Ärger in Siegen. In die Jubiläumsschrift zum 50-jährigen Bestehen des Siegerland-Kollegs wurde ein Artikel des NPD-Stadtratsmitglieds Sascha Maurer aufgenommen. Der Text sollte neben Grußworten von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder und einigen Lokal-, Kreis- und Landespolitikern erscheinen. Soweit kommt es nun allerdings nicht. Nach massiver Kritik erklärte das Kolleg nun der Autor selbst habe den Beitrag zurückgezogen – um Schaden von der Schule abzuwenden.
„Der Beitrag enthält keine politischen Aussagen und beschränkt sich auf die Untersuchung der strukturellen Verteilung der Studierendenschaft im Einzugsgebiet des Kollegs“, sagte Kollegleiter Alfons Quast dem Störungsmelder. Entstanden sei der Beitrag mit dem Titel „Das Einzugsgebiet des Siegerland-Kollegs“ im Rahmen eines Projektkurses. Kenntnis über die Autorenschaft Maurers hatten Studierende, die diesen Kurs ebenfalls besuchten. Auf Grund „frühere[r] politische[r] Aktivitäten von Herrn Maurer“ hätten Herausgeber und Schulleitung die Frage der Veröffentlichung dieses Beitrags im Vorhinein erörtert. Die positive Entscheidung hierzu fiel wegen erfüllter Qualitätsstandarts, der „Gewichtung des Bildungsrechts“ des Autors und unter „Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes“, betont Quast.
Die prominenten Autoren, die Grußworte zur Festschrift beisteuern, hatten bis dato keine Kenntnis über die weiteren Beitragenden. Kritik an der Autorenschaft Maurers äußerte CDU-Landrat Paul Breuer gegenüber dem WDR. Das Kolleg habe einen großen Fehler gemacht und es könne nicht in ihrem Interesse sein, mit Maurer in Verbindung gebracht zu werden. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich so jemand in der demokratischen Gesellschaft versteckt“, sagt Joe Mertens von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) gegenüber der WAZ. Auf der Facebookseite des Kollegs beklagt sich die Schulleitung über einen „Shitstorm“, der es schwer mache „die sachliche Kritik aus den unwahren Behauptungen, persönlichen Meinungen, Beschimpfungen und Drohungen herauszufiltern“. Zahleiche User hatten sich in den vergangenen Tagen mit teils drastischen Formulierungen gegen Maurers Mitwirkung an der Broschüre gewandt. Andere argumentieren sachlich; ein User meint: „ihn [Maurer] hier hoffähig zu machen, geht gar nicht“.
Sascha Maurer ist seit 2009 Mandatsträger für die NPD im Siegener Stadtrat. Er war Teilnehmer zahlreicher Aufmärsche der Neonaziszene. Fotos zeigen ihn in Gesellschaft des Pulheimer Neonazis Axel Reitz. Ein bei YouTube eingestelltes Video zeigt Maurer bei einer Demonstration am 1. Mai 2010 in Berlin. Maurer drängt dort gemeinsam mit weiteren Neonazis auf Geheiß von Thomas Wulff einige Journalistengewaltsam zur Seite. Der Dokumentationsblog „Recherche Siegen“ schreibt, dass Maurer inzwischen weniger häufig in die Öffentlichkeit aufritt. „Zu keinem Zeitpunkt“ habe er sich jedoch von „seinem menschenverachtenden Weltbild und seinen bisherigen Aktivitäten […] distanziert“, heißt es.
„Es ist weder mir noch meinen KollegInnen noch unseren Studierenden (ob mit oder ohne Migrationshintergrund) bekannt, dass am Siegerland-Kolleg rechtextremes Gedankengut verbreitet wird“, sagte Quast. Dies sei auch für die Person Sascha Maurer der Fall, weshalb es nicht erforderlich sei an der Schule Maßnahmen gegen die Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut zu ergreifen. Die Schule fühle sich dem im Grundgesetz formulierten Benachteiligungsverbot verpflichtet und stufe dessen Bedeutung „sehr hoch“ ein.
Nach medialer Aufmerksamkeit und kritischen Stimmen aus der Politik wird der umstrittene Beitrag nun doch nicht in der Jubiläumszeitschrift erscheinen. In der WDR Lokalzeit Südwestfalen am Donnerstag betont die Schule, der Autor selbst habe den Artikel zurückgezogen. Gegenüber ZEIT ONLINE erklärte Kollegleiter Quast es gehe Sascha Maurer mit diesem Schritt darum „weiteren Schaden“ vom Siegerland-Kolleg abzuwenden. „Die Schule akzeptiert diese Entscheidung und wird die entsprechenden Seiten aus dem bereits gedruckten Werk entfernen“. Ob dieser freiwillige Rückzug dem „Shitstorm“ den Wind aus den Segeln nimmt bleibt abzuwarten.