen Rechten zu gewinnen, verwenden die Gruppierungen diverse popkulturelle Elemente und deuten diese für sich um.

Besonders gerne bedient man sich beispielsweise bei der amerikanischen Comicverfilmung „300“, hier finden sich gleich mehrere Anknüpfungspunkte, welche von den Identitären häufig aufgegriffen werden. Der Film strotzt nur so vor überzogenen Männlichkeitsvorstellungen, man identifiziert sich gerne mit den muskelbepackten Spartanern, den letzten standhaften Kriegern. Diese stellen sich im Film einer fremden Übermacht in den Weg, den „persischen Horden“ von Großkönig Xerxes, welcher ganz Europa unterjochen will. Ein fiktives Bedrohungsszenario, auf welches sich islamfeindliche Gruppierungen häufig beziehen, genauso, wie sie sich historisch auf die Belagerung Wiens durch das Osmanische Reich oder die „Reconquista“ berufen. „Reconquista“, ein häufig verwendeter Ausruf, meint geschichtlich die christliche Rückerorberung der iberischen Halbinsel von arabischen Eroberern. Diese historischen Ereignisse werden einfach umgedeutet und auf die heutige Zeit übertragen, auch aktuell müssten sich wieder „Europäer“ gegen die „einfallenden Muslime“ wehren. Die Ursachen von Migration spielen für die Identitären keine Rolle, heutige Einwanderung wird einfach gleichgesetzt mit feindlicher Invasion. Mit solch simplen Vergleichen sollen Jugendliche, die weit verbreitete fremdenfeindliche Einstellungen teilen, beeinflußt werden.

Frei.Wild Flugblatt Screenshot
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Des Weiteren werben die rechten Bewegungen auffallend oft mit Bildern von jungen Frauen, welche nach allgemeinen Schönheitsidealen wohl als attraktiv zu bezeichnen sind. Unterlegt werden diese Fotos dann mit Slogans wie „Identitäre: Was Frauen wollen“, „Identität ist auch Mädelssache“ oder anderen Sprüchen, welche die Anhängerschaft mobilisieren sollen. Oftmals sind die abgebildeten Frauen nur spärlich bekleidet, in den Kommentarspalten finden sich dazu dann neben sexistischen Ausfällen meist auch hämische Kommentare, die sich gegen Kopftücher oder Burkas richten. Wie „richtige“ Frauen nämlich eigentlich auszusehen haben, wird durch Posts verdeutlicht, die beispielsweise junge Mädchen und Frauen in volkstümlicher Tracht oder mit langen, geflochtenen Zöpfen in scheinbar unberührter Natur zeigen. Besonders bezeichnend ist das Bild einer jungen blonden Frau mit dem Slogan „zu schön für einen Schleier“, dazu der Hinweis, dass der „alttestamentarische Islam“ alle Frauen „ächte“ und „Schönheit“ verdamme. Hier wird deutlich, was die Bilder eigentlich vermitteln sollen, nämlich ein zutiefst islamfeindliches und auch sexistisches Weltbild: Das „Schöne“, das „Eigene“ solle verteidigt werden, es drohe durch die „Überfremdung“ und den „Multikultiwahn“ zu verschwinden. Der gesamte Islam wird als Bedrohung für die Frau dargestellt, deren Rechte man als Identitäre Bewegung schützen müsse. Außerdem wolle man zurück zur „wahren Schönheit“ und wieder hin zu „echten Männern und Frauen“ statt „billigen Disco-Schlampen und vollverschleierten Importbräuten“. Mit weiblicher Selbstbestimmung hat das jedoch nichts zu tun und als Verfechter von Frauenrechten sind die Identitären ebenfalls nicht zu sehen: Die Rollenverteilung ist völlig klar, die Frau ist zuständig für die traditionelle Familie, welche als Akt des Widerstandes gegen die drohende „Überfremdung“ gesehen wird. Alles, was von diesem Familienbild abweicht, wird als „falsch“ abgetan, so bejubelt man homophobe Stimmungsmacher aus Frankreich und wettert gegen den „Gender-Wahn“, in welchem die Identitären ein Machwerk der „marxistischen 68er Generation“ sehen. Altbackene Vorstellungen von vorgestern, als hippe „identitäre“ Rebellion getarnt.

Zur musikalischen Untermalung ihrer neurechten Erlebniswelt greifen die Identitären gerne auf die Musikband Frei.Wild zurück. Die Band, die immer wieder für Diskussionen sorgt und von vielen Seiten als nationalistisch und völkisch bezeichnet wird, passt hervorragend zur Selbstdarstellung der Aktivisten. Man sei schließlich „nicht rechts oder rassistisch“, sondern eben „patriotisch“ gesinnt. Slogans wie „nichts rechts, nicht links – identitär“ oder „0% rassistisch – 100% identitär“ sollen jeden Vorwurf, man sei irgendwie fremdenfeindlich, entkräften. Zudem greift man gerne die Distanzierungen der Band von „jedem politischen Extremismus“ auf, so geben sich die Identitären ganz „demokratisch“ und betonen den Verzicht auf Gewalt. Es verwundert daher auch nicht, dass Aktivisten der Identitären Bewegung Ende Dezember Flyer auf einem Konzert der Band in Hannover verteilten, auf denen sie dazu aufforderten, Patrioten „ nicht als Nazis“ zu sehen und „stolz auf Deutschland zu sein“. Auf diese Weise wollen die Identitären an nationalistische und fremdenfeindliche Denkweisen anknüpfen, die immer mehr Gehör finden und tarnen völkische Vorstellungen als unproblematische „Heimatliebe“.

Reconquista Screenshot
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Derzeit versuchen die Identitären also noch, ihre wahren politischen Ziele hinter Spaß und Rebellion zu verstecken. Denkt man die propagierten Inhalte jedoch zu Ende und schaut mal hinter die bunte Erlebniswelt, wird schnell klar, was die Gruppierungen eigentlich wollen, nämlich dasselbe wie Rechtspopulisten und andere Rassisten: Ein abgeschottetes Europa und eine Welt, die alle Menschen strikt nach „Kulturen“ teilt. Die Identitären wissen, wie sie ihren Rassismus und ihre Islamophobie anschlussfähig und ansprechend für Jugendliche machen, dies könnte sie zu einer ernstzunehmen und gefährlichen Bewegung der Neuen Rechten werden lassen. Aktuell handelt es sich jedoch größtenteils noch um ein Internetphänomen, gegen dessen Verbreitung es wirksame Mittel gibt:

Aufklärung, das Werben für Toleranz und natürlich den „Melden“-Button bei Facebook.