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Geldstrafe für Neonazi nach Messerangriff

 

TddZ Hamburg
Messerstecher Lukas R. (links mit Kapuze) bei einem Naziaufmarsch in Hamburg © monitorex

Mildes Urteil für einen Neonazi, der in Barsinghausen (Region Hannover) Linke angegriffen hatte und im Zuge dieser Auseinandersetzung einen jungen Mann mit einem Messer verletzte. Der Angriff brachte dem einschlägig Vorbestraften eine Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro ein. Im Prozess präsentierte er sich als angeblicher Aussteiger. Doch auf seiner Facebook-Seite finden sich eindeutige Nazi-Bilder. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Von Martin Burgdorf

Für den Richter am Amtsgericht in Wennigsen (Deister) war der Angeklagte R. kein Unbekannter. Bereits zum dritten Mal in diesem Jahr musste sich der junge Neonazi vor dem Gericht verantworten. Dieses mal wegen einer besonders brutalen Tat. Dem 19jährigen R., der zu der militanten Naziszene in Barsinghausen zählt, wurde vorgeworfen, dass er zusammen mit anderen Neonazis die Besucher einer Feier in dem linksalternativen Jugendtreff Falkenkeller angegriffen habe. Eine Gruppe Vermummter hatte Nachts am 11.08.2012 vor der Tür des Kellers zunächst Flaschen auf ihre politischen Gegner geworfen und die Feiernden angepöbelt. Bei der darauffolgenden Auseinandersetzung wurde einer der Feiernden mit Reizgas angegriffen, zu Boden gerissen und dort von dem Angeklagten mit einem Klappmesser in der Hand am Hals bedroht und in den Rücken gestochen. Dabei drohte der Neonazi gegenüber den Umstehenden sein unter ihm liegendes Opfer „abzustechen“. Der Angegriffene zog sich bei dabei eine Stichwunde unter dem Schulterblatt, sowie Gesichtsverletzungen, Augenreizungen und Schürfwunden zu. Schwerer wiegen für den jungen Mann jedoch die psychischen Folgen dieses traumatischen Angriffs. Noch heute klagt er über Albträume und die psychische Belastung des Erlebten und meidet Orte und Plätze in Barsinghausen, an denen die rechte Szene anzutreffen ist. Sein Alltag ist dadurch stark eingeschränkt. So vermeidet er beispielsweise die S-Bahn zu benutzen, weil der Bahnhof in Barsinghausen regelmäßiger Treffpunkt der Rechten ist.

Im Zuge eines Rechtsgespräch einigten sich das Gericht, der Vertreidiger des Angeklagten und der Rechtsanwalt des Betroffenen, der als Nebenkläger im Prozess auftrat, auf auf ein realtiv mildes Strafmaß. Der zu verurteilende 19-jährige R. sollte im Falle eines umfassenden und glaubwürdigen Geständnisses 500 Euro an sein Opfer bezahlen sowie eine Geldstrafe in Höhe von maximal 1500 an eine gemeinnütze Einrichtung. Alle Prozessbeteiligten willigten ein, so dass aufgrund des Geständnisses und einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht das Urteil entsprechend ausfiel. Der Angreifer muss nun 1500 Euro an die Gedenkstätte Bergen Belsen sowie 500 Euro an sein Opfer zahlen. Die Gerichtskosten wurden ihm erlassen. Der Verurteilte, der dieses Jahr in Wennigsen bereits schon zweimal wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt wurde, gab sich reumütig. Er beteuerte vor dem Richter, dass er durch seinem Wegzug aus Barsinghausen mit der rechten Szene und seinen alten Leuten nichts mehr zu tun habe. Auch zahle er gerne seine Strafe an die Gedenkstätte Bergen-Belsen und den Geschädigten. Sein Verteidiger betonte ebenfalls, dass das Jugendstrafrecht darauf ausgelegt sei, dass sich Einstellungen ändern können und dass sein Mandant geständig sei. Dieser Argumentation schloss sich auch der Richter in seiner Urteilsfindung an. Trotz der Vorstrafen und der Brutalität der Tat samt der vom Richter diagnostizierten kriminellen Energie wurde hier kein Jugendarrest verhängt. Ein härteres Urteil war nach Einschätzung des Anwalts des betroffenen Nebenklägers schwer zu erwirken. Grund dafür sei die schlechte Aktenlagen durch die unzureichende Ermittlungsarbeit der Polizei. Der Anwalt kritisierte, dass die Polizei weder Spuren am Tatort gesichert hätte, noch versucht habe, weitere Zeugen zu ermitteln, auch sei die Stichverletzung nicht gerichtsmedizinisch untersucht worden.

Freunde und Angehörige des Opfers, die als Zuschauer mit im Gerichtssaal waren, kritisierten das Urteil als zu milde. Auch mochten sie dem Verurteilten die angebliche Abkehr von der rechten Szene nicht glauben. Sie wollen R. erst kürzlich wieder zusammen mit einem anderen vorbestraften Neonazi in Barsinghausen gesehen haben. Ein Blick auf das Facebook-Profil des Verurteilten bekräftig diese Wahrnehmung: Dort postet R. eine Grafik der Nazikameradschaft „FK Detmold“ sowie eine Grafik mit Anti-Antifa-Symbolik.