Auf der Jugendburg Ludwigstein in Hessen sind völkische Jugendbünde willkommen. Bei einem Treffen Anfang Oktober gaben sich prominente rechte Publizisten die Klinke in die Hand. Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) hat nun sämtliche finanzielle Zuwendungen bis zu einer Klärung der Verhältnisse auf der Burg eingefroren.
Von Jesko Wrede
Stolz erhebt sich die Burg Ludwigstein über dem Werratal bei Witzenhausen an der Grenze zwischen Hessen und Thüringen. Traditionell gilt die Burg Gruppen der Pfadfinder- und Wandervogelbewegung als geistiges Zentrum. Das Hessische Staatsarchiv betreibt hier eine Außenstelle, das „Archiv der Jugendbewegung“. Es finden Bildungsangebote und internationale Begegnungen statt. Doch seit einigen Jahren riskieren die Verantwortlichen vor Ort den guten Ruf der Jugendburg und ihrer Bildungsstätte.
So kamen bei einem „Markt der Jugendbewegung“ am 3. Oktober auf nicht nur einige Pfadfindergruppen auf die Burg, sondern auch herausragende Vertreter rechter Kaderschmieden. Es erschienen mehrere Personen, die in einem Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung über Intellektuellen Rechtsextremismus erwähnt werden. So war auf dem „Markt der Jugendbewegung“ Götz Kubitschek zugegen. Der ehemalige Gildenschafter, frühere Autor der Jungen Freiheit und Leiter des Instituts für Staatspolitik betreibt heute mit der „Edition Antaios“, einen nationaloppositionellen Verlag.
Auf dem Hohen Meißner fand vom 2. bis 6. Oktober das Gedenken an den „1. Freideutschen Jugendtag“ im Oktober 1913 statt. Zu den Hauptfeierlichkeiten kamen zirka 3500 Menschen, überwiegend Pfadfinder und Wandervogelgruppen zusammen, um ihr Jubiläum zu begehen. Völkischen Bünden war eine Absage erteilt worden. Schon bei einem Vorbereitungstreffen 2010 waren sie von der Vorbereitung und Durchführung des „Meißnerlagers“ ausgeschlossen worden. Stattdessen wurde nach dem Ausschluss der rechten Gruppen eine „Meißner-Fahrt“ organisiert, an der nun die völkischen Gruppen teilnahmen.
Auch Dieter Stein, Chef der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit hatte sich mit zwei seiner Kinder zu der Meißner-Fahrt eingefunden, die von der thüringischen Burg Hanstein über die Veranstaltung auf Burg Ludwigstein zum Hohen Meißner, einem nahe gelegenen Berg, führte. Stein schrieb darüber in der darauf folgenden Ausgabe seines Blattes.
Rechte Milieubildung
Im Zuge einer szeneinternen Debatte veröffentlichten die Gremien der Jugendburg Ludwigstein eine gemeinsame „Erklärung zur offenen Burg“. Es ging hierbei um die Frage, ob Mitglieder des „Freibund-Bund heimattreuer Jugend“ oder des von der 1994 verbotenen Wiking-Jugend abgespaltenen „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ zu Veranstaltungen der Jugendburg zugelassen werden sollten. Seitdem nimmt nicht nur der Freibund regelmäßig an Burgveranstaltungen teil. Auch der „Deutsche Mädelwanderbund“, die „Fahrenden Gesellen – Bund für deutsches Leben und Wandern“ und die Deutsche Gildenschaft besuchen die Burg – und nutzen sie auch für eigene Veranstaltungen.
So feierten im Mai 2009 die „Fahrenden Gesellen“ ihr 100-jähriges Bestehen auf der Burg. Im September 2010 urteilte das Landgericht Berlin mit
Hinweis auf die Schriften des Vereins, dass die Aussage, die „Fahrenden Gesellen“ seien „verbandelt mit führenden Rechtsradikalen und propagieren ein Deutschlandbild in den Grenzen von 1939“ als legitime Meinungsäußerung zu werten sei (Aktenzeichen 27 O 288/10). Noch heute besagt deren „Bundesgesetz“, das nur „unbescholtene Deutsche“ Mitglied des Vereins werden können. Ein Mitglied der Fahrenden Gesellen fungierte als Bauleiter bei der Errichtung eines neuen Gebäudes auf der Burg. Das Bundesfamilienministerium teilte auf Anfrage mit, dass das Bauvorhaben wurde mit einer Summe von 150.000 Euro gefördert, das Hessische Sozialministerium gibt an, dass die gesamte Fördersumme 350.000 Euro im Jahr 2009 und weitere 150.000 Euro in 2011 betrug.
„Der Verfassungsschutzbehörde bekannt“
Die Niedersächsische Landesregierung erklärte auf Anfrage der Linken im Januar 2010, dass deren Verfassungsschutzbehörde die Aktivitäten von Deutscher Gildenschaft und Freibund – Bund Heimattreuer Jugend “mit großer Aufmerksamkeit [verfolge], um zu prüfen, ob die Grenze zur verfassungsfeindlichen Bestrebung überschritten ist.”
Die Deutsche Gildenschaft ist eine Studentenverbindung, die sich gemäß einer Selbstdarstellung „mit nationaler Überzeugung und [in] bündischer Tradition“ als Dachverband ihrer regional aktiven Gilden und als Lebensbund versteht. Vor kurzem gab es Schlagzeilen in Thüringen als bekannt wurde, dass Regierungssprecher Karl-Eckard Hahn Mitglied der „Deutschen Hoschulgilde Trutzburg Jena zu Göttingen“ sei. Bis zu einer Prüfung der Gruppierung durch die Bundesinnenministerkonferenz lässt Hahn seine Mitgliedschaft nun offiziell ruhen. Ein langjähriger Aktivensprecher der Gildenschaft hat sich in den letzten Jahren als Kurator des Archivs der Jugendbewegung auf der Burg profilieren können.
„Leute wie Dich hätte man früher vergast“
Im März vergangenen Jahres wurde ein Besucher des „Beräunertreffens“ auf der Burg Ludwigstein im Laufe einer Auseinandersetzung über die Nachtruhe mit den Worten beleidigt, Leute wie ihn „hätte man früher vergast“. Der Staatsschutz ermittelte gegen Unbekannt, das Verfahren ist ohne Ergebnis eingestellt worden. Auf Anfrage geben die Verantwortlichen der Burg an, der Impuls zur Aufklärung „der damals im Raum stehenden Vorwürfe“ sei von einer ihrer Bildungsreferentinnen ausgegangen. Anfang Oktober erschien mit Steffen Hupka ein bekannter Neonazi-Aktivist zum „Markt der Jugendbewegung“. Er wurde vom Burgbetriebsleiter des Geländes verwiesen. Eine Idee, warum solche Personen sich von ihren Veranstaltungen angezogen fühlen, haben die Burgverantwortlichen vorgeblich nicht. Mit ihrem Wissen seien „in den letzten zehn Jahren“ Burgveranstaltungen „zu keiner Zeit von Neonazis besucht, zumal Extremisten vom Besuch der Burg ausgeschlossen“ seien, heißt es auf Anfrage. Aufgefordert, die Offenheit gegenüber völkisch-nationalistischen Gruppen zu begründen, antworten die Burgverantwortlichen dem Störungsmelder “den undefinierten Begriff ‚völkisch-nationalistische Gruppen’“ zöge man „als Entscheidungsgrundlage nicht heran; die Grundlage unseres Handelns bildet der Rechtsstaat. Dies fordern sowohl unsere Satzung als auch unser öffentlich-rechtlicher Bildungsauftrag. “
Der wichtigste Fördermittelgeber der Burg, das Hessische Sozialministerium, zeigt sich von den Zuständen auf der Burg jedoch überrascht. Sozialminister Grüttner erklärt nach Anfrage des Störungsmelders: „Solange die aufgeworfenen Fragen und Vorwürfe nicht eindeutig geklärt sind, werden keine Landesmittel mehr fließen. Das betrifft alle Zuwendungen, auch Entscheidungen über Investitionsförderungen, die derzeit anstehen. Das Hessische Sozialministerium wird sehr zeitnah das Gespräch mit den Vertretern der Jugendburg Ludwigstein suchen und die Vorwürfe prüfen.“
Der Artikel ist eine gekürzte Fassung des Original-Textes von Jesko Wrede. Den ganzen Text finden Sie hier.