Bislang behauptet die Bundesregierung, eine finanzielle Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus aus Bundesmitteln sei nur „einmalig beziehungsweise lediglich zeitlich befristet“ möglich. Vielen Projekten droht deswegen künftig womöglich das finanzielle Aus. Doch ein Gutachten der Staatsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis, Prof. Dr. Klaus Joachim Grigoleit und Dr. Franziska Drohsel im Auftrag von Gewerkschaften, Verbänden und Initiativen weckt an dieser Aussage nun erhebliche Zweifel.
„Seit Beginn der Bundesprogramme kämpfen die Projekte gegen Rechtsextremismus ständig um eine dauerhafte Finanzierung. Das muss endlich ein Ende haben“, fordert Bianca Klose vom Verein für Demokratische Kultur in Berlin. Ihr Verein ist – zusammen mit vielen anderen Gewerkschaften, Verbänden und Initiativen – einer der Auftraggeber der Studie der Staatsrechtler Prof. Dr. Ulrich Battis, Prof. Dr. Klaus Joachim Grigoleit und Dr. Franziska Drohsel. In ihrem Gutachten erklären die Wissenschaftler eine dauerhafte finanzielle Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus für möglich und widersprechen damit dem für die Förderungen zuständigen Bundesfamilienministerium unter Leitung von Kristina Schröder (CDU).
Das Ministerium ist bisher der Auffassung, eine Unterstützung aus Bundesmitteln sei nur „einmalig bzw. zeitlich befristet möglich.“ Für viele Initiativen bedeutet dies eine große finanzielle Unsicherheit, für nicht wenige auch ein drohendes finanzielles Aus. Doch die Auffassung des Ministeriums ist nicht zutreffend, resümieren Battis, Grigoleit und Drohsel nun in ihrem Gutachten. „Eine langfristige, dauerhafte Finanzierung der Arbeit gegen Neonazismus und für Demokratieförderung ist verfassungsrechtlich möglich“, urteilen die Wissenschaftler. Eine Unterstützung sei zudem geboten: „Die Förderung demokratischer Kultur und die Bekämpfung des Neonazismus unterliegen staatlicher, insbesondere aber gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Zur Wahrung dieser Verantwortung bedürfen entsprechende gesellschaftliche Projekte eines gewissen Maßes an Finanzierungssicherheit.“
Eine rechtliche Grundlage bestehe, weil sich die „Bekämpfung des Neonazismus im Rahmen der wehrhaften Demokratie bewegt“ und somit ein „staatliches Handeln möglich“ sein würde. „Da eine Gesetzgebungskompetenz vorliegt, steht dem Bund aus Art. 87 Abs. 3 GG die Befugnis zu, bundesmittelbare Körperschaften und Anstalten zu errichten. In analoger Anwendung ergibt sich aus Art. 87 Abs. 3 auch die Kompetenz, Stiftungen und privat-rechtliche Organisationen zu errichten“, stellen die drei Staatsrechtler in ihrem 58 Seiten umfassenden Gutachten fest. Verfassungsrechtlich sei deshalb „sowohl die Einrichtung einer Stiftung bürgerlichen Rechts als auch einer öffentlich-rechtlichen Stiftung möglich“.
Als Reaktion auf das Gutachten betonen verschiedene Initiativen und Verbände erneut die Bedeutung einer langfristig gesicherten Förderung. „Professionelle Opferberatungsstellen brauchen eine langfristige Förderung. Kurzzeitige Förderperioden behindern die Arbeit, weil sie Planungssicherheit nehmen“, sagt etwa Jürgen Wollmann von der „Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt in Thüringen“. Ähnliche Töne schlägt auch sein Kollege Robert Kusche von der Opferberatung der RAA Sachsen an , der in seinem Statement zudem an die politisch Verantwortlichen appelliert: „Wir brauchen jetzt den politischen Willen, die Opfer rechter Gewalt dauerhaft zu unterstützen, indem die Opferberatungsprojekte dauerhaft gefördert werden.“
Pascal Begrich von „Miteinander e.V.“ aus Sachsen-Anhalt betont weiterhin: „Ein Teil der Bevölkerung steht nach wie vor der Demokratie distanziert gegenüber. Rechtsextreme Inhalte stoßen auf Akzeptanz. Dem kann nicht mit befristeten Projekten begegnet werden“. „Elementar für unsere Arbeit“ sind die Gelder auch für Uwe-Karsten Heye von „Gesicht zeigen!“: „Für eine konstruktive und innovative Fortsetzung unserer weit reichenden Impulse benötigen wir dringend eine verlässliche, dauerhafte Finanzsicherung.“
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland sieht in der „Bekämpfung von Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus, antimuslimischem Rassismus und Antiziganismus“ daher eine „Daueraufgabe“. „Deshalb hat nur ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz eine Aussicht auf nachhaltigen Erfolg“, so der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek in seiner Stellungnahme. Der Zentralrat der Juden in Deutschland appelliert außerdem an die „Zivilgesellschaft und die Politik“, die eine „Überführung der Absichten in überzeugende Strukturen“ vorzunehmen habe. Dem stimmt auch Annetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung zu. Sie sagt in ihrem Fazit zu dem vorgestellten Gutachten der Staatsrechtler: „Es wird endlich Zeit, dass die erfolgreichen Ansätze, Modelle und Strukturen zum Schutz vor rechter Gewalt oder Antisemitismus dauerhaft vor Ort wirken.“