„Zerdroschene Scheiben“, gestohlene Briefkästen und verunsicherte Mitarbeiter: Anfang dieser Woche wurde die „Täglich Brot-Insel“ im thüringischen Kahla Ziel eines vermutlich rechtsextremistisch motivierten Anschlags. Gegolten hat die Attacke wohl der im Gebäude beherbergten Initiative „BürgerInnen für Zivilcourage“, die gegen den neonazistischen „Thüringen-Tag der nationalen Jugend“ am 8. Juni dieses Jahres in Kahla mobil macht.
Als die Mitarbeiter der „Täglich-Brot-Insel“ am Montag ins Büro kamen, waren die Spuren des Anschlags schon deutlich zu sehen gewesen. Die äußeren Scheiben des Fensters waren „zerdroschen“, der Briefkasten weggebrochen und mitgenommen worden. Betroffen von der Attacke waren Fensterscheiben genau der Räumlichkeiten, in denen die Initiative „BürgerInnen für Zivilcourage“ ihren Sitz hat. Die Initiative aus Kahla engagiert sich seit längerem gegen neonazistische Umtriebe in der Gegend und macht gegen den „Thüringen-Tag der nationalen Jugend“ mobil, der in diesem Jahr am 8. Juni stattfinden soll. Für die Initiative ist es nicht der erste Angriff, bereits vor 10 Tagen ist ein Briefkasten entwendet worden.
Eine neonazistische Tat liegt für Heike Döbler von der „Täglich-Brot-Insel“ und „BürgerInnen für Zivilcourage“ unter diesen Umständen auf der Hand. Im Gespräch mit dem Störungsmelder verweist sie auf eine aktive rechte Szene in Kahla, die mittlerweile in Form von zwei unterschiedlichen Gruppierungen in die Öffentlichkeit tritt. Immer wieder komme es in Kahla zudem zu rechten Schmierereien und Angriffen auf Personen, die nicht in das Weltbild der lokalen neonazistischen Szene passen. Döbler vermutet deshalb auch hinter dem Anschlag auf die Räumlichkeiten der Initiative einen Einschüchterungsversuch. „Vielleicht sehen die Rechten eine Bewegung der demokratischen Zivilgesellschaft, die sie beunruhigt.“ Denn während rechtsextreme Aktivitäten in der Vergangenheit von den Politikern häufig ignoriert worden seien, sind „jetzt“ aufgrund der Anmeldung des „Thüringen-Tags der nationalen Jugend“ in und um Kahla „alle hellhörig“ geworden, so Döbler.
Doch die Versuche der Neonazi-Szene werden erfolglos bleiben. „Wir lassen uns natürlich nicht einschüchtern“, erzählt Döbler dem Störungsmelder. Ganz im Gegenteil: Demnächst soll zusammen mit dem „Lokalen Aktionsplan“ (LAP) auch ein „Demokratieladen“ eröffnet werden, indem beispielsweise Veranstaltungen mit der Opferberatungsstelle „ezra“ oder der Amadeu-Antonio-Stiftung-Vorsitzenden Anetta Kahane abgehalten werden sollen. In der Zwischenzeit habe es außerdem solidarische Worte von Seiten der Politik gegeben, berichtet Heike Döbler. So bekundete etwa der Bundestagsabgeordnete der Linken, Ralf Lenkert, seine Unterstützung. Landrat Andreas Heller (CDU) sprach in der Lokalzeitung zudem von einem „Angriff auf die Demokratie“, von dem sich die Bürger aber nicht einschüchtern lassen sollte, und Thüringens Sozialministerin Heike Taubert (SPD) verurteilte die Tat entscheiden und rief alle „zivilgesellschaftlichen Akteure“ in einer Erklärung dazu auf, gemeinsam und entschlossen „zusammenzustehen“.
Aber nicht überall fallen die Reaktionen so unmissverständlich aus. Gerade von Seiten der Bevölkerung gebe es „ganz unterschiedliche Wahrnehmungen“. „Die einen sagen, wir seien selber Schuld, weil wir die Stadt ganz rechts reden würden; und die anderen sehen das anders und definieren es ganz klar als rechte Straftat“, fasst Heike Döbler zusammen. Obwohl es sich in der Zwischenzeit gebessert hat, werde teilweise immer noch bagatellisiert. „BürgerInnen für Zivilcourage“ lässt sich deswegen aber nicht vom Engagement abbringen, die Ziele sind der Initiative sind klar benannt: „Wir müssen die Bürger informieren und klarmachen, dass wir keine rechten Schmierereien und Angriffe dulden“.
Nun liegt es an der Polizei, den oder die Täter ausfindig zu machen. Die Ermittlungen sollen derzeit in Richtung „politisch motivierter Kriminalität“ gehen – ohne, dass sich die Beamte – trotz der eindeutigen Hinweise – auf „politisch motivierte Kriminalität – rechts“ festlegen lassen wollen, wie Heike Döbler dem Störungsmelder irritiert berichtet. Große Hoffnung in einen Ermittlungserfolg hat die engagierte Mitarbeiterin aber ohnehin nicht.
Wichtig ist für Döbler derzeit nur, die Mitarbeiter zu bestärken. Denn spurlos ist der Angriff nicht an der „Täglich Brot-Insel“ vorbeigegangen. Die Mitarbeiter seien nach der Tat verunsichert, manche würden sogar um ihr Leben fürchten. Aus diesem Grund organisiere man momentan Termine mit der Opferberatungsstelle „ezra“ aus Erfurt, um den Mitarbeitern das Gefühl von „Sicherheit, Geborgenheit und Verständnis zu geben“, wie Döbler sagt. Denn das Engagement soll unter den Angriffen nicht leiden.